Jahresrückblick 2016, Baden-Württemberg: Die AfD kommt in den Landtag und beschäftigt sich mit sich selbst

Erstveröffentlicht: 
12.12.2016

Alle Jahre wieder fragen wir: Was passierte im Bereich Rechtsextremismus in den verschiedenen Bundesländern? Welche Themen waren wichtig, welche Akteure und Akteurinnen? Heute: Baden-Württemberg

 

Die Fragen beantwortete der Journalist und Rechtsextremismus-Experte Lucius Teidelbaum.

 

Was war in Baden-Württemberg das wichtigste Ereignis im Bereich  Rechtsextremismus und Rechtspopulismus?

 

Das wichtigste Ereignis war sicherlich der Einzug der AfD in den Landtag bei den Landtagswahlen im März 2016. Mit 15,1% der Stimmen gelangten 23 Abgeordnete über das AfD-Ticket in den Landtag, zwei davon erhielten sogar ein Direktmandat (Mannheim I, Pforzheim). Dabei ist der Einzug einer rechtspopulistischen Partei in Baden-Württemberg gar nicht mal so neu. Das gab es bereits in den 1990er Jahren. Auch hier im Kontext eines rassistischen Diskurs über Einwanderung und Asyl. In Baden-Württemberg zog damals nicht nur einmal, sondern gleich zweimal eine rechtspopulistische Partei in den Landtag ein, was bundesweit damals wiederum einmalig war. Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 1992 erhielt nämlich die Republikaner-Partei Baden-Württemberg knapp 11% der Stimmen und 1996 gelang ihnen mit 9,1% der Wiedereinzug.

 

Was hatte es für Folgen?

 

Bis jetzt noch nicht allzu viele. Denn die AfD-Landtagsfraktion hat sich erst einmal effektiv selbst zerlegt, nachdem in den Medien thematisiert wurde, was aber bereits davor durchaus schon bekannt war: Dass mit Wolfgang Gedeon, einem der 23 AfD-LandtagskandidatInnen, ein handfester Antisemit für die AfD in den Landtag gewählt wurde. Gedeon war 2012 Buchautor von „Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten“ und veröffentlichte 2009 unter dem Pseudonym „W.G. Meister“ die dreibändige Reihe „Christlich-europäische Leitkultur. Die Herausforderung Europas durch Säkularismus, Zionismus und Islam“. In seinen Schriften vertritt er neben antiamerikanischen und rassistischen auch eindeutig verschwörungsantisemitische Positionen. Er schrieb etwa: „Wie der Islam der äußere Feind, so waren die talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes“. Damit bewegt sich Gedeon in der Traditionslinie einer jahrhundertealten christlichen Judenfeindlichkeit mit tödlicher Konsequenz. Früher führten die Vorwürfe gegen die jüdische Minderheit, der „innere Feind“ zu sein, zu blutigen Pogromen.

 

Nach der öffentlichen Skandalisierung von Gedeons Positionen rückte der neue AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen von Gedeon ab und verlangte einen Ausschluss Gedeons aus der Fraktion. Dazu waren aber, neben Gedeon selbst, acht AfD-Abgeordnete nicht bereit. Damit wurde der notwendige Proporz nicht erfüllt, und Meuthen verließ in der Folge mit seinen AnhängerInnen die Fraktion und gründete eine eigene Landtagsfraktion mit 14 Abgeordneten. In diesen Streit hinein intervenierte Frauke Petry, die die verbliebenen acht Abgeordneten unterstützte, wohl in der Hoffnung, ihrem innerparteilichen Opponenten so eins auszuwischen. Inzwischen hat man sich scheinbar wieder zusammengerauft. Gedeon hat die Fraktion freiwillig verlassen und die übrigen 22 AfD-Abgeordneten sind wieder in einer Fraktion vereint. Doch scheinen intern die alten Konfliktlinien teilweise fortzubestehen und Meuthen hat sich im Endeffekt nur als sehr halbherziger Kämpfer gegen Antisemitismus und seine VerharmloserInnen erwiesen. Letztere sitzen ja immer noch in der AfD-Fraktion und beklatschen teilweise noch immer die Redebeiträge des fraktionslosen Abgeordneten Wolfgang Gedeon. Die Etablierung der AfD-Fraktion hat dieser Streit um mehrere Monate verzögert. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wurden beispielsweise bisher kaum Wahlkreisbüros eröffnet. Die Serie an Skandalen tut den Umfragewerten der AfD im Südwesten aber leider keinen Abbruch.

 

Was war die aktivste Gruppierung im Bereich Rechtsextremismus / Rechtspopulismus, und was tat sie?

 

Die meisten Veranstaltungen im Jahr 2016 gingen sicherlich von der rechtspopulistische AfD aus. Die neonazistische NPD war eher verhalten aktiv und hat ihr völkisches Feiertagsprogramm abgespult, also Reichsgründungsfeier, Sommersonnwendfeier, Erntedankfeier und demnächst dann wieder die Wintersonnenwendfeier. Im Neonazi-Spektrum machen ihr dabei auf Parteiebene die beiden kleineren Neonazi-Parteien „Der III. Weg“ und „Die Rechte“ Konkurrenz. Wobei sich „Der III. Weg“ vor allem auf Württemberg und „Die Rechte“ auf Baden konzentriert. Als Akteur ist ebenfalls noch die extrem rechte „Identitäre Bewegung“ zu nennen, die sich ebenfalls in die Landesteile Baden und Württemberg untergliedert. In beiden Regionen gibt es zusammen über ein dutzend Ortsgruppen. Wenn mit Gruppierung auch ein Verlag gemeint sein kann, dann muss auf den Kopp-Verlag hingewiesen werden, der in Rottenburg am Neckar seinen Sitz hat. Neben krude-esoterischen Werken, erschienen in dem Verlag auch viele Bücher mit eindeutig rechtem Inhalt. Etwa unlängst „Der Links-Staat“ von Christian Jung und Torsten Groß, die eine große 'Antifa'-Verschwörung von Merkel bis zu den Autonomen versuchen zu skizzieren. Beworben wurde das Buch dann auch vom Verlag in Blättern wie COMPACT oder „Junge Freiheit“. Der Verlag organisiert aber auch gewinnträchtige, größere Veranstaltungen. So fand vom 1. bis zum 2. Oktober 2016 in der Messe des Flughafens von Stuttgart der erste Kopp-Kongress statt. Eine Karte kostete schlappe 150 Euro. Es kamen 1.300 BesucherInnen, um diversen Verschwörungsideologen zu lauschen. Der Verlag ernährt sich scheinbar gut von der Krisen-Angst der Menschen.