Die zwei Gesichter des Valerio B.

Valerio B. als Referent beim Kongress des Blocco Studentesco im April 2017 in Rom. Foto: Danijel Majic
Erstveröffentlicht: 
14.06.2017

Ein Lehrer der VHS Offenbach soll Aktivist einer rechtsextremen italienischen Bewegung sein. Auch mit der rechten Szene in Deutschland soll er gut vernetzt sein, sagen Antifa-Gruppen.

 

Der Besuch kam unangemeldet – wie fast immer, wenn die Antifa mit von der Partie ist. Am vergangenen Freitag gegen 15.30 Uhr, so schildern es das Polizeipräsidium Südosthessen und die Leitung der Offenbacher Volkshochschule (VHS) übereinstimmend, stürmen etwa 20 bis 30 vermummte Personen eine Veranstaltung im Raum 2-09 des VHS-Gebäudes an der Berliner Straße, werfen Tische um und verteilen Flugblätter. Bis dahin hatte der Vortrag über die Ansiedlung der Ostgoten im antiken Italien lediglich zwei Zuhörer angezogen. Doch den Besuchern aus der örtlichen linken Szene geht es nicht um das Thema des Vortrags, sondern um den Referenten: Valerio B.

 

Laut Recherchen mehrerer Antifa-Gruppen aus dem Rhein-Main-Gebiet, die am vergangenen Wochenende auf der Plattform Linksunten.indymedia veröffentlich wurden, soll es sich bei Valerio B. um einen Aktivisten der rechtsextremen italienischen Casa-Pound-Bewegung handeln. Die Anhänger der 2003 gegründeten Gruppierung bezeichnen sich selbst als „Faschisten des dritten Jahrtausends“ und gelten als Vorbild der rechtsradikalen Identitären Bewegung.

 

Aufmerksam wurde die linke Szene auf Valerio B. durch dessen Teilnahme an einem Kongress des Blocco Studentesco, der Schüler- und Studentenorganisation von Casa Pound, vor rund zwei Monaten in Rom. Dort trat B. als Referent auf. Faktisch war die Veranstaltung unter dem Titel „Europa, Gemeinschaft der Völker, Zivilisation“ ein Vernetzungtreffen europäischer Nationalisten.

 

Daran nahmen eindeutig neonazistische Gruppen wie die Jugendorganisation der griechischen „Goldenen Morgenröte“ ebenso teil wie Vertreter der sogenannten Neuen Rechten aus Deutschland. Dazu zählten Philip Stein, der Vorsitzende der neurechten Ein-Prozent-Initiative, und John Hoewer, Referent der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt. Beide sind auf Fotos und Videos zu erkennen, die auf der Veranstaltung entstanden.

 

Der Auftritt in Rom war nicht der erste Hinweis auf Valerio B.s Aktivitäten bei Casa Pound. Auf seinen Facebook- und Twitter-Profilen postet er regelmäßig Hinweise auf Veranstaltungen von der Organisation und verlinkt regelmäßig Beiträge des Onlineportals der Bewegung „Il Primato Nazionale“. Dort ist er bereits seit 2013 als Autor aktiv und veröffentlicht mit Vorliebe Texte mit Deutschlandbezug.

 

2014 erschien zudem sein Buch über Giovanni Gentile, den faschistischen Philosophen und Erziehungsminister unter Mussolini. Das Buch wird seither von Casa Pound beworben.

 

Valerio B. soll auch in Deutschland gut mit Neuen Rechten vernetzt sein. Die Antifa-Gruppen, die für sein „Outing“ verantwortlich zeichnen, vermuten, dass B. unter dem Pseudonym „Ettore Ricci“ unter anderem für das neurechte Internetmagazin „Blaue Narzisse“ und das Portal des von Philip Stein geleiteten Jungeuropa-Verlags veröffentlicht hat.

 

Recherchen der FR stützen diese These. Der Redaktion liegt eine Ankündigung für eine Veranstaltung des lokalen Casa- Pound-Ablegers in der italienischen Stadt Trient vom Februar 2015 vor. Beworben wird eine Lesung aus B.s Gentile-Buches, als einziger Referent wird „Ettore Ricci“ angekündigt. Auf einem Foto, das bei der Veranstaltung entstand und das Casa Pound selbst veröffentlichte, ist auf dem Podium jedoch Valerio B. zu sehen.

 

Warum B. dieses Pseudonym verwendete, ist unklar. Eine Anfrage der FR blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Möglicherweise ging es B. darum, seine Promotion an der Frankfurter Goethe-Universität nicht zu gefährden. Als Stipendiat des Graduiertenkollegs „Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert“ erhielt er dort 2015 seinen Doktortitel in Geschichte. Anschließend arbeitete er für mehrere Volkshochschulen im Rhein-Main-Gebiet.

 

Sowohl an der Universität als auch an der Offenbacher VHS zeigte man sich erstaunt, über das politische Wirken des Mitarbeiters. Am gestrigen Dienstag sollte B. zu einem Gespräch mit seinem ehemaligen Doktorvater gebeten werden, um Stellung zu beziehen. Die VHS Offenbach will zusammen mit dem Volkshochschulverband Hessen nun ebenfalls die Vorwürfe gegen B. prüfen. Eigentlich war er auch für das Herbstprogramm als Referent und Lehrkraft eingeplant.

 

Die Polizei ermittelt derweil gegen die Besucher von der Antifa wegen Landfriedensbruch und Sachbeschädigung.