Einsatz beim G20-Gipfel - Berliner Polizisten beklagen die schlechte Organisation in Hamburg

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Erstveröffentlicht: 
10.07.2017

Überlange Dienstzeiten, chaotische Planung, zu wenig Essen: Berliner Polizisten berichten vom G-20-Einsatz in Hamburg.

 

Von Jörn Hasselmann

 

Sonderurlaub als Schmerzensgeld. Drei freie Tage für jeden während des G20-Gipfels in Hamburg eingesetzten Beamten spendierte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag. Zuletzt waren 940 Polizisten im Einsatz – und viele fühlen sich verheizt. Aber nicht, weil mehrere Hundertschaften an Brennpunkten eingesetzt wurden. Es gelte eher als Ehre, dass die Hamburger Einsatzleitung den Berlinern die Autonomendemo übertragen habe.

 

Dass viele Beamte stinksauer und frustriert zurückkehrten, habe eher mit der schlechten Hamburger Organisation und taktischen Fehlern in den Einsätzen zu tun. Die anfangs in Bad Segeberg untergebrachten Beamten mussten neben dem anstrengenden Dauerdienst auch noch drei Stunden Fahrtzeit ertragen. 

 

Zu wenig Schlaf und Verpflegung


Die Verpflegung sei mangelhaft gewesen, wie ein leitender Beamter bestätigte. „Wenn es über Stunden nichts zu essen gab, haben wir McDonald’s angefahren“. Auch die Fehlentscheidungen der Hamburger zerrten an den Nerven. „Jeder Beamte hat sich gefragt: ,Wie kann man so was anordnen?‘“, berichtete ein Berliner Vorgesetzter. Bekanntlich hatte die Einsatzleitung die Autonomendemo an einer denkbar ungeeigneten Stelle gestoppt – nur weil Vermummung angelegt wurde. Sinnvoller wäre gewesen, den schwarzen Block laufen zu lassen. Wäre es dann zu Gewalt gekommen, hätte man ihn an geeigneter Stelle aus der Demo heraus in eine Seitenstraße „schieben“ können.

 

Viele Beamte klagten zudem über unerträglich lange Dienstzeiten. In einer Nacht hätten manche Einheiten nur zwei Stunden Schlaf gehabt. Denn die Hamburger Führung habe nachts um 1 Uhr – als sich die Lage beruhigt hatte – angeordnet, dass die Berliner noch drei Stunden „Raumschutzstreife“ fahren. Sinnlos sei dies gewesen, berichten Betroffene, es sei klar gewesen, dass in der Nacht nichts mehr passieren werde. „Da fehlte denen der Mut, dies sein zu lassen.“ 

 

Party-Vorwürfe trübten die Stimmung


Immens nachgewirkt habe die Party-Posse vor Beginn des Gipfels. Wie berichtet hatte die Hamburger Einsatzleitung drei Hundertschaften nach Berlin zurückgeschickt, weil diese sich in ihrer Unterkunft angeblich so danebenbenommen hätten, dass sich eine Einheit aus Wuppertal beschwert habe. Von den Vorwürfen habe sich kaum etwas bestätigt, heißt es bei der Berliner Polizei. So sollte angeblich eine Beamtin nur in einem Bademantel mit einer Waffe in der Hand auf einem Tisch getanzt haben.

 

Völliger Quatsch, sagte ein Vorgesetzter. Es habe sich um eine Polizistin aus Wuppertal gehandelt, die in Dienstkleidung zum Duschcontainer ging – was der Vorschrift entspricht. Berliner Polizisten hätten gar keine Waffen im Containerdorf dabeigehabt, weil diese zuvor abgegeben werden mussten.

 

Neben dem öffentlichen Druck und den Nachfragen der Polizeiführung hätten viele Beamte auch zu Hause noch Druck und Ärger bekommen. Viele Ehefrauen hätten empört gefragt: „Was macht ihr denn da?“, berichtete ein Vorgesetzter.

 

Tatsächlich sei in der Freizeit Alkohol getrunken worden, was nicht verboten sei, und das auch nicht in Mengen. Dass Hamburg ohne jede interne Ermittlung die Hundertschaften einfach nach Hause geschickt habe, sei unverständlich. Selbst das Angebot der Berliner Vorgesetzten, dass jeder einzelne Polizist ja vor Dienstbeginn ins Röhrchen pusten könne, sei abgelehnt worden. 

 

„Das ist echte Wertschätzung.“


„Alle, die in Hamburg im Dienst waren, sind an die Grenzen ihrer Belastung gegangen“, bilanzierte Innensenator Geisel am Montag. Die Polizeibeamten wären dort über die Maßen beansprucht gewesen. Deswegen werde man auch bei der regulären Abrechnung der von den Kolleginnen und Kollegen erbrachten Überstunden alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, um der außergewöhnlichen Einsatzbelastung Rechnung zu tragen.

 

Geisels Ankündigung traf auf große Zustimmung. „Ein starkes Zeichen für drei schreckliche Einsatztage“, twitterte der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber. „Das sind wir den eingesetzten Beamten schuldig“, sagte der CDU-Abgeordnete Burkard Dregger. Die Gewerkschaft der Polizei hatte zuvor gefordert, dass sich Berlin der Hamburger Regelung mit drei Tagen Sonderurlaub anschließen möge. Als Geisel dies dann verkündete, jubelte die GdP: „Das ist echte Wertschätzung.“

Wertschätzung, die den Berliner Polizisten offenbar in Hamburg gefehlt hat.

 

Manch einer erinnert sich an einen Zwist zwischen Berlin und Hamburg nach einer 1.-Mai-Demo in Berlin. Damals waren es Hamburger Polizisten, die in Kreuzberg in einen heftigen Steinhagel gerieten. Die Deutsche Polizeigewerkschaft warf Berlin anschließend vor, die Hamburger Bereitschaftspolizei „zum Steinigen freigegeben“ zu haben. Die Berliner Polizeiführung habe taktisch versagt, weil die Autonomendemo nicht eng begleitet worden sei. Man sei „verheizt“ worden. Das war 2009.