Ländlicher Raum besonders betroffen - „Reichsbürger“ nerven die Behörden – in Sachsen fehlen Richtlinien

Erstveröffentlicht: 
28.05.2017

Vor allem Verwaltungen stoßen durch die Gängeleien der „Reichsbürger“ an ihre Grenzen. Sie rufen an, sie schicken Pamphlete per Fax, sie stellen Verwaltungsangestellten in deren Freizeit nach. Gerade die Überlastung der Verwaltungen auf dem Land spielen den „Reichsbürgern“ in die Karten.

 

Leipzig. Sie rufen an, sie schicken Pamphlete per Fax, sie stellen Verwaltungsangestellten in deren Freizeit nach: „Reichsbürger“ bringen auch in Sachsen Behördenmitarbeiter an die Belastungsgrenze. Für Sebastian Trept, Dozent am Lehrstuhl für Politische Systeme an der TU Dresden, liegt dieses Vorgehen auf der Hand. „Verwaltungen gibt es in jeder Kommune. Es gibt feste Öffnungszeiten und Ansprechpartner, die Namensschilder tragen, deren E-Mail-Adresse, Telefon- und Fax-Nummer ganz einfach im Internet einzusehen sind. Das macht es den ,Reichsbürgern’ leicht Kontakt aufzunehmen“, sagt der Experte, der sich schon länger intensiv mit dem Phänomen beschäftigt, insbesondere auf kommunaler Ebene.

 

Laut Verfassungsschutz gehören in Sachsen rund 500 Personen der „Reichsbürger“-Bewegung an, 25 von ihnen sind eindeutig der rechtsradikalen Szene zuzuordnen. In Sachsen gibt es zwei „Reichsbürger“-Organisationen, eine ist die Gruppe „Bundesstaat Sachsen“. Lange Zeit hatte Sachsens Verfassungsschutz weggesehen, so wurde 2016 in einer Stellungnahme noch von „keiner einheitlichen Reichsbürgerbewegung“ gesprochen und das diese „kein Beobachtungsobjekt des Landesamtes“ darstelle. Diese Einstellung hat sich seit dem Angriff eines „Reichsbürgers“ im Oktober 2016 auf einen Polizisten in Bayern geändert. 

 

Postboten lehnen schon Zustellungen ab


Auch wenn der Vorfall bislang als Einzelfall gewertet werden kann und sich die „Reichsbürger“ laut Untersuchungen von Trept meist nur auf verbale Gewalt beschränken, stoßen vor allem Verwaltungen durch die Gängeleien der „Reichsbürger“ an ihre Grenzen. Generell scheinen alle Kreise Sachsens direkte und indirekte Erfahrungen mit der „Reichsbürger“-Bewegung zu haben. Am schwierigsten sei die Situation laut Trept in Meißen, Bautzen und Zwickau. Dort würden sich Verwaltungsangestellte und Postboten weigern, den Anhängern der „Reichsbürger“-Bewegungen einen Besuch abzustatten um ihnen amtliche Dokumente zukommen zu lassen. 

 

Besonders ländlicher Raum betroffen


Gerade auch die Überlastung der Verwaltungen im ländlichen Raum durch Personalmangel und durch den demografischen Wandel spielen den „Reichsbürgern“ zusätzlich in die Karten. „Die Verwaltungen müssen die Gespräche mit den ,Reichsbürgern’ aushalten, da diese ihnen sonst mit Disziplinarverfahren drohen“, erläutert Trept. „Sie überhäufen die Verwaltungen mit Staatsangehörigkeitsanträgen und zögern Verfahren bis ins Unermessliche hinaus.“ Trept berichtet etwa von Bußgeldverfahren in Höhe von 30 Euro die seit 2014 laufen und trotz Androhung von Gefängnisstrafen im Jahr 2016 noch nicht abgeschlossen waren.

 

Die Ursache liegt laut Trept vor allem bei den Verantwortlichen auf Landesebene, die sich nicht klar genug gegen die „Reichsbürger“ positionieren und keine Regeln im Umgang mit dieser Personengruppe formulieren. Die Landesdirektion veröffentlichte zwar 2016 Handlungsanweisungen für Verwaltungsangestellte, welche in der Praxis aber nur bedingt helfen können: „Reden sie mit den Leuten und greifen sie hart durch“ ist in den Handlungsanweisungen zu lesen. „Nur, welcher Beamte würde dafür die Energie aufwenden, wenn er weiß, dass das Verfahren im Endeffekt wieder eingestellt wird“, sagt Trept. Was laut ihm fehlt, ist politische Bildung: „Rechtslücken gibt es in der deutschen Verfassung nicht, nur werden geschichtliche Fakten und Rechte der Verwaltung nicht genügend kommuniziert und aufbereitet. Zudem ist kein Geld und Personal da, um diese Informationslücke zu beseitigen.“

 

Maraike Mirau