„Wenn die Stadt Hannover beschließt Kleingärten platt zu machen, dann ist das traurig. Aber wir können daran doch sowieso nichts ändern.“
So oder so ähnlich haben viele reagiert, als sie von dem „Kleingartenkonzept“ der Stadt erfuhren. Nun, nach monatelangem Protest von uns, organisiert im Aktionsbündnis gegen Kleingartenzerstörung, gibt es einen ersten Teilerfolg…
Aber erst mal, was ist eigentlich dieses „Kleingartenkonzept“?
In Zusammenarbeit mit dem Bezirksverband (Generalpächter der Vereinsgärten) plant die Stadt Hannover auf Grundlage dieses Konzepts 1000 Kleingärten platt zu machen und hunderte Gärten zu teilen, um Ersatzgärten zu schaffen. Auf den versiegelten Flächen sollen dann überwiegend hochpreisige Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen gebaut werden.
Noch bevor das Konzept öffentlich wurde, wurden bereits die ersten Kleingärten für die VSM (Vereinigte Schmirgel- und Maschinen Fabriken AG) platt gemacht. Aktuell wird das zweite Kleingartengebiet in Angriff genommen. 15 Pächter*Innen der Kolonie Rosengrund im Kleingartenverein Langefeld wurde Ende 2017 gekündigt.
Die Pächter*Innen im dritten Gebiet am Vinnhorster Weg sollten die Kündigungen laut Plan eigentlich im Februar 2018 bekommen. Dies sei nun kein Thema mehr, so Rechtsanwalr Hildebrandt vom Bezirksverband in der lokalen Presse. Die Lage wäre noch eine andere als vor ein paar Jahren, als es noch mehr Leerstände gegeben hätte. Der Anwalt fordert eine Umwidmung der Gelder im Kleingartenkonzept u.a. für die Schaffung weiterer Gärten.
Auf einmal! Eine absolute Kehrtwende im Vergleich zu dem, was vorher immer gesagt wurde. Auch bei der Stadtverwaltung lässt sich eine gewisse Vorsicht erkennen, wenn es darum geht den Vinnhorster Weg zu bebauen. Denn dort ist der Widerstand am besten organisiert. Deswegen spielt die Stadt auf Zeit und will die Gärten zunächst anschauen, bevor sie Kündigungen vorantreiben. Alles Zeichen dafür, dass unser Protest bereits Spuren hinterlässt, die nicht mehr von den Herrschenden ignoriert werden können. So feiern wir den ersten Teilerfolg unseres Kampfes: Die Kündigung unserer Kleingärten wurde verschoben. Ein klarer Beweis dafür, dass es was bringt gegen (Bau-)Vorhaben der Stadt zu protestieren!
Das gibt uns Kraft für den weiteren Protest. Und unser Protest wird so lange dauern bis das gesamte Kleingartenzerstörungskonzept verworfen wird! Die Chancen stehen gar nicht schlecht für uns, wenn wir an das, was wir aufgebaut haben anknüpfen und das, was uns bis jetzt noch gebremst hat überwinden.
Ein großer Bremsfaktor sind die ganzen Vorschriften, Gesetze und Verbote. Gute Ideen werden dadurch im Keim erstickt. So wurde unsere Demo letztes Jahr von der Stadt in die Seitengassen verbannt. Bei den Sitzungen im Rathaus dürfen wir uns nicht artikulieren, Banner zeigen oder Ähnliches. Wir müssten auch viel Aufwand betreiben, um alle Vorschriften bei einem Solidaritätsfest zu erfüllen.
Was ist die Alternative?
Der Ungehorsam. Warum sollten wir uns schon an die Vorschriften von denen halten, die uns verdrängen und die Natur zerstören wollen? Wir sollten uns nicht vorschreiben lassen wie wir protestieren. Dann können wir eigene Ängste überwinden und Ideen konsequent in die Tat umsetzen. Eine solch selbstbewusste Herangehensweise würde enormen Schwung in die Sache bringen und den Protest beschleunigen.
Zweiter großer Bremsfaktor sind die traditionellen Vereinsstrukturen. Anstatt, dass Pächter*Innen gemeinsam über die Gestaltung ihrer Kleingärten entscheiden, werden Vorstände gewählt, die dann über alles bestimmen:
- wer Gärten pachten darf und wer nicht (in der Regel werden männliche Pächter erwartet)
- was mit dem Vereinsgeld passiert (häufig verschwindet es in den eigenen Taschen)
- was bei den Gemeinschaftsarbeiten gemacht werden soll
Zudem kontrollieren sie die Einhaltung von Kleingartenvorschriften und können Pächter*Innen bei Nicht-Einhaltung kündigen.
Vorstand zu sein heißt also Macht zu haben. Es wird Zeit diese zurückgebliebenen Strukturen aufzubrechen und mit den anderen Pächter*Innen gemeinsam über den Alltag im Kleingarten zu diskutieren.
Dritter Bremsfaktor sind die Verhandlungen mit Vertretern der Stadt. Das hat bereits in der Vergangenheit dazu geführt, dass Aktionen auf den Zeitraum nach der nächsten Verhandlung geschoben wurde. So nach dem Motto: „Wir warten erstmal ab, was kommt, bevor wir die Verhandlungsbereitschaft z.B. durch eine Demo von uns gefährden.“ Eine gefährliche Haltung, denn nach diesem Motto hätte die Stadt uns voll und ganz in ihrer Hand. Sie könnte uns mit ein paar netten Worten und Hinhaltetaktiken ganz einfach abspeisen und das Konzept dann umsetzen, wenn die meisten resigniert aufgeben haben, weil sie keine Lust mehr haben zu protestieren.
Anstattdessen können wir aus den Erfahrungen anderer Kämpfe lernen. Z.B. haben die Flüchtlinge vom Protestcamp am Weißekreutzplatz in Hannover regelmäßige Verhandlungen mit der Polizei durchgeführt und sich an alle Vorgaben gehalten. Dennoch wurden sie am Ende von der Polizei brutal geräumt. Bei Stuttgart 21, wurde nach etlichen runden Tischen ein Kompromiss ausgehandelt (mit Teilen der Protestbewegung, die Parkschützer hatten die Verhandlungen bereits zu Beginn als Farce entlarvt und verlassen), der dann aber nicht in die Praxis umgesetzt wurde. Natürlich können Verhandlungen mit dem nötigen Druckmittel zum Erfolg führen, wie zahlreiche Legalisierungen von besetzten Häusern zeigen. Entscheidend dafür, ist es ein Druckmittel zu haben und sich nicht von den Integrationsversuchen der Herrschenden blenden zu lassen. So funktioniert dann auch ein erfolgreicher Streik: erst nachdem für die Firma ein wirtschaftlicher Schaden durch Arbeitsniederlegung oder/und Sabotage entstanden ist, sind die Chef‘s bereit sich mit den Forderungen der Arbeitenden auseinanderzusetzen. Je höher der Druck ist, umso höher fallen tendenziell die folgenden Lohnabschlüsse aus. Das selbe gilt auch bei unserem Kampf: mehr Druck von uns erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass wir unsere Forderungen (Erhalt der Kleingärten und bezahlbarer Wohnraum für alle) erfolgreich durchsetzen können.
Dabei können wir auf die bestehende, Vernetzung zurückgreifen und diese weiter ausbauen. Wir können auch auf unsere inhaltliche Arbeit aufbauen, den Blick über den Tellerrand hinaus wagen und die Gesamtstrukturen hinterfragen, die solch ein zerstörerisches Konzept hervorbringen.