Richters Rückblick - Schmutzige Parteipolitik, Pegida und Ethik

Erstveröffentlicht: 
30.01.2017

"Ich habe in dieser Phase meines Lebens gelernt, dass Parteipolitik ab und zu auch ein richtig schmutziges Geschäft sein kann", sagt Frank Richter zu seiner Zeit als Chef der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Und er gibt zu, dass er mit seiner Titulierung als "Pegida-Versteher" gut leben kann, denn er nahm schon immer bevorzugt Vermittlerrollen ein. Für den MDR blickt der Theologe noch einmal zurück – und voraus auf seine neue Aufgabe.

von Wolfram Nagel

 

Acht Jahre stand der Theologe Frank Richter der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung vor. Ab 1. Februar übernimmt er eine neue Aufgabe als Geschäftsführer der Stiftung Dresdner Frauenkirche. Bekannt geworden war der Katholik als Vermittler zwischen  Polizei und Demonstranten am 8. Oktober 1989 auf der Prager Straße. Der Begriff "Friedliche Revolution" ist auch mit seinem Namen verbunden. Frieden und Versöhnung sind für ihn christliche Kernbegriffe auch in einer säkularen Gesellschaft.

 

"Ja, die Bekanntheit meiner Person hängt mit dem 8.Oktober 1989 zusammen Aus solch einer Bekanntheit erwächst Verantwortung, das ist klar, ich werden daran gemessen, ob ich glaubwürdig bin, ich werde daran gemessen, ob ich wahrhaftig bin, ich will nicht das Denkmal meiner selbst sein, sondern so wie damals hier und heute das tun, was in meiner Kraft steht. Der christliche Glaube, für den die Frauenkirche ja auch steht, ermöglicht zugleich, das menschliche Maß zu erkennen, mit der Begrenztheit des menschlichen Maßes auch umzugehen."
| Frank Richter


Das Angebot, an die Dresdner Frauenkirche zu wechseln, habe er nicht ausschlagen können, sagt Frank Richter. Es hätte zehn Gründe gegeben, Direktor der Landeszentrale zu bleiben, aber elf Gründe, diese neue Aufgabe zu übernehmen.

 

"Ich bin angesprochen worden. Der Vertrauensvorschuss hat mich sehr gerührt. Es geht um Bildungsarbeit mit besonderem Schwerpunkt auf Friedens- und Versöhnungsarbeit. Ich rutsche automatisch wieder in die Nähe von Kirche. Geschäftsführer ist kein Pfarrer, gleichwohl kann ich natürlich viel unbefangener von Gott reden, als ich das hier in der politischen Bildung tun konnte."
| Frank Richter


Frank Richter wurde 1960 in Meißen geboren, wuchs in Großenhain auf und studierte nach dem Abitur katholische Theologie in Neuzelle und Erfurt. 1987 wurde er zum Priester geweiht. Doch 2005 verließ er die römisch-katholische Kirche. Er arbeitete als Referent für Religion und Ethik am Comenius-Institut in Radebeul und als Lehrer an einem hessischen Gymnasium. 2009 wurde Richter Direktor der Landeszentrale für Politische Bildung.

 

"Ein Parteibuch ist kein Hinderungsgrund, überparteilich zu agieren, ich hab auch eines. Aber kein Parteibuch zu besitzen ist nun auch weiß Gott kein Schaden für eine überparteiliche Bildungsarbeit."

"Die politische Bildung hat mir viel Freude gemacht. Mit dem Team im Haus hier zusammenzuarbeiten, hat mir sehr viel Freude gemacht. Manches tickte hier, als ich kam, mit allem Respekt der Vorgängerzeit gegenüber, sehr autoritär. Und ich glaube, ich habe dazu beigetragen, Abläufe, Personen, Mitarbeiter zu emanzipieren. Man kann andere Menschen nur emanzipieren und sie aus autoritären Denk- und Verhaltensmustern herausholen, wenn man selbst als Direktor mit Kontrollverlust leben kann und leben will. Es hat keinen Zweck, sich aufzuregen, dass ein Esel nicht läuft, wenn man ihn an der kurzen Leine hält."

| Frank Richter

 

 

Wie schon 1989 machte sich Frank Richter auch in den Jahren als Direktor der Landeszentrale einen Namen als Vermittler zwischen verschiedenen politischen Lagern. So versuchte er, seit Ende 2014 Diskussionen mit Anhängern und Gegnern der Pegida-Bewegung zu moderieren.

 

"Mit dem Begriff Pegida-Versteher kann ich sehr gut leben. Man muss verstehen, mit welchen Menschen man es zu tun hat."

"Die Landeszentrale hatte 2014 bereits Erfahrungen hinter sich, durch das Projekt Kommune im Dialog, das bereits 2013 begonnen hatte. Und mit diesem Projekt waren wir im ganzen Land unterwegs. Der Dresdner Politikbetrieb kriegt oft nicht mit, was im ländlichen Raum los ist, wir hatten es bereits mitbekommen. Als Pegida 2014 erkennbar wurde, wussten wir schon, was da auf die Straße dringt, denn wir hatten das bereits bei vielen Veranstaltungen im ländlichen Raum gehört und gesehen."
| Frank Richter


Heftig kritisiert wurde Frank Richter, als er im Januar 2015 Lutz Bachmann und Kathrin Oertel die Türen für eine Pressekonferenz öffnete. Dazu steht er bis heute. Die Landeszentrale für politische Bildung sei eine überparteiliche Einrichtung, so der scheidende Direktor.

 

"Da war eine Ausnahmeentscheidung, die nehme ich auch auf mich, die habe ich selbstständig getroffen. An einem Punkt gebe ich meinen Kritikern unumwunden recht: Ich hätte, kurz nachdem Frau Oertel und Herr Bachmann vor die Presse getreten sind, sofort den Gegnern von Pegida dieselbe Möglichkeit einräumen müssen. Diese Überparteilichkeit hat ja gerade auch geholfen, in schwierigen Auseinandersetzungssituationen, beispielsweise um Pegida, eine Lücke auszufüllen, die so schnell und vielleicht auch so gut niemand anderes ausfüllen konnte. Das heißt, ich empfehle allen, die darüber zu entscheiden haben, wer künftig die Landeszentrale führt, nach einer Persönlichkeit zu suchen, die diese Überparteilichkeit bewahrt."
| Frank Richter


Zusammen mit dem Oberbürgermeister Dirk Hilbert und dem Superintendenten von Dresden-Mitte, Christian Behr, hat Frank Richter mehrere große Foren in der Dresdner Kreuzkirche moderiert. Es ging um Themen wie "Rettung des Abendlandes", die Flüchtlingspolitik oder auch die Medien. Als "Pegida-Versteher" wurde er belächelt und angefeindet. Nur in einem Fall spricht Frank Richter davon, wirklich gescheitert zu sein. Im Vorfeld der Landtagswahl 2014 wollte er Vertreter aller im Landtag vertretenen Parteien zu einer Diskussionsrunde in der Landeszentrale versammeln. Auch die NPD. Alle hätten zugesagt. Doch kurz vorher habe sich einer nach dem anderen zurückgezogen – für ihn ein Desaster.

 

"Ein Schuldiger für dieses Dilemma musste gesucht werden und das war ich, obwohl ich mich doch eigentlich bemüht hatte, alles bestens vorzubereiten. Ich habe in dieser Phase gelernt, dass Parteipolitik ab und zu auch ein richtig schmutziges Geschäft sein kann."
| Frank Richter


Doch all die Jahre habe er sich von einer wichtigen Maxime leiten lassen. Ein Wort von Wolfgang Böckenförde, dem ehemaligen Richter des Bundesverfassungsgerichts, habe ihn die ganze Zeit begleitet:

 

"Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist."

"Das heißt, wir können die beste politische Ordnung haben, die es auf dieser Welt gibt, und Deutschland hat die beste Ordnung, die dieses Land je hatte, diese beste Ordnung wird uns nichts nützen, wenn die Menschen die Ethik und die geistigen Grundlagen dieser Ordnung innerlich nicht nachvollziehen können, wenn sie nur das Eigenwohl im Blick haben, wenn sie diese Ordnung ausschließlich für die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen nutzen und die Orientierung auf das Allgemeinwohl, auf die Solidarität und auf den Zusammenhalt dieser Gesellschaft aus dem Auge verlieren. Wenn das geschieht und ich glaube, das ist in den vergangenen Jahren zunehmend geschehen, dann nutzt uns auch diese gute Ordnung nichts."
| Frank Richter

 

 

Frank Richter sieht seine neue Aufgabe in der Frauenkirche darin, das Bewusstsein für das Gemeinwohl zu schärfen.

 

"Ich werde in Zukunft mehr für die ethisch-geistigen Grundlagen unseres demokratisch verfassten Gemeinwesens tun können, als ich das hier in der Landeszentrale tun konnte …"

"Die Frauenkirche, die in sich eine Dreiteilung hat - einen unterirdischen, einen irdischen und einen überirdischen Bereich - sie versucht, diese drei Dimensionen, die ja die Dimensionen in unserer Seele sind, zusammenzuhalten. In der Frauenkirche wird man intensiver an diesen fundamentalen Dingen, an den ethisch geistigen Grundlagen, wie ich sie gerne nenne, erinnert, als in der Politik."
| Frank Richter


Und an Ideen mangelt es Frank Richter nicht. Ganz praktisch will er die Möglichkeiten der wieder aufgebauten Kuppelkirche nutzen. Und er nennt ein Beispiel:

 

"Wir haben ja in diesem Jahr 30 Jahre Städtepartnerschaft Hamburg-Dresden, beide Städte haben jeweils für sich eine Städtepartnerschaft mit St. Petersburg. Das könnte man doch zusammendenken, zumal 2017 an das erinnert wird, was landläufig die große sozialistische Oktoberrevolution genannt wird, die hat ja etwas eingeläutet für das 20. Jahrhundert, was weiß Gott nicht so viel mit Frieden, Versöhnung und Umgang mit Menschenrechten zu tun hatte."
| Frank Richter