NSU-Prozess: Anklage sieht auch Vorwürfe gegen NSU-Helfer bestätigt

Erstveröffentlicht: 
31.07.2017

Neben Zschäpe sitzen Ralf Wohlleben und Carsten S. auf der Anklagebank. Zu Recht, sagt die Bundesanwaltschaft und kündigt an: Ihr Plädoyer überdauert die Sommerpause.

 

Die Bundesanwaltschaft hält die Anklage im NSU-Prozess gegen die mutmaßlichen NSU-Helfer Ralf Wohlleben und Carsten S. für "im vollen Umfang" bestätigt. Wohlleben und S. seien durch die Beweisaufnahme der Beihilfe zum Mord in neun Fällen überführt, sagte Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten vor dem Oberlandesgericht in München. Demnach sind die beiden Männer für die Beschaffung und Lieferung der Waffe vom Typ Ceska verantwortlich, mit der vom NSU neun Kleinunternehmer aus Fremdenhass getötet wurden.

 

Wohlleben und S. müssen sich seit vier Jahren vor dem Oberlandesgericht München verantworten. Hauptangeklagte in dem Prozess ist Beate Zschäpe, der die Anklagebehörde Mittäterschaft an allen Verbrechen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vorwirft. So wie ihre inzwischen gestorbenen Verbündeten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhadt soll sie für neun fremdenfeindlich motivierte Morde sowie der Ermordung der Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter schuldig sein. Die Anklage argumentiert, sie habe sämtliche Anschläge gewollt und unterstützt. Mit einem Urteil wird erst in einigen Monaten gerechnet. 

 

"Dem Trio verpflichtet"


Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Weingarten hätten Wohlleben und S. "die naheliegende Möglichkeit" erkannt, dass der NSU mit der Pistole Menschen nichtdeutscher Herkunft töten wird. Trotzdem hätten sie den Waffenbeschaffungswunsch erfüllt. Wohlleben und S. hätten sich den fremdenfeindlichen Vorstellungen des Trios "unbedingt verpflichtet" gefühlt.

 

Über Wohlleben referierte der Staatsanwalt, dieser  sei "steuernde Zentralfigur" der Jenaer Unterstützerszene gewesen, habe dem Trio maßgeblich geholfen und für weitere Gefolgsleute und Mittelsmänner gesorgt. Zu diesem Kreis habe eben auch Carsten S. gehört, der Telefonkontakt zum NSU-Trio gehalten und Aufträge entgegengenommen habe – darunter den Kauf einer Waffe, "ausdrücklich mit Schalldämpfer". Wohlleben habe S. an einen Waffenverkäufer verwiesen, das Geld für den Kauf an S. übergeben und die Waffe später geprüft, bevor S. die Ceska dann an die drei Untergetauchten übergeben habe. Herkunft und Lieferkette der späteren Mordwaffe zeichnete Weingarten nochmals ausführlich nach.

 

Anders als Wohlleben war Carsten S. vor längerer Zeit aus der Neonazi-Szene ausgestiegen und hatte bereits zu Prozessbeginn 2013 umfangreich ausgesagt. Er räumte ein, die Waffe in einem Jenaer Szeneladen gekauft und zu Mundlos und Böhnhardt gebracht zu haben. Den Auftrag und das Geld dafür habe er von Wohlleben erhalten. Dieser bestreitet das.  

 

Neuer Ausschuss über Geheimdienste


Inzwischen steht fest, dass der Prozess länger gedauert als geplant. Die Bundesanwaltschaft kündigte an, ihr Plädoyer werde über die Sommerpause hinaus andauern. Die beiden verbleibenden Verhandlungstage, also diesen Montag und Dienstag, benötigt die Anklage noch vollständig für das Plädoyer gegen Wohlleben und S.. Erst nach der Sommerpause könne dann das Plädoyer gegen die zwei weiteren angeklagten mutmaßlichen NSU-Helfer André E. und Holger G. folgen. Im Anschluss daran wird Bundesanwältin Anette Greger über die Banküberfälle des NSU sprechen, gefolgt von Generalbundesanwalt Herbert Diemer, der dann die Strafmaßforderungen seiner Behörde vorstellt.

 

Die Obfrau der Linken im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Petra Pau, sieht die Bundesanwaltschaft auch nach einem Urteil gegen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gefordert. "Ihre Aufgabe ist mit diesem Prozess nicht beendet", sagte sie dem Südwestrundfunk. So gebe es in allen Ländern, in denen das rechtsextreme Trio Morde verübt haben soll, Neonazi-Strukturen, die "leider oft bis heute personenidentisch" weiter bestehen. Dort schlummere vieles an nicht geklärten Straftaten. Pau befürchtet, dass Fragen ungeklärt bleiben. Für die kommende Legislaturperiode schlug sie daher erneut einen Untersuchungsausschuss "Rechtsterrorismus und Geheimdienste" vor.