„Bundeswehr raus“ hallt es auf dem Hessentag: Beim „Tag der Bundeswehr“ demonstrieren Friedensaktivisten gegen die Präsenz der Streitkräfte.
„Bundeswehr raus dem Hessentag!“ hallt es plötzlich am Samstagnachmittag lautstark auf dem Hessentagsgelände am westlichen Rüsselsheimer Mainvorland. Rund zehn jungen Leuten ist es gelungen, ein gepanzertes Kettenfahrzeug auf dem Präsentationsgelände der Bundeswehr zu erklimmen und dort ein Banner zu entrollen, auf dem die Forderung „Stop Wars“ steht. Die jungen Leute geben sich als Mitglieder der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend Frankfurt zu erkennen, die sich selbst als „antikapitalistische und revolutionäre Organisation“ versteht und eine eigenständige Nebenorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei ist.
Polizisten und Feldjäger der Bundeswehr sind schnell zur Stelle, umkreisen den von den jungen Demonstranten besetzten kleinen Panzer. Während die Sonne vom blauen Himmel kräftig scheint, reicht ein Soldat den jungen Leuten eine Flasche Wasser. Die Demonstranten lehnen jedoch dankend ab. Stattdessen skandiert die Demonstrantenschar unverdrossen weiter. „Wir wollen Ausbildungsplätze statt Kriegseinsätze!“ „Das ist doch absolut peinlich“, kommentieren Studierende der Hochschule des Bundes in Mannheim die Aktion. Sie wollen nach dem Anschluss ihres Studiums in der Verwaltung der Bundeswehr arbeiten. An ihren T-Shirts tragen sie gelbe Solidaritätsanstecker in Schleifenform, die das Logo der Bundeswehr und den Satz „Tu was für Dein Land“ zeigen.
Unterdessen rufen die jungen Kommunisten und Sozialisten weiter: „Iran, Irak, Syrien und Türkei – bei jeder Schweinerei ist die BRD dabei.“ Ein älterer Mann mit beigefarbener Hose echauffiert sich und ruft: „Schämen solltet Ihr Euch. Es wird Zeit, dass man Euch da runter holt“. Einige Mitglieder eines Anti-Bundeswehr-Bündnisses solidarisieren sich hingegen mit den jungen Leuten, die nach wenigen Minuten wieder von dem Kettenfahrzeug heruntersteigen und anschließend von der Polizei aufgefordert werden, ihre Personalausweise vorzuzeigen.
Parole: „Kein Werben fürs Sterben“
Zu mehreren Kundgebungen hatte am Samstag auch das „Friedensbündnis Hessentag“ aufgerufen. An einer Demonstration, die vom Rüsselsheimer Bahnhof zum westlichen Mainvorland führte, beteiligten sich am frühen Samstagnachmittag rund 100 Menschen. Angeführt wurde die Demonstration von Thomas Carl Schwoerer, dem Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), und Hermann Schaus, dem Landtagsabgeordneten der Partei Die Linke. Mitgetragen wurden die Aktionen neben der DFG-VK und mehreren Gruppierungen der Linken auch von der Attac-Gruppe Rüsselsheim-Untermain, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Rüsselsheim/Raunheim, dem Friedenstreff Rüsselsheim-Untermain, der Friedens- und Zukunftswerkstatt Frankfurt, der Kampagne „Krieg beginnt hier“, von der hessischen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten sowie der Vereinigung Deutsch-Ausländische Solidarität Rüsselsheim.
Die Friedensaktivisten verteilten auf der Hessentagsstraße gelbe Flugblätter mit der Aufschrift „Die Bundeswehr wollen wir nicht – und schon gar nicht auf Volksfesten!“ und zeigten Banner mit den Parolen „Kein Werben fürs Sterben“ oder „Krieg ist kein Volksfest!“.
Die meisten der Hessentagsbesucher, die es am Samstag am „Tag der Bundeswehr“ auf das Gelände der Bundeswehr zieht, zeigen sich von den Demonstrationen jedoch unbeeindruckt. Nur wenige stören sich etwa an der aggressiven Rockmusik, die zu Nahkampfvorführungen von Soldaten abgespielt wird.
Auf dem kleinen Panzer, auf dem kurz zuvor noch die jungen antikapitalistischen Kriegsgegner saßen, kraxeln nun Kinder mit Flipflops herum und werden von einem Soldaten aufgeklärt, dass man in einer Vorrichtung an der Fahrerluke ein Gewehr befestigen kann. Gezeigt wird die Waffe jedoch nicht. Und auch bei den Nahkampfvorführungen sind nur Attrappen zu sehen. Andere Kinder sitzen im Cockpit eines Tornados oder hocken am Lagerfeuer und brutzeln Stockbrot am Lagerfeuer.
Einige Meter weiter diskutiert ein 27-jähriger Hauptfeldwebel mehr als zwei Stunden lang mit drei jungen Leuten über den Sinn der Bundeswehr und über die Forderungen der Friedensaktivisten. Ein junger Trotzkist trägt stolz ein Konterfei von Karl Marx auf seinem blauen T-Shirt, auf dem auch noch der Slogan „I want you for revolution“ steht. Der 19-Jährige, der eine modische Langhaarfrisur trägt, wirbt für einen Austritt aus der Nato und lehnt den Kapitalismus ab, während der acht Jahre ältere Soldat kritisiert, dass er pauschal von einigen Friedensaktivisten als Mörder und Nazi tituliert werde. Auf einen gemeinsamen Nenner kommen die vier jungen Leute zwar nicht. Aber alle finden, es sei wichtig, miteinander ins Gespräch zu kommen, was am „Tag der Bundeswehr“ auf dem Hessentag in Rüsselsheim jedoch die Ausnahme bleibt.