Kein Abschiebestopp nach Kabul

Erstveröffentlicht: 
27.01.2017

In Hessen lebten zuletzt rund 900 ausreisepflichtige Afghanen. Die Landesregierung will zwar keinen Abschiebestopp nach Kabul, jedoch „Ermessensspielräume nutzen“.

 

Bei der Flüchtlingspolitik ist die Harmonie in der schwarz-grünen Koalition perdu. Das zeigte sich in der Landtagssitzung am Donnerstag. Bei der Einstufung sicherer Herkunftsstaaten sind die Partner ebenso unterschiedlicher Meinung wie in der Frage der Abschiebungen nach Afghanistan. Doch die Koalitionsdisziplin funktioniert auch bei diesen Konfliktthemen.

 

Die Grünen sind dagegen, die drei Maghrebstaaten auf die Liste zu nehmen. Die CDU ist der Auffassung, dass Asylanträge von Menschen aus diesen Staaten im Schnellverfahren nach dem Vorbild der Balkan-Flüchtlinge bearbeitet werden sollten. Der Koalitionspartner will ein „faires Verfahren“, auch kämen mittlerweile sehr viel weniger Flüchtlinge aus diesen Ländern, ihre Anträge würden schon jetzt schneller entschieden. „Wir sind da unterschiedlicher Auffassung“, räumte Marcus Bocklet ein, der flüchtlingspolitische Sprecher der Grünen. Deshalb bleibe es dabei, dass Hessen sich bei diesem Thema im Bundesrat der Stimme enthalte: „Das ist ein reifer und erwachsener Umgang.“ Viel wichtiger sei doch, wie Straftäter und Gefährder schneller in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden könnten. Die Bundesregierung müsse endlich verlässliche Rückführungsabkommen mit den Maghrebstaaten abschließen.

 

Die FDP hatte in einem Antrag die Koalition aufgefordert, ihre „Blockadehaltung endlich aufzugeben“. Ihr Streit lähme das Land, sagte Abgeordneter Wolfgang Griechin. „Diese Koalition hat keine gemeinsame Überzeugung.“ Bei den Abschiebungen nach Afghanistan, die er ausdrücklich begrüßte, habe sich die Union hingegen durchgesetzt. Griechin warf den Grünen einen „Eiertanz“ vor, sie verkauften „ihre grüne Seele“. SPD und Grüne hatten beantragt, angesichts der Sicherheitslage in Afghanistan die Abschiebung auszusetzen.


„Wir halten die geltende Rechtslage für richtig und notwendig“, entgegnete ihnen die CDU-Abgeordnete Astrid Wallmann. In Hessen lebten rund 900 ausreisepflichtige Afghanen. Das Land habe lediglich „geringe Ermessensspielräume“, ihren Aufenthalt zu verlängern – etwa bei familiären Bindungen, bei Krankheit oder wenn der Betreffende eine Berufsausbildung macht. „Wir werden uns vorrangig auf Straftäter konzentrieren“, versicherte Wallmann.

 

„Wir sind der Meinung, dass nicht nach Afghanistan abgeschoben werden soll“, sagte Grünen-Fraktionschef Matthias Wagner. Sein Parteifreund Bocklet verwies erneut auf Berlin. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) habe den Lagebericht zu verantworten, wonach die Sicherheitslage einer Rückführung nicht zwangsläufig entgegen steht. Janine Wissler (Linke) forderte die Grünen auf, für einen dreimonatigen Abschiebestopp zu stimmen, wie ihn die rot-grün regierte Landesregierung von Schleswig-Holstein erwägt. Doch die Grünen forderten eine Dauerlösung auf Bundesebene. Solange werde Hessen seine „Ermessensspielräume nutzen“, sagte Wagner.

 

Ohne Asyl

 

Die Bundesregierung will die Maghrebstaaten Marokko, Tunesien und Algerien auf die Liste der sicheren Herkunftsländer setzen. Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrats.

 

Per Sammelabschiebung wurden Mitte Dezember 34 Afghanen von Frankfurt aus nach Kabul ausgeflogen. Vergangenen Montagabend waren es nach Angaben des Bundesinnenministeriums nochmals 26 Menschen.