Eklat bei Richtfest in Dölitz: Ist Hupen eine zulässige Meinungsäußerung?

Erstveröffentlicht: 
25.04.2017

Am Amtsgericht Leipzig läuft ein Prozess um einen Eklat beim Richtfest im Straßenbahnhof Dölitz. Der Verteidiger will einen Freispruch für Kfz-Meister Kahlert.

 

Am Mittwoch ist der „Tag gegen Lärm“ – ein jährlicher Aktionstag gegen Krawall jeglicher Art. Es dürfte dennoch Zufall sein, dass das Amtsgericht Leipzig ausgerechnet dann einen Fall auf die Tagesordnung gesetzt hat, für den Lärm der Auslöser war. Lärm von der Großbaustelle der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) an der Bornaischen Straße, teils auch samstags und sonntags.

 

Ende Februar 2014 hatte dort mit dem Abriss von Altgebäuden die Modernisierung des Straßenbahnhofes Dölitz begonnen. Zweieinhalb Jahre, das war seinerzeit klar, sollte das 30-Millionen-Euro-Projekt laufen. Als am 6. Mai 2015 Richtfest gefeiert wurde, kam es zum Eklat. Der Eigentümer der angrenzenden Kfz-Werkstatt mit Autohandel Am Eichwinkel, Thomas Kahlert, der dort auch wohnt, hatte sich in einen Mercedes Vito gesetzt – den Motor laufen lassen und laut gehupt. Justament während der Festreden. „Eine Spontanaktion“, so der 53-Jährige gestern (zu der er mit vollem Namen steht). Sie brachte ihm den Dank genervter Anwohner für seine Zivilcourage ein, aber auch eine Anzeige der LVB. Der Kfz-Meister sollte eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Euro (1800 Euro) zahlen. Vorwurf: versuchte Nötigung, Widerstand gegen Polizisten, Körperverletzung. Gegen den Strafbefehl ging er in Einspruch, sodass gestern erstmals zwei Jahre nach dem Vorfall am Amtsgericht verhandelt wurde.

 

Laut Staatsanwaltschaft entschloss sich Thomas Kahlert „aus Verärgerung über die Lärmbelästigung“ dazu, das „Richtfest zu stören“. Die Situation vor Ort eskalierte. Erst waren zwei Security-Männer gegen das Fahrzeug auf dem öffentlichen Weg eingeschritten, schließlich zwei Polizisten. Über das, was dort passierte, gehen die Aussagen weit auseinander.

 

Der Anklage zufolge packte ein Beamter den Beschuldigten am Arm, um ihn aus dem Auto zu ziehen. Dieser habe sich „zur Wehr gesetzt“ und „zu Boden fallen lassen“. Nach Darstellung des Kfz-Meisters wiederum erhielt er einen Schlag in die Nierengegend, offenbar mit einem Schlagstock. „Mein Mandant brach zusammen“, sagte Verteidiger Andreas Meschkat. Dem am Boden Liegenden waren damals Handfesseln angelegt worden. Dass er mit seinem Schlagstock ausgeholt habe, bestritt gestern einer der beiden beteiligten Polizisten, der als Zeuge gehört wurde, vehement. Und dass deshalb nach Aktenlage gegen den Beamten (41) ein Verfahren eingeleitet wurde, wie Amtsrichterin Sonja Schumann sagte, erstaunte alle Beteiligten. „Davon höre ich zum ersten Mal“, so der Polizist.

 

Seinen Worten zufolge hatte er damals als „mildes Mittel“ dem im Mercedes hupenden Thomas Kahlert aber angedroht, mit dem Schlagstock eine Fahrzeugscheibe einzuschlagen sowie Pfefferspray in die Lüftungsanlage zu sprühen. Tatsächlich hatte er Kahlert die Brille aus dem Gesicht gerissen. Nach Ansicht von Verteidiger Meschkat hat sein Mandant keinen der angeklagten Tatbestände verwirklicht, er will Freispruch. Das Hupen bezeichnete er als „zulässige Meinungsäußerung“.

 

Weil jede Menge Nachermittlungen nötig sind, setzte die Richterin die Verhandlung aus; es gibt noch keinen neuen Termin. Auch ein Arztbericht zum Zustand des Kfz-Meisters fehlt noch. „Ich hatte Hämatome am ganzen Körper.“ Und der Polizist Schmerzen in einem Knie.

 

Sabine Kreuz