Wohin die Dienstwaffen der Berliner Polizei verschwinden

Erstveröffentlicht: 
26.01.2017

Auf dem Klo, im Auto oder mitten im Einsatz: Auch Berliner Polizisten verlegen schonmal ihr bestes Stück.

 

Die Berliner Polizei hat nicht mehr alle Waffen im Schrank. Das ist nicht nur ein sehr billiges Wortspiel, sondern tatsächlich wahr. Denn den Hauptstadtpolizisten sind seit 2010 ganze sechs Schusswaffen "abhanden" gekommen, wie die Berliner Zeitung berichtet. Mal beim Pullern, mal bei einem Wohnungseinbruch, mal im Auto. Klar, jeder lässt mal was liegen. Dumm nur, wenn es sich dabei nicht um einen Regenschirm oder einen Salatkopf handelt, sondern um eine scharfe Schusswaffe. Immerhin sind zwei der sechs verschwundenen Waffen mittlerweile wieder aufgetaucht. Aber trotzdem fehlen noch ganze vier Stück. Was ist da los in Berlin?

 

Wir haben nachgefragt:

 

"In drei Fällen wurden die Waffen bei Wohnungseinbrüchen entwendet", bestätigt die Berliner Polizei VICE. Sie wurden aus den Privatwohnungen der Polizisten gestohlen. Beamte dürfen ihre Pistolen zu Hause aufbewahren.

 

Eine weitere Pistole wurde einem Zivilfahnder während seines Einsatzes aus dem Auto geklaut. Die Diebe bekamen es später aber offenbar mit der Angst zu tun und riefen bei der Polizei an, um zu erklären, dass sie die Waffe in einen Kanal in Charlottenburg geworfen hatten, aus dem sie dann Taucher fischen mussten. Und in einem anderen Fall "wurde die Dienstwaffe auf einer Toilette außerhalb des Dienstgebäudes liegen gelassen und konnte zunächst nicht mehr gefunden werden", so der Pressesprecher der Polizei. "Hier konnte im Nachgang eine Person ermittelt werden, die die Waffe an sich genommen hatte."

 

Der jüngste Fall einer verschwundenen Polizeiwaffe ereignete sich vor gerade mal zwei Wochen, am Freitag, den 13. Januar (natürlich). Das Unglück traf einen Objektschützer, der im Dienste der Polizei ein öffentliches Gebäude im Berliner Stadtteil Grunewald bewachte. Entgegen der Vorschrift hatte er seine Dienstwaffe im Rucksack verstaut und nicht griffbereit im Halfter. Als dieser während seiner Schicht die Toilette aufsuchte, wurde ihm der Rucksack inklusive Waffe gestohlen. Bei allen Beamten, denen die Waffe "abhanden" kommt, wird in einem Verfahren geprüft, ob sie sich zu Genüge an §36 des Waffengesetzes gehalten haben. In dem heißt es: "Wer Waffen oder Munition besitzt, hat die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhanden kommen, oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen."

 

Aber immerhin gibt es in dem ganzen Schlamassel noch eine gute Nachricht für den Steuerzahler: Allzu teuer wird der Verlust die Behörde wohl nicht zu stehen kommen, denn die Berliner beschaffen sich ihre Ausrüstung neuerdings zu Flohmarktpreisen. Erst im letzten Jahr haben sie die alten Pistolen ihrer Kollegen aus Schleswig-Holstein für den symbolischen Wert von einem Euro aufgekauft. Sollte der Second-Hand-Trend bei Polizeiwaffen allerdings wieder zurückgehen, wird es teuer. "Eine gute Pistole kostet ungefähr 1.000 Euro, auch wenn die Behörden im Vergleich zum zivilen Markt ganz besondere Konditionen bekommen", so ein Berliner Waffenhändler gegenüber VICE. Die offizielle Antwort der Polizei dazu: "Die letzten Waffen wurden 1994 beim Hersteller für einen Stückpreis von etwa 1.000 DM erworben."

 

Bei allen sechs verschwundenen Exemplaren handelt es sich übrigens um "Dienstpistolen der Firma Sig Sauer P6", so der Polizeisprecher. "Ein sehr beliebtes Modell", weiß auch der Waffenhändler. 

 

Das Verbummeln von Pistolen ist allerdings nicht das einzige, womit die Berliner Polizisten in der letzten Zeit waffentechnisch aufgefallen sind. Seit vergangenem Juni ist es ihnen offiziell verboten, die Waffe als Teil ihrer Freizeitkleidung zu tragen. Mit dieser Neuregelung sollen die "Vorfälle im unsachgemäßen Umgang mit Faustfeuerwaffen im privaten Bereich" reduziert werden. Allerdings sieht das die Gewerkschaft der Polizei ganz anders. "Unsere Beamten wissen, wie sie in bestimmten Situationen mit der Waffe umzugehen haben. Da spielt es keine Rolle, ob sie offiziell im Dienst sind oder nicht", so der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei im rbb. "Wenn etwas in unserer Stadt passiert, muss ein Polizist eingreifen können, an jedem Ort und zu jeder Zeit."

 

Wer sich die verschwundenen Waffen nun schönreden will und denkt: "Na ja, eine ist keine und fünf mehr macht irgendwie auch keinen Unterschied" – der irrt. Denn nicht nur die Polizei verliert gerne mal ihre Gerätschaften. In Deutschland sind insgesamt 5,8 Millionen erlaubnispflichtige Waffen und erlaubnispflichtige "wesentliche Teile" von Schusswaffen registriert. Allein in den letzten vier Jahren wurden davon 17.500 Waffen als gestohlen oder als "abhanden gekommen" gemeldet, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Parlamentsanfrage hervorgeht.

 

Die Grünenpolitikerin und ehemalige Polizistin Irene Mihalic fordert nun eine gewissenhaftere Kontrolle der Waffenbesitzer. Vielleicht gar keine schlechte Idee – solange die Polizei da mitmacht.