Überprüfung christlicher Flüchtlinge - Mit zweierlei Maß gemessen

Erstveröffentlicht: 
26.01.2017

"Was ist die weltliche Hauptstadt des christlichen Glaubens?", "Wie starb Martin Luther?" oder "Kennen Sie die Namen der Söhne aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn?" Fragen, mit denen viele Christen hierzulande wohl überfordert wären - und Fragen, die das BAMF in Berlin Flüchtlingen gestellt haben soll, die aufgrund ihres christlichen Glaubens Asyl in Deutschland beantragt haben. Denn bei der Wahl der Fragen hat jeder Entscheider freie Hand.

von Lily Meyer, MDR AKTUELL

 

Damit Geflüchtete in Deutschland Asyl bekommen, werden sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angehört. Anhand ihrer Aussagen wird geprüft, ob sie zu einem dauerhaften Aufenthalt berechtigt sind. So wird es auch gemacht, wenn Asylsuchende in ihrer Heimat aus Glaubensgründen verfolgt werden, zum Beispiel Christen aus dem Iran.

 

Pfarrer Gottfried Martens von der Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz begleitet Verfolgte zu den Anhörungen des Bundesamts und hat die Glaubens-Fragen des Staates dokumentiert. Auf einige davon gebe es schlicht keine Antwort: "Wenn zum Beispiel immer wieder - und das ist kein Einzelfall, sondern das scheint gezielt zu sein - zum Beispiel nach den beiden Namen der beiden Söhne im Gleichnis vom verlorenen Sohn gefragt wird, dann haben diese natürlich gar keine Namen. Das gibt es ja in Gleichnissen gar nicht. Das bedeutet also, das sind gezielte Fangfragen, mit denen man die Leute verunsichern und fertig machen will." 

 

Kein einheitlicher Fragenkatalog des BAMF


Fragt sich: Wer entscheidet, welche Fragen bei einer Anhörung gestellt werden? Auf Anfrage des MDR teilt das BAMF schriftlich mit: "Die von Ihnen zitierten Ausführungen sind uns nicht bekannt. Die Fragen, die die Entscheider den Asylsuchenden im Rahmen der Anhörung stellen, ergeben sich immer individuell aus dem Gesprächsverlauf und aus dem Vortrag der Antragsteller. Es gibt keinen standardisierten Fragenkatalog." Welche Fragen gestellt werden, um die Glaubenszugehörigkeit zu prüfen, ist also völlig willkürlich. Bundesweit. 

 

In Sachsen und Thüringen keine Probleme bekannt


In Sachsen und Thüringen wurden derartige Probleme jedoch noch nicht gemeldet. Die Bistümer Erfurt und Dresden-Meißen geben an, keine Fälle zu kennen, in denen Geflüchteten solch komplexe Fragen zu ihrem Glauben gestellt wurden.

 

Der Leiter des Katholischen Büros Erfurt, Winfried Weinrich, sitzt seit zehn Jahren für die katholische Kirche in Thüringen in der Härtefallkommission. Er kennt Fragen, die Asylbewerbern gestellt werden: "Wenn derjenige angibt, dass er religiös verfolgt ist, fragt man natürlich, welcher Glaubensgemeinschaft er denn angehört. Dass man da auch Anhaltspunkte, Informationen hat, um ein Asylbegehren zu prüfen. Aber es geht nicht um eine Prüfung in Sachen religiöser Kenntnis. Da würden möglicherweise auch Angehörige einer Religionsgemeinschaft in Deutschland in Verlegenheit kommen." 

 

Dolmetscher teils überfordert


Solch absurde Fragen wie sie in Berlin vorliegen, sagt Weinrich, seien ihm nicht bekannt. Die seien allerdings nur die Spitze des Eisbergs, beklagt der Berliner Pfarrer Mertens. Er kritisiert nicht nur die Willkür der Fragen, sondern auch, dass die Dolmetscher teilweise nicht in der Lage seien, christliche Inhalte sachgemäß wiederzugeben. Am Ende entscheidet außerdem jemand, der nicht bei der Befragung dabei war, darüber, wie es für einen Geflüchteten weitergeht. Und das anhand eines fragwürdigen Protokolls, so Martens.