Kann die Versorgung einer Person mit Lebensmitteln strafbar sein? In bestimmten Kontexten ja, meint die Staatsanwaltschaft Hamburg - am 25.4. wird diese Frage vor dem Amtsgericht Hamburg-Harburg weiter verhandelt. Am 18. August 2014 wurde die Weiterfahrt eines Atomtransportzugs in Hamburg, Veddel, blockiert. Der jetzt betroffenen Aktivistin wird Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe vorgeworfen, was sie durch Versorgung einer angeketteten Person mit Lebensmitteln getan haben soll. Der erste Prozesstag endete nach viel Polizeipräsenz, spontanen Eingangskontrollen und einer Thematisierung der Rolle der Justiz bei der Durchsetzung der Atomkraft mit einer Vertagung.
Bericht vom ersten Prozesstag am 4.4.:
Ab 10 Uhr trafen die ersten Unterstützer*innen vor Gericht ein, hängten Transparente auf, frühstückten und fütterten sich gegenseitig. Aufgebrachte Justizwachtmeister*innen aus dem Gericht forderten die Abnahme der Transparente und riefen die Polizei, nachdem sich die Anwesenden das Zeigen von Transparenten wie „Gerichte sind zum Essen da“ nicht verbieten lassen wollten. Daraufhin kam der vorsitzende Richter auf den Gedanken, eine sitzungspolizeiliche Verfügung zur Durchsuchung aller zu erlassen, was den absurden Effekt hatte, das zum Zeitpunkt des eigentlichen Prozessbeginns nicht mal die Angeklagte und ihr Verteidiger ins Gericht gelassen wurde.
Der Prozess begann schließlich mit einer 40-minütigen Verspätung (da alle 25 Zuschauer*innen durchsucht wurden) mit der direkten Genehmigung des Laienverteidigers und einer Zuständigskeitsrüge wegen eines überraschenden Richterwechsels, welcher der Angeklagten nicht bekannt gemacht wurde. Die Angeklagte rügte den bisherigen Prozessverlauf und erklärte wie Gerichte immer schon die Nutzung der Atomkraft durchgesetzt hatten.
Dann endlich kam die Staatsanwaltschaft zur Verlesung der Anklageschrift. Den Zuschauer*innen wurde der Vorwurf nicht klar, dennoch verweigerte das Gericht eine nähere Spezifikation der Vorwürfe, genauso wie die Verweisung aller zivilen Polizeibeamten aus dem Saal. Auch eine Schweigeminute anlässlich des Einlagerungsbeginns in das havarierte „Endlager“ Asse II wurde verwehrt.
Vor der Vernehmung der Zeug*innen forderte der Verteidiger nun Akteneinsicht, da der Angeklagten die Akten nur in Auszügen zur Verfügung gestellt wurden. Diesen Antrag wollte der Richter zunächst zurück stellen, sah dann aber doch ein, dass einem Verteidiger ein die Akteneinsicht zusteht und vertagte den Prozess auf den 25.4. um 9 Uhr, auch da eine weitere Fortsetzung des Prozesses wegen Mangels an Sicherheitskräften an dem Tag nicht möglich sei.
Bei Verlassen des Gerichts durften sich alle noch über das Schauspiel wundern: Auf jedem Treppenabsatz standen BFE-Einheiten der Polizei, unten fünf Polizei-Mannschaftswagen. Unter den Rufen der Prozessbesucher*innen nach mehr Machtdemonstration durch „Helme auf. Helme auf“ flüchteten sie schließlich aus dem Gericht in ihre Autos – der Versuch der Einschüchterung durch das Holen der Prügeleinheiten der Polizei hatte sich ins Gegenteil verkehrt. Die Polizisten kamen sich vermutlich lächerlicher vor als die Atomkraftgegner*innen.
Auch für den nächsten Prozesstag und eine Fortsetzung des Spektakels sind solidarische Zuschauer*innen herzlich eingeladen.
Mehr Informationen: http://nirgendwo.info/hamburg/#Uranzugblockade