Berlin: Urteil wegen Steinwurf am 1. Mai 2009

Heute, am 27. Mai 2010, fand in Berlin ein Prozess wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung statt. Der Angeklagte hatte am 1. Mai 2009 an den alljährlichen Kreuzberger Ausschreitungen teilgenommen. Besonders bezeichnend waren die Verletzungen, die der Angeklagte bei der Festnahme gegen sich erlitten hatte.

 

Da der Angeklagte irrig annahm seine Verteidigung selbst auswählen zu können und einer gerichtlichen Ladung zum angesetzten Prozess daher nicht wahrnahm, wurde er im April 2010 festgenommen und verbrachte einige Wochen in Moabiter Untersuchungshaft. Schliesslich kam es dann, nach über einem Jahr, doch noch zum Prozess. Im Amtsgericht Tiergarten sahen sich 4 Prozessbeobachter den Prozess an.

 

Der Staatsanwalt verlas die Anklage. Der Angeklagte sei am Abend des 1. Mai 2009 im Bereich der Skalitzer Strasse in einer Menschenmenge gewesen. Diese Personen seien vorwiegend schwarz gekleidet und vermummt gewesen und hätten Steine und Flaschen auf die Polizei geworfen. Der Angeklagte hätte dann einen Kleinpflasterstein aufgenommen und auf einen Polizisten der Direktion Spandau und Charlottenburg-Wilmersdorf (Direktion 2 - Rückenkennzeichnung: B) geworfen. Der Stein sei von dem gepanzerten Oberkörper des Polizisten abgeprallt. Danach habe der Polizist Wirrschmidt den Angeklagten mit anderen Polizisten festgenommen. Dabei habe der Angeklagte ungezielt mit Armen und Beinen um sich geschlagen. Dies sei ein schwerer Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung.

 

Der Angeklagte liess sich zur Körperverletzung bzw. den Landfriedensbruch ein. Den Widerspruch gegen Vollstreckungsbeamte stritt er hingegen ab. Er hatte über den Abend verteilt 4 Bier getrunken und schliesslich "einen Stein geworfen". Dann wurde er festgenommen. Gewehrt hatte er sich aber nicht. Der Angeklagte beschrieb, wie er sofort von den Polizisten Schläge ins Gesicht bekommen hatte, zu Boden ging und dort dann über den mit Scherben gespickten Boden geschliffen wurde. Seine Hände wurden noch am 2. Mai 2009 operiert und einige Tage später dann noch einmal.

 

Nun wurde der Polizist Dennis Wirrschmidt (28, aus Berlin) gehört. Er ist Polizist bei der 1. Einsatzhundertschaft der 2. Berliner Bereitschaftspolizeiabteilung (21. Ehu). Er will gesehen haben wie sich der der Angeklagte in Höhe Skalitzer Strasse/Mariannenstrasse aus einer Menge von eintausend vorwiegend dunkel gekleideter und vermummter Personen herausbewegt habe. Die Menge sei gewalttätig gewesen und hätte Steine auf die Polizei geworfen. Da sei ihm der relativ hell gekleidete Angeklagte aufgefallen, der einen Kleinpflasterstein aufgenommen hatte. Er will dann gesehen haben, wie der Angeklagte diesen Stein aus etwa 10 Meter Entfernung auf einen Polizisten der "2. Einsatzhundertschaft" (gemeint war wohl die Einsatzhundertschaft der Direktion 2) geworfen hat. Danach habe er sich den Angeklagten geschnappt und, da er sich mit Händen und Füssen gewehrt habe, mit einen Schlag ins Gesicht die Bewegung der Arme zum Gesicht provoziert. So konnte er dann den Angeklagten kontrollieren und er wehrte sich nicht mehr.

 

Der Polizist sagte aus, dass er petroleumfarbende Kleidung trug und so in der Dunkelheit nicht gut zu erkennen war. Er sei gepanzert gewesen und auch die anderen beworfenen Polizisten hatten eine Panzerung, die aber auf der Rückseite Schwachstellen aufwies. Der Polizist machte detailierte Angaben zum Wurf. Der Stein sei scharf geworfen wiorden. Der Angeklagte fragte schliesslich nach, mit welchen Arm er denn geworfen habe. Daran konnte sich der Polizist nicht erinnern. Auch nicht, ob der Stein traf bzw. wie irgendweine getroffene Person reagierte

 

Ein Diebstahl, der nichts mit dem 1. Mai zu tun hatte, wurde dann noch schnell mitverhandelt und vom Angeklagten zugegeben. Der Staatsanwalt forderte 1 Jahr, 2 Monate und 2 Wochen auf 2 Jahren Bewährung - Wegen schweren Landfriedensbruch, gefährlicher versuchter Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Diebstahl. Die Rechtsanwältin des Angeklagten beantragte 56 Monate und 2 Wochen auf 2 Jahren Bewährung wegen Landfriedensbruch in Tateinheit mit einfacher Körperverletzung und Diebstahl.

 

Schliesslich verurteilte die Richterin den Angeklagten zu 1 Jahr, 2 Monate und einer Woche auf 2 Jahren Bewährung. Den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sah sie nicht gegeben. Auch keinen schweren Landfriedensbruch, sondern nur einen einfachen, da der Stein kein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 125a StGB sei. Letztendlich wurde die Untersuchungshaft dem Verurteilten zu Gute gehalten. Der Staatsanwalt führte sogar aus, dass er die schrecklichen Verhältnisse in der JVA Moabit kenne. Aus generalpräventiven Gründen, zur Abschreckung, gab es dann aber doch nicht die Mindeststrafe.

 

Die Befragung des Zeugen war mehr als mangelhaft. Der widersprach sich zudem. Hätte sich die Verteidigung und der Angeklagte etwas mehr offensiv gezeigt, dann wären sicher noch mehr Widersprüche zu Tage gekommen. Ein weiterer Polizei-Zeuge erschien nicht, erheilt aber kein Ordnungsgeld, weil er im Urlaub war. Während des Prozesses versuchte der Staatsanwalt das Verhältnis der Prozessbeobachter zum Angeklagten rauszubekommen und sorgte schliesslich dafür, dass nicht mehr mitgeschrieben durfte. Auffällig war auch, dass der Schöffe und die Schöffin bur Platzfüller bzw.Platzfüllerinnen waren - am Prozess nicht wirklich, also mit Nachfragen oder eigenen Entscheidungen, mitwirkten.

 

Wichtig: Alle genannten Namen habe ich nur gehört. Es kann sein, dass sie anders geschrieben werden.