Berlin: Solidarische Adbusting-Grüße nach Baku
Mit einer Adbusting-Aktion an der aserbaidschanischen Botschaft
solidarisiert sich eine Berliner Street-Art-Gang mit zwei inhaftierten
oppositionellen Street Artists aus Baku. Der Hintergrund: Am 11. Mai
2016, dem „Blumentag“ genannten aserbaidschanischen Nationalfeiertag,
haben Giyas und Bayram aus Protest gegen das politische Regime ein
Denkmal mit dem Slogan „Alles Gute zum Sklaventag!“ verschönert. Sie
wurden in einem Schauprozess zu 12 Jahren Haft verurteilt, nachdem die
Cops ihnen zwei Kilo Heroin untergeschoben haben.
Berlin-Grunewald, Dienstag Nacht. Dunkle Gestalten schleichen durchs
Villenviertel voller Botschaften südlich der Hubertusallee. Doch außer
den Steuersünder*innen mit ihren Schwarzgeldkoffern und den von
Shoppingtouren heimkehrenden Folterknecht*innen diverser Staaten sind
heute auch Leute unterwegs, die hier nicht hingehören. Eine Gruppe
Streetart-Aktivistis hat sich heimlich unter die spießbürgerliche
Villenviertel-Mischpoke gemischt. Ihr Ziel: Die Werbe-Vitrinen in den
Bushaltestellen in der Hubertusallee, in der auch die aserbaidschanische
Botschaft liegt.
Soli-Adbustings für aserbaidschanische Streetart-Aktivist*innen
„Wir machen heute eine Soli-Adbusting-Aktion für zwei aserbaidschanische
Street-Art-Artists, die in Baku im Knast sitzen“ erklärt Milissa
Miranda Müller, eine der Aktivist*innen, die wir heute begleiten. „Sie
heißen Giyas und Bayram“. Die beiden haben am aserbaidschanischen
Nationalfeiertag ein zentrales Denkmal für den ehemaligen Präsidenten
(und Vater des heutigen Präsidenten) mit den Slogans „Alles Gute zum
Sklaventag“ verschönert. Offiziell heißt der Feiertag „Blumentag“. Wenn
man bei dem aserbaidschanischen Wort für „Blumentag“ zwei Buchstaben
vertauscht, wird daraus „Sklaventag“. „So wie bei Schweineöde und
Schöneweide“ albert Milissa, während die Gruppe zur Botschaft geht.
12 Jahre Knast für ein Graffiti
Kurz darauf ist sie wieder ernst: „Das fanden die Cops aber nicht
lustig. Sie haben die beiden verhaftet, tagelang geprügelt und ihnen
zwei Kilo Heroin untergeschoben“ fährt Milissa mit auf einmal ganz
ernstem Blick fort. „Dafür sollen die beiden jetzt 12 Jahre sitzen.“ Auf
diese Scheiße will die Gruppe die Besucher*innen der Botschaft nun mit
einem Adbusting aufmerksam machen. „Als Berliner*in kennt man das ja“
bemerkt Milissa. „Wenn Autobrandstiftungen oder die Rigaer Straße die
Innensenator*innen unter Legitimationszwang setzen, dann ist bei unserer
Polizei ja regelmäßig auch von Oben abgesegneter
Legal-Illegal-Scheißegal-Tag".
Werbevitrinen mit Nachschlüsseln öffnen
Die Botschaft liegt versunken in der typischen dunklen
Straßenlaternenbeleuchtung, Stille und Langeweile eines reichen
Vorstadtviertels. Die Stille scheint durch den Schnee, der in Berlin
liegt, noch verstärkt zu werden. Nur die Autos der hier im Viertel
reichlich präsenten privaten Sicherheitsdienste und Objektschutzstreifen
sägen mit ihren Motorgeräuschen regelmäßig Risse in die Kulisse.
„Öffentliche Infrastruktur interessiert die nicht. Die gucken nur auf
die Hütten, für die sie bezahlt werden“ sagt Milissa zu ihren
Mitstreiter*innen. Dementsprechend locker geht die Gruppe zu Werke.
Ruhig und routiniert öffnen sie mit selbstgebauten Nachschlüsseln die
Werbe-Vitrinen (Anleitung zum Nachschlüssel-Bauen
http://maqui.blogsport.eu/2016/08/03/schluessel-fuer-werbekaesten-selber-machen/).
Komplett-Fälschungen in Werbevitrinen
Dabei gehen sie derart selbstverständlich, sicher und offensichtlich zu
Werke, das zwei vorbeikommende Passant*innen die Gruppe einfach als
völlig normal ignorieren. Oder sympathisiert sogar in einem reichen
Viertel die Bevölkerung mit Leuten, die Werbung verunstalten? Die Gruppe
rollt derweil die vorhandenen Poster ein und nimmt sie aus den
Halterungen. Nur wenige Minuten später leuchten die neuen Poster in den
Werbevitrinen. Sie zeigen nun den Slogan“ Freiheit für Giyas und
Bayram!“ vor einem Bild aus Baku. Es zeigt das mit “Alles Gute zum
Sklaventag” verschönerte Denkmal des ehemaligen aserbaidschanischen
Präsidenten Heydar Aliyev. Darunter verweist der Link
changenow.blogsport.eu auf eine Website, wo mehr Infos zur Repression in
Aserbaidschan zu finden sind.
„Sieht gut aus!“ sagt Milissa anerkennend zu ihren Mitstreiter*innen.
Ein kurzes Nicken, noch ein paar nette Worte und gute Wünsche für den
Rückzug, und die Gruppe ist genauso schnell verschwunden, wie sie im
Botschaftsviertel aufgetaucht ist. Die einzigen Spuren, die sie
hinterlassen haben, sind die Adbustings.
Legal, illegal, scheißegal
Das ist wichtig, denn ihr nächtliches Tun ist verboten. Die Wall AG, die
mit den Vitrinen haufenweise Kohle verdient, bringt Adbusting als
Sachbeschädigung zur Anzeige. „Zwölf Jahre Haft würden wir dafür wohl
nicht kriegen“ sagt Millisa. “Aber wer weiß? Vielleicht klaut die
Berliner Polizei demnächst ja auch den Heroin-Trick."
Mehr Infos zu Giyas und Bayram:
http://changenow.blogsport.eu/warum-wurden-giyas-und-bayram-inhaftiert/
Wie gehen die Werbe-Vitrinen auf?
http://maqui.blogsport.eu/2016/08/03/schluessel-fuer-werbekaesten-selber...