Gelöbnis nicht blockiert - aber gestört

OB Wolfgang Schuster, Generalmajor Gert Wessels, Ministerpräsident Stefan Mappus (von links)
Erstveröffentlicht: 
31.07.2010
Schlossplatz. Die Rekruten sprechen unter Trillerpfeifenlärm ihren Eid. Mehr als 60 Demonstranten werden nach einer Sitzblockade vor der Kirche festgenommen. Von Susanne Janssen und Matthias Schiermeyer

 

Die Innenstadt glich gestern einer Festung: 1500 Polizeibeamte waren aufmarschiert - unter ihnen auch Polizisten aus Rheinland-Pfalz, Bayern und Hessen. Den Bereich am Neuen Schloss sicherte die Bundeswehr selbst. Weite Teile des Schlossplatzes wurden mit Gittern abgesperrt. Etwa 2000 geladene Besucher kamen nur nach genauen Kontrollen durch. Im Ehrenhof legten 650 Rekruten aus Baden-Württemberg ihr Gelöbnis ab - während im Hintergrund die Demonstranten eine ständige Geräuschkulisse mit Trillerpfeifen, Tröten und Trommeln abgaben. Etwa 500 Bürger verfolgten das Schauspiel notgedrungen aus kurzer Distanz.

In seiner Ansprache an die Rekruten nannte Ministerpräsident Stefan Mappus die Störer „Demonstrationstouristen". „Wir lassen uns das Gelöbnis auch nicht von denen vermiesen, die heute Radau machen", betonte der CDU-Politiker, wofür er viel Beifall erhielt. „Die Demokratie, die ihnen das Radaumachen ermöglicht, wird auch von denen verteidigt, die heute ihren Eid leisten." Den Soldaten versicherte er seinen vollen Rückhalt. „Wir können stolz sein auf unsere Bundeswehr", sagte er.

Generalmajor Gert Wessels dankte den 650 Rekruten, „die ihre Verantwortung als Staatsbürger erfüllen und nicht den leichten Weg des ,Ohne mich" gewählt haben". Der seit dem 1. Juli in Ellwangen stationierte Wehrdienstleistende Christian Hofmann sprach stellvertretend für die Rekruten vom guten Gefühl, „etwas an die Gesellschaft zurückgeben zu können".

Gegen zwölf Uhr war es zur ersten Konfrontation gekommen. Etwa hundert Protestierer näherten sich der St.-Eberhard-Kirche, wo um 13.15 Uhr ein Gelöbnisgottesdienst stattfinden sollte, und setzten sich vor den Eingangsbereich. Der Einsatzleiter, Polizeipräsident Siegfried Stumpf, entschied, den Platz vor der Kirche räumen zu lassen. „Für diesen Ort war keine Kundgebung angemeldet, die Versammlung war deshalb illegal", sagte der Polizeisprecher Stefan Keilbach. Die Blockierer wurden aufgefordert zu gehen. Etwa 60 Demonstranten kamen dem nicht nach, so dass die Polizei sie von der Königstraße wegtrug, fotografierte und neben dem Königsbau an der Bolzstraße festhielt. Ihnen droht nun eine Anzeige. „Fünf haben massiven Widerstand gegen Polizisten geleistet, gegen sie wird ermittelt", sagte Keilbach.

Die Aktion heizte den Protest auf. Die Polizei ließ die Königstraße vor der Kirche zwischen Schlossplatz und Thouretstraße komplett sperren, die Geschäfte mussten bis 14.15 Uhr schließen - ohne Vorwarnung, wie ein Geschäftsführer monierte. Auch die Passanten quittierten dies mit Murren. Der Stadtdekan Michael Brock fand die Räumungsaktion „übertrieben".

Für die Rekruten war der Tag ein Spießrutenlaufen: „Kein Werben fürs Sterben - Soldaten sind Mörder", skandierten die Demonstranten immer wieder sowie „Mörder, Mörder", und „Haut ab, haut ab". Der Versammlungsleiter des Bündnisses Gelöbnix, Roland Blach, nannte die Auflagen des Stuttgarter Ordnungsamtes „einen Skandal": Er habe diese noch vor seiner Begrüßung verlesen müssen. „Das ist ein Eingriff in die Redefreiheit", beschwerte er sich. Beispielsweise mussten die Lautsprecher der Bühne in Richtung Hauptbahnhof ausgerichtet sein, und während des Gelöbnisses zwischen 15 und 16 Uhr durfte gar keine Beschallung stattfinden. Blach sah es aber als Erfolg an, dass die Militärveranstaltung akustisch gestört wurde.

Mit zwei gelb-blauen Plakaten hielt die FDP am Pavillon dagegen. „Danke, Soldaten" stand darauf. „Wir wollen uns hinter die Rekruten stellen und nicht das Feld den Gruppen überlassen, die dagegen demonstrieren", sagte Ronald Geiger vom Kreisvorstand. Immer wieder wurden die Liberalen von Gelöbnisgegnern angegangen: „Mittlerweile demonstriere ich für mein Recht auf Meinungsfreiheit", bemerkte Florian Koop genervt.

Eine weitere Gruppe mit pinkfarbenen Perücken spielte Sambarhythmen, brachte aber auch die Polizei ins Schwitzen. Kurz nach 15 Uhr wurden die Demonstranten zunächst an die Seite des Schlosses abgedrängt und mussten die Instrumente abgeben: „Die Verfügung der Stadt untersagt Lärminstrumente auf dem Schlossplatz während des Gelöbnisses", sagte Keilbach. Der Polizeipräsident habe die Beschlagnahme angeordnet. Gegen Vuvuzelas und andere Krachmacher war weniger auszurichten. Bei einigen Polizisten lagen daher die Nerven blank: Einem Demonstranten mit einer Trillerpfeife wurde ein Anzeige wegen Körperverletzung angedroht. Ein anderer junger Mann soll laut Polizei versucht haben, einen Beamten zu schlagen. Schon vorher erhielt ein 15-Jähriger einen Platzverweis, weil er ein Einhandmesser dabeihatte. In der Silberburgstraße wurden Polizisten mit Feuerwerkskörpern beworfen. 21 Angreifer konnten in der Marienstraße gestellt werden.

Beim Empfang von Stadt und Landesregierung im Schloss erklang stattdessen sanfte Loungemusik. „Ich will nicht leugnen, dass wir Ihren Ohren Erholung geben wollen", sagte Umweltministerin Tanja Gönner. Die Gäste sollten ihr „Tinnitus-Gefühl von draußen vergessen". Und Oberbürgermeister Wolfgang Schuster fügte an: „Wenn ich die Parolen der Demonstranten höre - wer von uns wünschte sich keine Welt ohne Konflikte." Dafür werde aber eine leistungsfähige Bundeswehr benötigt.

Am Ende sprach die Truppe von marginalen Störungen, die Feier sei wie geplant abgelaufen. Der Polizeisprecher Keilbach schilderte einen „nicht friedlichen, aber den Umständen entsprechend ruhigen Verlauf". Nach offizieller Schätzung seien es 500 Protestierer gewesen. Roland Blach vom Gelöbnix beharrte darauf, dass 1000 Demonstranten es geschafft hätten, das Gelöbnis nur teilöffentlich zu machen.