Jährlicher NPD-Aufmarsch am 9.11. / 6.11.

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Jedes Jahr werden am 9.11. in Vacha (Thüringen) die Opfer der Novermberpogrome von 1938 verhöhnt. Die NPD darf einen Fackelmarsch durchführen, und in Hörweite zur ehemaligen Synagoge hetzerische Reden halten. In keinem anderen Ort in deutschland war dies bisher möglich.

 

Geschichtliche Bedeutung 9.11.


In der jüngeren Geschichte hat der 9.11. besonders in Deutschland eine hohe Bedeutung. Im Geschichtsunterricht der allgemeinbildenden Schulen wird er teilweise als Schicksalstag der Deutschen bezeichnet. Zur Bedeutung dieses Tages tragen verschiedene Ereignisse des vergangenen Jahrhunderts bei. Am 9.11.1918 wurden durch Philipp Scheidemann die „Republik Deutschland“, und durch Karl Liebknecht die „freie sozialistische Räterepublik Deutschland“ ausgerufen. Bedeutsam ist hierbei, dass infolgedessen erstmals ein demokratischer (!!parlament. Demokratie!!) Staat Deutschland entstand. Am Morgen des 9.11.1923 wurde der Hitler-Ludendorf-Putsch niedergeschlagen, welcher am vorhergehenden Abend begann. 1938 fanden in den Tagen um den 9.11. die Novemberpogrome statt. Bis heute ist die Nacht vom 9. auf den 10.11. als Reichspogromnacht bekannt. Während der Pogrome verloren über 400 jüdische Menschen ihr Leben und etwa 30.000 weitere wurden verhaftet oder deportiert. Mehr als tausend jüdische Einrichtungen wie Synagogen und Friedhöfe, sowie tausende Wohnungen und Geschäfte wurden zerstört. Die Pogrome leiteten den Übergang von öffentlicher Ausgrenzung und Diskriminierung hin zur offenen Verfolgung von Juden, der Millionen zu Opfer vielen, ein. 1989 fand die, vielen als Mauerfall bekannte, Grenzöffnung der DDR statt.


Deutsches Gedenken zum 9.11.


Die Ereignisse von 1918 und 1923 finden bei öffentlichen Veranstaltungen zum 9.11. selten Erwähnung. Der Mauerfall jedoch ist offenbar vielerorts ein willkommener Anlass zu Feiern bzw. zu Gedenken. Zum zwanzigsten Jahrestag dieses Ereignisses im letzten Jahr inszenierte man pompöse Gedenkfeiern.
Nicht selten wird dabei das Erinnern an die Opfer der Novemberpogrome „vergessen“. Stolz auf Deutschland zu sein, ist spätestens seit der WM 2006 wieder „IN“, und man braucht sich dabei auch nicht mal mehr Gedanken um die Vergangenheit machen. Würde man am 9.11. die Feiernden fragen, was 1938 geschah, würden nicht wenige wohl keine Antwort darauf finden. Scheinbar möchte man der guten Stimmung die beim Huldigen der großen Nation BRD entsteht, keinen Dämpfer versetzen, in dem man an Taten erinnert, die durch kollektives Wegschauen oder Mitlaufen Deutscher erst ermöglicht wurden. Taten, die die Folge eines durch die Medien der Nazis erzeugten antisemitischen und rassistischen Weltbildes waren. Auch heute finden antisemitische oder rassistische Argumente und Denkweisen bei großen Teilen der hier lebenden Menschen Zustimmung. Anders ist es nicht zu erklären, dass etwa 20% der Teilnehmer_innen einer Umfrage eine Sarrazin-Partei wählen würden, und einer jüngst veröffentlichen Studie zufolge 17,4% der Befragten der Meinung sind, dass der Einfluss „der Juden“ zu groß wäre. Basierte im „Dritten Reich“ der Rassismus noch auf biologischen Annahmen geht er heute eher mit einer kulturellen Abgrenzung einher. Populisten wie Sarrazin oder Seehofer machen durch ihren Nützlichkeitsrassimus menschenverachtende Weltanschauungen wieder mehrheitsfähig. Gerade deshalb ist es umso wichtiger am 9.11. den Menschen die Taten von 1938 in Erinnerung zu rufen, um ihnen zu zeigen, wohin diese verachtenswerten Weltbilder führen können.
In einem kleinen Ort in Thüringen wird besonders deutlich wie gut das Verdrängen der Ereignisse mit dem Feiern des Mauerfalls funktioniert.


Jährlicher Fackelmarsch der NPD zum 9.11.


Vacha ist eine kleine Stadt im Wartburgkreis, direkt an der Grenze zu Hessen gelegen. Jedes Jahr findet dort am 9.11. ein Bürgerfest zur Erinnerung an die Grenzöffnung gemeinsam mit der nur wenige hundert Meter entfernt gelegenen hessischen Gemeinde Phillippsthal statt. Seit 2007 kann das Fest nicht mehr auf dem Vachaer Marktplatz durchgeführt werden. Grund dafür ist eine dort stattfindende Veranstaltung der NPD. Der Fackelmarsch der Neonazis ist 2008 und 2009 deutschlandweit die einzige genehmigte Veranstaltung von NPD bzw. Neonazis gewesen (2008 , 2009). Unter dem Motto „Weg mit der Mauer in den Köpfen“ wurde versucht menschenverachtende Ideologien zu verbreiten. Dass sich immer nur wenige Interessenten einfanden um den Reden der Neonazis zuzuhören, lag wohl nur daran, dass das Bürgerfest an anderer Stelle interessanter schien. Von antifaschistischem Protest nahezu ungestört, konnten Redner wie Patrick Wieschke (NPD Stadtrat ESA) oder Tobias Kammler (NPD Kreisrat WAK) im letzten Jahr in Hörweite zum Standort der ehemaligen Vachaer Synagoge, welche am 9.11.1938 verwüstet wurde, ihre Ansichten kundtun.
Die Tatsache, dass am 9.11. Neonazis marschieren durften, stellt eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus/der Novemberpogrome dar.


2010 erstmals Gegendemonstration angemeldet


Da von Seiten der NPD im letzten Jahr noch während der Veranstaltung ein Wiederkommen angekündigt wurde, ist in diesem Jahr, bereits vor der offiziellen NPD-Ankündigung, eine antifaschistische Gedenkdemonstration für den 9.11. in Vacha angemeldet worden. Diese sollte zum einen Ausgangspunkt für Gegenaktivitäten im Rahmen der NPD-Veranstaltung sein, zum anderen aber auch die Erinnerung an die Ereignisse von 1938 wieder wachrufen.Doch anders als im Vorjahr angekündigt, will die NPD in diesem Jahr anscheinend lieber am Wochenende marschieren gehen und bewirbt nun eine Demonstration für Samsatg den 6. November. Ob man damit der schwindenden Teilnehmerzahl vom letzten Jahr entgegenwirken möchte (vgl.: 2008 am Sonntag ca. 80, 2009 am Montag ca. 30-40), oder aufgrund der antifaschistischen Gedenkveranstaltung ausweichen musste, bleibt ungeklärt.

Ist im Normalfall die Verlegung auf ein Wochenende auch von antifaschistischer Seite betrachtet ein Vorteil, stellt es sich in diesem Fall allerdings als Problem dar. Zum einen lockt das Wendland an diesem Wochenende. Zum anderen findet gerade am 6.11. in Saalfeld der 20. antifaschistische und antirassistische Ratschlag statt (1).


Auch am 6.11. Gegenaktionen


Trotz Wendland und Ratschlag wird es auch am 6.11. in Vacha zu Gegenaktivitäten kommen. Eine antifaschistische Demonstration ist ab 14:00 Uhr von der örtlichen Werrabrücke/ Vachwerk angemeldet.

arwak.blogsport.de
fightfascism.blogsport.de
Informationen zur Jüdischen gemeinde Vacha

Fakten 6.11.
16:00 Uhr Marktplatz Vacha – Beginn Naziveranstaltung
14:00 Antifaschistische Demonstration – Start am Vachwerk