Hinterm Horizont geht’s weiter

bereichernde ironische Zeichnungen“
Erstveröffentlicht: 
21.01.2017

Dokumentation einer Rezension von Werner J. Patzelt zu einem Buch über Pegida, die unter dem Titel „Vom störrischen Dagegenhalten“ am 5. Januar 2016 in der Sächsischen Zeitung erschienen ist. 

 

Werner J. Patzelt beginnt seine Rezension mit der Aussage, dass das Buch „Pegida. Spaziergänge über den Horizont“ von Sebastian Hennig seine Leserschaft spalten werde und für Gegner der Bewegung eine echte Zumutung sei. Das ist es – ohne Frage. Das ist bereits der Erwerb des Buches. Scrollt man auf der Website des Verlags zum hier besprochenen Buch, kommt man an fast schon Klassiker zu nennenden Büchern der sogenannten Neuen Rechten vorbei.

 

An Festschriften für Hans-Joachim Arndt, an Klappentexten zu „befreienden Essays“, die da sagen: „Man neige Ereignisse überzubewerten, nur deswegen, weil die Erinnerung relativ frisch ist. Die deutsche Politik ist vom Schuldkult mit dem Dritten Reich bestimmt.“ Man sieht einen „Klassiker der modernen Zinskritik“ oder ein „besprechendes Auswahlverzeichnis“ des „modernen Nationalismus“. Patzelt beginnt mit tüchtiger Polemik und seine Rezension damit, sich über die Kritiker der „Bewegung“ zu mokieren. Vielleicht ist das seine Art, mit dem Verlagsprogramm umzugehen, denn eine Erwähnung des Verlagsnamens, des Arnshaugk-Verlags, oder gar eine ISBN findet man nicht. Dabei findet Patzelt, dass aus dem „bezüglich Pegida höchst kundigen Verfasser“ „wohldurchdachte und wohlformulierte Beschreibungen der Gedanken und Gefühle von seinesgleichen“ (also der Pegida-Anhänger) „nur so strömen“ würden.

 

Vorwort


Um zunächst etwas über das Vorwort des Buches zu erfahren, muss man in der Rezension ans Ende springen. Michael Beleites wird da zitiert mit seinem Satz, dass es bei Pegida „nicht um ausländerfeindliche Vorurteile, sondern um eine tiefe Vertrauenskrise in die Wahrhaftigkeit von Politik und Medien“ gehe. Patzelt fragt daraufhin, was also nun zu tun sei. Eine Antwort wäre, das Vorwort in seiner Gänze zu lesen. Denn die angesprochene tiefe Vertrauenskrise, die ohne ausländerfeindliche Vorurteile auskommt, wird dort näher beschrieben. So beschwert sich Beleites: „Es blieb unwidersprochen, daß jeder, der die D-Mark wiederhaben will, so behandelt wurde wie einer, der Auschwitz wiederhaben will. Es blieb unwidersprochen, daß jeder, der die biologische Rassenvielfalt des Menschen als bewahrungswürdiges Erbe betrachtet, als ‚Rassist‘ gebrandmarkt wurde. Es blieb unwidersprochen, daß Kritiker der parasitären Finanzwirtschaft deswegen als ‚Faschisten‘ diffamiert wurden […].“ Wenn aber nun 2016 das Konzept von Rassen und einer Rassenvielfalt des Menschen im Kulturteil einer deutschen Tageszeitung damit indirekt unwidersprochen bleibt, scheint es ja eigentlich mit Beleites vermuteter Vertrauenskrise von Politik und Medien nicht so weit her zu sein.

 

Unklar ist sowieso, wohin der Autor des Vorwortes eigentlich will. Einerseits sicher, eine Leseempfehlung für das nun Folgende abgeben. Andererseits scheint er auch eine klare eigene Agenda zu haben. Unter anderem wünscht er sich eine neue „kleinbäuerliche Siedlungsbewegung“, um die „Selbstversorgungsfähigkeit“ sicherzustellen. Ob die schon längst existierende völkische Siedlungsbewegung seinen Ansprüchen genügt, lässt er freilich offen.

 

Fast schon beiläufig erscheint der Lapsus des Autors, dass er den Stammtischdiskussionen keinen Vorwurf machen will, solange die „Zuwanderungspolitik“ nicht zwischen Flucht und Einwanderung unterscheide. Doch schon zwei Seiten später würfelt er selbst Asyl und Migration zusammen, indem er behauptet, dass „jede Asylpolitik daran gemessen werden muss, ob sie auch an den Wurzeln der Migrationsursachen ansetzt“.

 

Mit Szenenapplaus muss das Ende des Vorwortes bedacht werden, denn es kommt nicht ohne „Cui Bono?“-Frage aus. Wem es nütze, dass die Länder in Mitteleuropa mit entwurzelten Menschen „geflutet“ werden, fragt Beleites und bleibt eine Antwort schuldig, eben ganz im klassischen Cui Bono-Stil. Pegida gefällt ihm jedenfalls, auch weil es keine Aufmärsche von Hooligans seien. Hennig selbst wird allerdings zehn Seiten später davon schreiben, dass „viele starke junge Männer aus dem Hooligan-Milieu dabei sind“.

 

Chronik


Der laut Patzelt „analytische Halbdistanzierte“, dessen Frau beim spontanen Mittagsbesuch von Götz Kubitschek und dessen Familie schon mal tief in der Speisekammer kramt, darf nun also Kronzeuge für Patzelts „Neugier, Interesse und Diskurslust“ sein.

 

Hennigs „positive Gemeinschaftlichkeit“ wird aus seiner Sicht am meisten bedroht, würde man „sich voneinander distanzieren, Aussagen zurücknehmen und sich moderater ausdrücken“ und „trotziger als nötig werden und ohne innere Notwendigkeit noch einen Zacken zulegen“. Pegidas Sprache ist ihm also im Moment genau die richtige, das richtige Maß.

 

Seltsam erscheint dem Beobachter des Ganzen, den es laut Patzelt allerdings nicht gibt, dass eben jene Sprache bei Pegida seit Beginn im Jahr 2014 genau das machte: Sie hat einen ganzen Zacken zugelegt und ist zweifelsohne trotziger geworden. Auch Hennig selber ist ganz enthemmt, wenn er zum Beispiel durchgehend von Asylanten spricht oder gar von „lebensechten Asylanten-Darstellern“, wenn er das Protestcamp im Frühjahr 2015 auf dem Theaterplatz in Dresden meint. Deren Unterstützer und Gegendemonstranten im Allgemeinen seien allenthalben „linksradikale Aktivisten“ oder „selbsternannte Antifaschisten“, die bei Hennig ihren Antifaschismus schon dann verraten, wenn sie bei McDonalds einen Latte Macchiato trinken, während er selbst ebenda Kaffee trinkt. Hingegen würden Rufe wie „Die Sau“ und „Hängt sie auf!“ aus der Pegida-Kundgebung freilich nur „Revolutionsromantik“ aus dem Vermittlungsfundus der DDR darstellen: „Revolutionäre Garden gegen rückständige Unmenschen. Keiner nimmt das wirklich ernst.“

 

Und dann sind da noch diese Karikaturen, die Patzelt als ironische Zeichnungen von Peter Willweber bezeichnet und das Buch „bereichern“ würden. Zum Beispiel das Bild eines untersetzten kahlköpfigen ungepflegten Mannes, der, mit drei gewellten senkrechten Strichen über dem Kopf als Symbol seiner mangelnden Hygiene, zu einer Frau neben ihm spricht: „Lass mich dein kleiner Refugee sein …“ Diese antwortet, gedacht in einer Sprechblase: „Oh Gott, wenn ichs jetzt nicht mit dem treibe, stehe ich morgen als Nazihexe im Internet.“ Diese Vulgarität setzt sich fort.


Sowieso kann man sich fragen, wo Patzelt hier Ironie sieht, Karikaturen von ähnlicher Weise findet man beispielsweise schon im ganz und gar nicht ironischen Stürmer von 1925.

 

Schlussbetrachtung


Wenn Patzelt seine Rezension mit Hennigs Feststellungen eines „freudigen Gefühls der positiven Gemeinschaftlichkeit“ schließt, in der jeder willkommen ist, „solange er nicht die friedliche Form dieses Protests unterläuft“, ist er mit diesen Zitaten indes längst nicht beim Ende des Buches angekommen. Im Gegenteil: War von Beleites biologischer Rassenvielfalt und der Klage, dass Eurokritik behandelt würde wie die Forderung nach neuen Konzentrationslagern, gerade noch die eingangs erwähnte „Vertrauenskrise“ übrig geblieben, erwähnt er aus dem Schlusswort des Buches keine Silbe mehr.

 

Seltsam, wird doch da tatsächlich das erste Mal der Blick des ganz und gar nicht halbdistanzierten Analytikers durchbrochen und Hennigs innere politische Überzeugung am formalen und ästhetischen Blick auf Pegida festgemacht: „Spätestens seit Pegida und vor allem seit den überzogenen Reaktionen darauf, kann ich nicht länger glauben, dass es spontane Pogrome in Deutschland je gab. Dass eine Mehrheit des Volkes sich in eine Hetzmeute gegen unterlegene Mitbürger verwandeln konnte, erscheint mir nach der Erfahrung der Friedfertigkeit bei Pegida unglaubhaft. Die Deutschen waren damals wie heute der Spielball der politischen Elite.“

 

Die „Friedfertigkeit bei Pegida“ also als Begründung, warum Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda ein gelenktes Ereignis von oben waren. Das Cui Bono des Schlusswortes? Wie auch immer, auch das lässt er offen. Doch muss man nur in alten Artikeln der NPD lesen, um diese Logik als alt zu entlarven. Dort hieß es seinerzeit, dass die „herrschende Politikerkaste viel zu viele Ausländer“ in die Zentrale Aufnahmestelle „stopfte“. Die Bewohner hätten daraufhin „Eingaben geschrieben“, gar eine Bürgerinitiative gegründet, nur die zuständigen Behörden reagierten nicht. Und dann trafen sich eben „Jugendliche, die naturgemäß ungeduldiger sind“ und heute würde nun ein „Schuldkult“ betrieben. Hennig beschäftigt aber noch mehr: „Wenn dieser Bengel [der Begriff des Rassismus] noch größer werden sollte, muss er unverzüglich im Erziehungsheim abgegeben werden. Andernfalls wird er jedes Zusammenleben auf Erden zunichte oder zur Hölle machen.“ Schade, dass gerade solche lauten Kritiker wie Beleites und Hennig nie erklären, was denn nun eigentlich der korrekte Rassismusbegriff sei. Oder wie groß er eigentlich sein darf. Oder ob er überhaupt sein darf.

 

Dann, nach erfolgter Lobpreisung des Elbtals, also eben jener Stadt in diesem, erfährt man fast nebenbei: „Der Phantomschmerz der Amputation Ostdeutschlands vom Deutschen Reich ist hier am stärksten zu spüren.“ All das ist Patzelt aber nicht einmal eine Randnotiz wert. Vielmehr ist seine Ankündigung, dass dieses Buch spalten wird und für Pegida-Gegner eine Zumutung sei, nicht an solchen Aussagen festgemacht. Im Gegenteil: Weil er Hennigs Buchs für wohldurchdacht und gut formuliert hält, würde es nicht ins Weltbild der von Patzelt definierten Gegnerschaft passen.

 

Er selbst jedenfalls scheint seine immerhin schon zweite Rezension dieses Buches – jeweils mit dem Titel „Vom störrischen Dagegenhalten“ – für die Sächsische Zeitung nur geschrieben zu haben, um eben selbst störrisch dagegenzuhalten. Dagegen, dass die Kritiker und Gegendemonstranten von Pegida nicht weniger oder leiser werden. Fast sein gesamter Text behandelt nicht das Buch Hennigs als solches, sondern die „Gegner der Bewegung“ und deren vermutete Reaktion auf das Pegida-Buch.

 

Patzelt scheint Spaß daran gefunden zu haben, sich an der Kritik „der Bewegung“ abzuarbeiten und dabei selbst unsachlich zu werden. Wenngleich ihm „Pegida. Spaziergänge über den Horizont“ wirklich gut gefallen haben dürfte, war er schon in seiner ersten Rezension, die in seinem Blog erschien, froh: „Keine meiner damaligen und seitherigen Feststellungen meine ich nach Lektüre dieses Buches revidieren zu müssen.“ Und auch damals war es ihm ein persönliches Anliegen, schon im darauffolgenden Absatz wieder zu warnen, für wen dieses Buch also nicht geeignet ist. Damals gleich noch mit Verweis auf Bertolt Brechts „Leben des Galilei“. Zudem stellt er gar fest: „Doch um meine Einsichten aus diesem Buch soll es hier gar nicht gehen.“ .

 

Auf eine Einordnung oder zumindest einen Verweis, neben wem Hennig im Verlag da schreibt, welche weit über eine sogenannte Halbdistanz hinausgehende politische Einordnung man erwarten und lesen darf, auf all das verzichtet Patzelt und sucht sich die beiläufigsten Kalenderblattsprüche aus dem Buch heraus. Es ist eben eine höchst unpolitische Rezension (und dabei zeitgleich die x-te Abrechnung mit seinen Kritikern) eines Politikwissenschaftlers, dessen Blick auf und Wertung von Pegida, seit Monaten fest in Stein gemeißelt scheint.

 

Hennigs „Pegida. Spaziergänge über den Horizont“ gibt also einerseits Auskunft darüber, was für eine Arbeitsweise Patzelt an den Tag legt. Wer darüber hinaus wissen will, wie die Neue Rechte tickt und was sie mit Pegida zu tun hat, kann sich durch dieses Buch arbeiten. Empfohlen sei das aber niemandem.

 

Sebastian Hennig: Pegida. Spaziergänge über den Horizont. Eine Chronik. Mit einem Vorwort von Michael Beleites und Karikaturen von Peter Willweber. Arnshaugk-Verlag, 191 Seiten, ISBN 3-944064-39-9, 15 €