Die Kriminalisierungwelle gegen kurdische Jugendliche in der BRD hält weiter unvermindert an. Am vergangenen Montag, dem 07.08., wurde einer unserer Aktivisten in Bielefeld zum Opfer der staatlichen Repression.
Unser
Genosse wurde an diesem Morgen vom Klingeln der Einsatzkräfte vor
seiner Türe aus dem Schlaf gerissen. Die Polizei rückte mit gleich
mehreren Wägen auf der Straße vor dem Haus an. Die Beamten teilten
unserem Freund mit, dass sie eine Hausdurchsuchung durchführen werden
und legten ihm den Durchsuchungsbefehl vor. Die PolizistInnen räumten
die Schränke und Regale aus und verstreuten Kleidungsgegenstände,
Büroartikel und Schreibwaren, Bücher, elektronische Geräte und sogar
Essgeschirr, kurzum sämtliche losen Gegenstände, rücksichtslos auf dem
Boden. Die Beamten beschlagnahmten den Laptop des Betroffenen sowie
sämtliche revolutionäre und demokratische Literatur unter anderem die
Schriften Abdullah Öcalans sowie auch einzelne Romane. Nachdem die
Beamten nicht weiter fündig wurden, ließen sie die Wohnung in diesem
Zustand zurück und verbrachten den Genossen zum Abtransport auf die
Wache, in ein hierfür schon bereitgestelltes Fahrzug. Sie verwiesen
darauf, dass er sich angeblich nicht ausreichend ausweisen könnte und
erklärten dass er zur Bestätigung seiner Identität nun auf der Wache in
Gewahrsam genommen werde. Nach einer weiteren Durchsuchung auf dem
Revier in der Kurt-Schumacher Straße in Bielefeld wurde der Betroffene
in einer Gewahrsamszelle eingeschlossen. Hier klärte man ihn auch zum
ersten Mal über die vorgeschobenen Gründe der Durchsuchung auf, wozu
allgemein eine angeblich verstärkte Zunahme linker Aktivitäten in
Bielefeld genannt wurde, und legte ihm nahe sich kooperativ zu
verhalten, dann würde eine baldige Entlassung wahrscheinlicher werden.
Nach mehreren Stunden wurde der Genosse aus der Zelle in einen Raum
geführt wo zwei Männer am Tisch schon auf ihn warteten. Einer der beiden
war ihm schon als der Leiter der Durchsuchung bekannt, ein zweiter mit
Anzug und Krawatte stellte, sich als ein Mitarbeiter des polizeilichen
Staatsschutz vor. Unserem Freund wurde eröffnet, dass er offenbar schon
seit längerer Zeit von den Repressionsbehörden ins Visier genommen
worden ist und die Durchsuchung in Zusammenhang mit seinem starken
politischen Engagement stehen würde. Als Gründe für die Maßnahmen,
führten die beiden Männer an, dass man sehr genau über sein Engagement
im Verband der Studierenden aus Kurdistan YXK informiert sei. Darüber
hinaus würde man wissen, dass er sich an den Protesten gegen den G20
Gipfel in Hamburg vor wenigen Wochen beteiligt hätte und gute Kontakte
in die linksradikale Szene unterhalten würde. Der Staatsschützer ging
auch explizit auf die Buchvorstellungen unseres Verbandes an den
Universitäten ein, bei denen die „Propaganda von terroristischen
Organisationen und die Gedanken von Terrorführern“ unter die Massen
gebracht werden würden. Auf diese Weise versuchten sie unseren Genossen
unter Druck zu setzen und Informationen über die Strukturen und Arbeiten
unseres Verbandes herauszubekommen. Zudem versuchten sie an weitere
Informationen über Strukturen der in der BRD als Terrororganisation
verfolgten ArbeiterInnenpartei Kurdistans (PKK) gelangen, was von
unserem Freund nur mit Schweigen beantwortet wurde. Nach Abschluss der
Befragung wurde der Betroffene erneut in die Zelle verbracht und Abend
gegen 22 Uhr schließlich entlassen. Lediglich sein Laptop wurde weiter
einbehalten.
Als Verband der Studierenden aus Kurdistan verurteilen wir dieses Vorgehen der Repressionsbehörden aufs schärfste und betrachten es als ein Angriff auf uns alle. Für uns reiht sich die Hausdurchsuchung nahtlos in die anhaltende und weiter zunehmende Welle der Repression gegen KurdInnen in der BRD ein. Für ist die Hausdurchsuchung in Bielefeld im Zusammenhang mit den Ansprachen und Einschüchterungsversuchen des Verfassungschutzes gegen kurdische Jugendliche in Hamburg im Vorfeld des G20 Gipfels und schon früher diesen Jahres in Hannover zu betrachten. Wir sehen die Verfolgung unseres Verbandes, die sich nicht zuletzt in den Verboten auch unserer Verbandsflagge und den Raumverboten an zahlreichen deutsche Universitäten geäußert hat, auch im Kontext der andauernden Verfolgung und Inhaftierung kurdische Politiker und demokratischer AktivistInnen aus der Türkei. So wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche kurdische Politiker als angebliche PKK-Kader zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Vor dem Staatsschutzsenat des OLG München sind derzeit auch 10 KommunistInnen aus der Türkei angeklagt Mitglieder der TKP/ML zu sein. Dutzende kurdische Jugendliche sitzen derzeit in deutschen Gefängnissen unter teils waghalsigen Vorwürfen in (Untersuchungs)-Haft.
Der deutsche Staat, leistet dem Erdogan-Regime mit seinem Vorgehen gegen KurdInnen und andere Oppositionelle aus der Türkei offene Schützenhilfe. Die neuesten Repressionen gegen die kurdische Bewegung in Europa insbesondere gegen die Jugend- und Studierendenbewegung sind ein weiteres Beispiel deutsch-türkischer Geheimdienstkooperation und ein Armutszeugnis für einen Staat der für sich selbst beansprucht demokratische Werte, wie Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit, zu vertreten. Wenn schon Buchvorstellungen und demokratische Hochschulpolitik mit Methoden verfolgt werden, die man eher im Repertoire der politischen Polizei in Ländern der Türkei vermuten würde, dann müssen wir die Frage stellen, wie es wirklich um die Demokratie in diesem Staat steht. Unsere Arbeit trifft einen wunden Punkt, weil wir offenlegen, welche Unterstützung auch der deutsche Staat, mit seinen Waffenlieferungen und finanziellen Unterstützungen in Milliardenhöhe für den Aufbau der Diktatur in der Türkei leistet. Weil wir offen aussprechen, was jeder weiß, dass auch die BRD für ihre Interessen über Leichen geht, versucht man uns mundtot zu machen.
Mit ihren Verfolgungs und Kriminalisierungspolitiken werden sie uns weder einschüchtern noch aufhalten können. Wir werden weiterhin unsere Meinung offen kund tun und für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage und eine Demokratisierung des Mittleren Ostens arbeiten, an den Universitäten und in den Schulen und auf der Straße.
Zuletzt
grüßen wir alle die zur Zeit wegen ihrer politischen Überzeugung in
deutschen Gefängnissen einsetzen und erklären uns solidarisch mit allen
die während der G20 Proteste unter skandalösen Anschuldigungen
inhaftiert worden sind.
Wir
werden die Kriminalisierung unseres demokratischen Engagements nicht
länger akzeptieren und rufen die demokratische Öffentlichkeit und
insbesondere alle revolutionären, antifaschistischen,
internationalistischen und sozialistischen Gruppen, Verbände und
Parteien dazu auf sich mit uns zu solidarisieren und diese Erklärung zu
verbreiten und zu unterzeichnen.
Nieder mit der Repression!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Solidarität ist eine Waffe!
Verband der Studierenden aus Kurdistan
Bielefeld,
09. August 2017
Weitere Informationen unter: www.yxkonline.org