Holger Bellino, CDU-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss, hält ein neues Gutachten zum NSU-Mord in Kassel nicht für relevant. Die Expertise belastet den Ex-Verfassungsschützer Temme schwer.
Die CDU hält nichts von dem Gutachten, das Forscher über den Kasseler NSU-Mord und die Rolle von Ex-Verfassungsschützer Andreas Temme verfasst haben. „Wäre dieses Gutachten in irgendeiner Weise relevant, dann müsste sich die Generalbundesanwaltschaft dafür interessieren“, sagte der CDU-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss, Holger Bellino, am Mittwoch.
Der CDU-Politiker bezweifelte, „ob ein Gutachten, das von einem ‚NSU-Tribunal‘ finanziert wird und über keine offiziellen Ermittlungsergebnisse verfügt, objektiv erstellt sein kann“. Vermutlich bestehe daher kein Interesse bei den Ermittlern. Vor elf Jahren, am 6. April 2006, war der 21-jährige Halit Yozgat in Kassel erschossen worden. Der Mord wird der rechten Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) angelastet. Temme war den Ermittlungen zufolge entweder während der Schüsse am Tatort oder hat ihn maximal 40 Sekunden vorher verlassen. Ein Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.
Die in London ansässige Forschungseinrichtung „Forensic Architecture“ hatte den Tatort rekonstruiert und untersucht, was Temme gesehen, gehört und gerochen haben müsste. Nach diesen Erkenntnissen hätte der damalige Verfassungsschützer den Mord wahrnehmen müssen, wenn er zur Tatzeit am Tatort war. Die vollständigen Ergebnisse werden am heutigen Donnerstag in Kassel vorgestellt. Temme hat ausgesagt, er habe die Schüsse nicht mitbekommen und die Leiche nicht gesehen.
CDU spricht von "Linkspopulisten"
SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel sagte am Mittwoch: „Die Glaubwürdigkeit von Herrn Temme sahen wir bereits nach seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss im Juni 2016 als vollständig erschüttert an.“ Die neue Untersuchung bestätige „alle berechtigten Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Herrn Temme“. Ähnlich hatte sich bereits Linken-Obmann Hermann Schaus geäußert.
CDU-Politiker Bellino warf den „Linkspopulisten“ vor, sie missbrauchten den Todestag, „um mit einer weiteren Verschwörungstheorie falsche Erwartungen in der Bevölkerung und vor allem bei den Hinterbliebenen der Opfer zu wecken“. Die Mitglieder des NSU-Ausschusses seien „nicht die besseren Ermittler“.
In Kassel ist heute um 15.30 Uhr eine Gedenkveranstaltung am Halitplatz geplant, wo die Familie Yozgat sprechen wird. Vorher gibt es ab 13 Uhr eine Demonstration unter dem Titel „Kein nächstes Opfer“.