Erfolgreiche Aktionskonferenz des Antirassistischen Netzwerks Baden-Württemberg am 28.1.2017 in Karlsruhe

Aktionskonferenz

Weitere Vernetzung und Aktionen beschlossen

Das AntiRA-Netzwerk Baden-Württemberg lud am Samstag den 28. Januar 2017 zu einer Konferenz nach Karlsruhe ein. Etwa 120 Engagierte aus verschiedenen Städten und Gemeinden, die in unterschiedlichsten Initiativen aktiv sind, folgten der Einladung. So nahmen Gewerkschafter_innen, Personen aus antirassistischen Zusammenhängen, aus kirchlichen Kreisen, friedens- und antimilitaristischen Initiativen, Asylinitiativen, engagierte Ehrenamtliche, Einzelpersonen und Geflüchtete an der Konferenz teil. Bei der Konferenz wurden sowohl die Fluchtursachen, die tödliche Abschottung, der Abbau der Flüchtlingsrechte und die Abschiebungen thematisiert und diskutiert.

 

Thomas Gebauer von medico-international e.V. zeigte in seinem Vortrag die Auswirkungen der europäischen Abschottungspolitik auf. So wirkt die Abschottung der EU-Grenzen bis nach Westafrika und beseitigt die jahrhunderdealte afrikanische Freizügigkeit zwischen den Ländern, da nun im Auftrag der EU Grenzkontrollen durchgeführt werden. Er zeigte auf, dass dem Krieg in Syrien ein beispielloser Sozialabbau und Kürzungen von öffentlichen Geldern voran ging, der die Menschen zu Protesten auf die Straße zwang. Auch werden Zusammenhänge zwischen der Krankheit Ebola, den EU-Megafischtrawler, die auf Beutezug vor Afrikas Küste sind und die Meere leer fischen, und einem Eiweißmangel deutlich. Der Eiweißmangel, wird durch das Ausweichen auf andere Nahrungsmittel u.a. durch Wildtiere ausgeglichen. Jährlich werden durch die Folgen der Globalisierung 100 Millionen Menschen in die Armut und Hunger getrieben. Weiterhin kritisierte er die Sicherheitspolitik, die subjektiv ist und nur Wenigen nützt, während das Eintreten für elementare Rechte global allen zu gute kommen würde. Weder Zäune noch Mauern werden die Migration, die auch von der EU-Wirtschafts- und Außenpolitik, z.B. durch die 130 von Deutschland abgeschlossenen bilateralen Freihandelsabkommen ausgelöst wird, aufhalten.

 

Rechtsanwältin Kirsten Striegler stellte an Beispielen aus ihrer Praxis dar, wie sich die neuen Gesetzesverschärfungen fatal auf die persönliche Situation von Geflüchteten auswirken. Sie kritisierte die Einschränkung der Freizügigkeit für anerkannte Geflüchtete durch das Integrationsgesetz und die Hürden für ein Niederlassungsrecht die noch höher gehängt wurden. Weiterhin thematisierte sie die neue geplante Dublin IV Verordnung, die eigentlich sofort wieder in den Schredder sollte. So soll eine Abschiebung in einen „sicheren Drittstaat“ wie die Türkei oder Serbien möglich sein. Der Flüchtlingsschutz soll aus Europa ausgelagert und die Fristen für eine Dublin-Abschiebung beseitigt werden. Abschiebung von unbegleiteten Minderjährigen entgegen dem Kindeswohl, soll möglich gemacht werden, sowie der Ausschluss von materiellen Leistungen. Im Prinzip wird durch Dublin IV der Zugang zum Flüchtlingsschutz in Deutschland verwehrt.

 

Inwieweit der neoliberale Gedanke bereits die Flüchtlingspolitik in Deutschland erreicht hat, wurde in einem weiteren Referat von Brigitte Kiechle vom Antirassistischen Netzwerk aufgezeigt. Sie warnte vor allem auch davor, dass Geflüchtete und andere Beschäftigte gegeneinander ausgespielt werden und daraus rassistische Ressentiment entstehen können. Insbesondere die Gewerkschaften seien auch in der Pflicht, die neuen Kolleg_innen aufzunehmen und zu unterstützen. In dem Workshop dazu wurden auch Beispiele aufgezeigt, wie es erfolgreich gelungen ist, solche Spaltungstendenzen wirksam zu bekämpfen.

 

In einem weiteren Workshops berichtete Sean Mc Ginley über die Aktivitäten des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg anlässlich der neuen und geplanten Gesetzesverschärfungen und die durchgeführten Treffen zur Lage der Menschen in Afghanistan und Gambia. Es wurde verabredet zentrale Aktionen gegen Abschiebungen und das Abschiebegefängnis Pforzheim in Baden-Württemberg durchzuführen. Es ist ein Skandal, dass Menschen in das vom Bürgerkrieg geschändete Afghanistan abgeschoben oder Menschen einer Perspektivlosigkeit und struktureller Diskriminierung überlassen werden, wie z.B. die vielen Roma, die aus angeblich sicheren Balkanländer kommen. Geplant ist, Informationen zu sammeln und zu veröffentlichen , wie entgegen den Verlautbarungen des Auswärtigen Amtes, die reale Lage der Abgeschobenen tatsächlich aussieht. Aktionen dazu sind für den 1.März mit dem Auftritt MP Kretschmann beim "politischen Aschermittwoch" u.a. in Biberach geplant. Am 15. März 2017 wollen wir gegen einen Auftritt des Landesinnenminister Strobel in Tübingen demonstrieren.

 

Hagen Kopp vom Alarmphone berichtete in einem weiteren Workshop über die Versuche Geflüchtete vor dem Ertrinken an den Außengrenzen der EU im Mittelmeer zu retten. Allein 2016 sind mehr als 5000 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer gestorben. Sie alle könnten noch leben, wenn es legale Flucht und Migrationsmöglichkeiten gäbe. Das in Athen besetze City-Plaza-Hotel, das etwa 400 Geflüchtete beherbergt, ruft für den 18. März, angesichts des Jahrestages des EU-Türkei-Deals zu einem europaweiten Aktionstag auf. Dem Aufruf ist auch der bundesweite Zusammenhang welcome2stay gefolgt, der ebenfalls zu bundesweiten Aktionstagen aufruft. Das Thema wird bei den Protestaktionen anlässlich des Finanzministertreffens am 17. und 18. 3. 2017 in Baden-Baden aufgegriffen.

 

Prof. Dr. Albert Scherr stellte die Bewegung der Sanctuary Cities dar, die es mittlerweile in 600 Städten der USA gibt. So leben in New York allein 500 000 Menschen ohne Aufenthaltsdokumente. Dort gilt das Prinzip des Urban Citizenship, ein Recht auf Stadt, unabhängig von nationalstaatlicher Zugehörigkeit. Von der Bürgermeisterin aus Barcelona kommt der Aufruf in Europa rebellische Sanctuary Cities zu bilden. Anknüpfend auch an die Charta europäischer Sanctuary-Bewegung wollen Initiativen prüfen, welche kommunale Möglichkeiten sich anbieten in baden-württembergischen Städten diese Bewegung zu installieren. In Karlsruhe ist nun ein Treffen geplant, in Freiburg fand bereits mit etwa 300 Personen ein Treffen statt. In Stuttgart ist ein Bürgerasyl gegen die Abschiebungen angedacht. Um über die Sanctuary City zu informieren, wird eine Veranstaltungsrundreise durch verschiedene Städte geplant.

 

Alles in allem ein gelungener zweiter Schritt des Netzwerkes, das Platz für weiteren Austausch und Zusammenarbeit bietet, an der sich alle, trotz vielfältiger Meinungen und unterschiedlichem Engagement, beteiligen können und sollten.


Antirassistisches Netzwerk Baden-Württemberg

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