Wie in Freiburg die Sorge um eine morgige Demonstration gegen die NATO im Vorfeld hochgekocht wurde
Die Veranstalter der Anti-Nato-Demonstration, die morgen stattfinden soll, könnten sich freuen: Angetrieben durch diffuse Warnungen der Polizei, die Internet-Gerüchteküche und gar die "Bild"-Zeitung, ist aus ihrer Veranstaltung ein kleiner Aufreger geworden, noch bevor sie überhaupt stattgefunden hat.
Sogar die Universität hat die Alarmstufe erhöht. "Die Polizei rechnet mit gewaltbereiten Teilnehmern. Insbesondere im Universitätszentrum wird daher um erhöhte Aufmerksamkeit gebeten", heißt es in einer internen Rundmail." Abhängig vom Verlauf kann es zu kurzzeitigen Gebäudeschließungen kommen." Geht man nach der "Badischen Zeitung", hätten Geschäftsleute bereits bei der Polizei angefragt, ob sie ihre Läden morgen Nachmittag schließen sollen. Und "Bild" prophezeite am Donnerstag gar "Chaoten-Krieg in Freiburg".
Kritik an der Nato
Es geht um eine Demonstration, zu der ein linksgerichtetes Freiburger Aktionsbündnis anlässlich des kommenden Wochenende in Kehl und Strasbourg stattfindenden Nato-Gipfels aufgerufen hat. Unterzeichnet haben unter anderem Attac, Die Linke, die unabhängigen Studierendenverstretungen von PH und Uni, die Antifa und der Motorradclub Kuhle Wampe. Nach Meinung der Teilnehmer sei die Nato heute ein aggressiver Militärapparat zur Durchsetzung der Interessen ihrer Mitgliedstaaten in aller Welt. "Seit dem Ende des Kalten Krieges definiert die Nato ihre Ziele neu: Wachstum und Einflussnahme, mit Vorliebe 'gen Osten und in ressourcenreiche Regionen hinein", heißt es in dem Aufrufstext.
Dass die Demonstranten schon jetzt viel Beachtung finden, liegt an der Diskussion der vergangenen Wochen. Auf einer Pressekonferenz hatte Polizeichef Heiner Ammann schon mal angekündigt, dass er Anzeichen für einen unfriedlichen Verlauf sehe. "Wir können nicht ausschließen, dass es zu Gewalttätigkeiten kommt." Anzeichen dafür sei die Tatsache, dass die Demo weder angemeldet sei, noch aus den Reihen der Veranstalter sich irgendjemand als Ansprechpartner bereitstellen würde. Zudem finde man im Internet zahlreiche Hinweise auf Blockadeaktionen und Ähnliches.
Durchaus gibt es unter den Demonstranten immer wieder Teilnehmer, denen bei friedlichem Verlauf die Spannung fehlt, dennoch sind die Gewalt-hinweise mit Zurückhaltung zu betrachten. Angemeldet waren die Demonstrationen der linken Szene in Freiburg noch nie. Im Gewirr der Webseiten, die rund um den Nato-Gipfel entstanden, finden sich durchaus martialische Sprüche und vielsagende Bilder - was in der Szene allerdings auch grundsätzlich zur standesgemäßen Begleit-Illustration gehört. Pläne für tatsächliche Überraschungsaktionen dagegen veröffentlichen die Initiatoren dagegen selten für alle lesbar im Internet.
Dass Ansprechpartner fehlen, begründet zumindest die Antifa damit, dass die Polizei damit, dass die Polizei gegen die Ansprechperson der letzten Demonstration im Dezember ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe - nach der Demonstration habe sie sich in einer Gruppe befunden, aus der eine Flasche auf Beamte geworfen wurde, sagt die Polizei, dafür gebe es auch Zeugen. Eine Szene, die die "Gegenseite" anders darstellt - möglicherweise muss demnächst ein Gericht versuchen, Klarheit in diese Angelegenheit zu bringen.
Dass die Freiburger Grünen in dieser Angelegenheit dann noch die Polizei und ihren Chef Heiner Amann angriffen und die CDU wiederum den Grünen attestierte, sie seien ein "Sicherheitsrisiko", hat den Wirbel im Vorfeld der morgigen Demonstration noch größer werden lassen. "Bild" war's recht: Die Boulevard-Zeitung kündigte diese Woche schon mal 3000 Demonstranten an und hatte offenbar Hinweise auf "Gewalt und Verwüstung." Und Polizeichef war mit 49 Jahren plötzlich acht Jahre jünger.
Bitte ein Ansprechpartner
Was morgen wirklich passiert, weiß natürlich niemand. Um 18 Uhr soll die Demonstration am Bertoldsbrunnen beginnen, und vermutlich werden Polizeikräfte in enormer Stärke den Zug begleiten. Woher sie kommen, ist nicht zu erfahren. "Das wird immer erst kurzfristig entschieden", sagt Polizeisprecher Ulrich Brecht. Auch die Zahl der Demonstranten ist noch nicht kalkulierbar - die letzte Veranstaltung aus dieser Szene im Dezember war mit 2000 Teilnehmern die größte seit längerer Zeit, ob und wie viele Nato-Protestler aus dem Ausland hinzukommen, ist noch nicht bekannt. Das "Convergence Center" im Freiburger autonomen Zentrum KTS, wo man im Vorfeld des Nato-Gipfels auswärtige Gegner aufnehmen wollte, meldete am Freitag Abend etwa 120 Besucher.
Polizeisprecher Brecht appellierte am Freitag noch mal an die Veranstalter, einen Ansprechpartner zu nennen. "Gemeinsam können wir das dann ganz ruhig über die Bühne bringen." Wenn es nicht ruhig bleibt, könnte das zumindest "Bild" gut in die Berichterstattung passen.
Jens Kitzler