Staatsterror, Verhaftungen und Hinrichtungen prägen die momentane Situation der Türkei. Bereits in der Phase zwischen den beiden Wahlen bzw. nach der Wahlniederlage der AKP im Juni 2015 hat sich gezeigt, dass Erdogan und seine AKP zum Machterhalt auf Terror setzt, um einem System der diktatorischen Alleinherrschaft näherzukommen. Innerhalb von zwei Jahren hat die AKP-Regierung das Militär entmachtet, die zentralen Schaltstellen des türkischen Staates mit AKPlern besetzt und die Opposition durch Verhaftungen faktisch ausgeschaltet. Währenddessen wurden zudem Anschläge, Massaker auf die kurdische Bewegung ausgeübt und das türkische Militär ist in Bakur/ Nordkurdistan einmarschiert.
Nach dem gescheiterten Putschversuch am 15. Juli 2016 wurde der Notstand ausgerufen, um das angestrebte System der Alleinherrschaft explosionsartig voranzutreiben. Grundlegende Rechte wie Meinungsfreiheit, Presse- oder Versammlungsfreiheit wurden ausgesetzt und momentan wird sogar über die Einführung der Todesstrafe diskutiert. Die massiven Verhaftungswellen nach dem Putsch, die sich zunächst auf die Gülen-Anhänger innerhalb des Staatsapparates, das Militär und Beamte im Bildungsbereich richtete, wurden nach und nach auch gegen jegliche andere Opposition ausgeweitet, die im Widerspruch zur AKP steht. Medien wurden ab- und gleichgeschaltet und GewerkschafterInnen verhaftet. Eine weitere krasse Eskalationsstufe waren die Verhaftungen der Ko-Vorsitzenden und weiterer Abgeordneter der pro-kurdischen Partei HDP (Demokratische Partei der Völker). Ziel ist SympathisantInnen und UnterstützerInnen der kurdischen Befreiungsbewegung einzuschüchtern, den kämpfenden Widerstand in der Türkei auszuschalten und die Solidarität der Bevölkerung zu brechen.
Präsidialdiktatur und Klassenkampf von oben
Die AKP vertritt mittlerweile die Interessen von einem Großteil des türkischen Kapitals. Daher liegt es in ihrem Interesse günstige Bedingungen zur Ausbeutung im eigenen Land, aber auch Investitionsmöglichkeiten in den umliegenden Nachbarländern zu schaffen.
Das deklarierte Hauptproblem, bei der Umsetzung und Sicherung dieser Interessen, ist die kurdische Freiheitsbewegung. Die Kapitalisten können aufgrund der Bewegung weder in Rojava – der selbstverwalteten Region in Syrien – noch in Bakur in ihrem Sinne handeln. Hinzu kommt die linke Opposition in den türkischen Metropolen, die mit der HDP ihren Ausdruck im Parlament gefunden hat. Dieser umfassende Widerstand führt dazu, dass Erdogan und auch die türkischen Firmen und Unternehmen, die dort viel Kapital angelegt haben, an Einfluss im Nahen und Mittleren Osten verlieren. Konkret geht es um dort vorhandene Rohstoffe wie Öl, um die Absicherung von Importen und Exporten, sowie um die Kontrolle von Handelswegen. Diesen politischen Einfluss versucht sich die AKP, den sie durch die kurdischen und linken Kräfte behindert sieht, mit militärischer Gewalt zurück zu holen.
Die Abschaffung der Meinungs- oder Pressefreiheit in der Türkei ist ein weiteres Element des geführten Klassenkampfes der herrschenden Klasse gegen RevolutionärInnen und auch sonstige KritikerInnen. Das aggressive Durchgreifen der AKP im Land resultiert aus der Angst um den Verlust ihrer Herrschaft. Auch andere Parteien, wie die faschistische MHP oder die kemalistische CHP, sowie große Teile der türkischen Bourgeoise, stellen sich hinter die AKP und damit gegen die revolutionären Kräfte.
Die Angriffe auf die HDP sind aber nur ein Pfeiler der Repression. Gleichzeitig werden andere erkämpfte Felder der revolutionären Bewegungen zerschlagen, was die Inhaftierung von linken OberbürgermeisterInnen zeigen. Allgemein gehören Verhaftungen von AktivistInnen mittlerweile zum Alltag. Doch auch die Infrastruktur wird angegriffen: So wurden bereits 370 Vereine verboten und geschlossen, unter ihnen ein linker Frauenverband und ein Verband linker RechtsanwältInnen. Diese Angriffe sollen die revolutionäre Perspektive zerschlagen, die mit der Einheit der Revolutionären Parteien und Gruppen (HBDH) immer mehr Form annimmt.
Die Selbstverwaltung der kurdischen Bevölkerung stellt ein konkretes Gegenmodel zu der jetzigen Alleinherrschaft von Erdogan dar. Seit 2015 wird Bakur, unter Einsatz von Kampfflugzeugen, vom türkischen Staat angegriffen. Über Monate hinweg kämpfen die kurdischen Selbstverteidigungseinheiten gegen diese Angriffe an, um ihre demokratische Selbstverwaltung zu verteidigen. Der türkische Staat hat in Nordkurdistan die Erfahrung machen müssen sich mit einem Widerstand konfrontiert zu sehen, der die Grundpfeiler der Herrschenden ernsthaft bedroht.
Durch den Ausbau des politischen Einflusses der AKP in der Türkei erhofft sich auch die türkische Bourgeoise mehr Macht. Die Festigung der Herrschaft im Innern ist dabei essentiell, um außenpolitisch agieren zu können und dem Ziel eine Regionalmacht im Nahen und Mittleren Osten zu werden Schritte näher zu kommen. Dabei ist jedes Mittel Recht.
Um sich als Regionalmacht zu etablieren, arbeitet der türkische Staat sowohl mit seinen NATO-Partnern als auch mit Russland oder der reaktionären KDP – der südkurdischen Autonomieregierung – eng zusammen. Unter dem Banner des „Kampfes gegen den IS“ mischen zahlreiche Akteure im Krieg in Syrien mit. Auch die Türkei ist (als Teil der Freien Syrische Armee) in Nordsyrien einmarschiert. Den außenpolitischen Kurs wechselt die Türkei dabei beliebig: Mal soll Assad gestürzt werden, dann wird kooperiert. Mal wird Russland die Feindschaft ausgerufen, dann gilt Schmusekurs. Mit Taktiererei versucht Erdogan Russland und USA und weitere mächtige imperialistische Aggressoren immer wieder zu seinen Gunsten gegeneinander auszuspielen. Konstant bleibt aber ein Interesse: Sich den einen Freifahrtschein für Rojava zu holen. Denn das tatsächliche Ziel ist nicht die Bekämpfung des IS, sondern die Vereinigung der beiden befreiten Kantone Rojavas zu verhindern und den entscheidenden Einfluss auf Region und Nachbarländer zu erlangen. Andernfalls wäre die türkisch-syrische Grenze eine befreite Zone der kurdischen selbstverwalteten Region, wodurch der Türkei der Zugang zu Syrien verwehrt bleiben würde.
Internationale Solidarität geht nicht ohne Antikapitalismus
und Antikapitalismus geht nicht ohne internationale Solidarität.
Der Widerstand der kurdischen Freiheitsbewegung stellt ein Problem für gleich mehrere Reaktionäre und ihr interessengeleitetes Vorgehen dar. Er ist ein Problem für die regionalen Kräfte, sowie für die imperialistischen Kräfte, die in Syrien ihr Unwesen treiben. In der Türkei selber erschwert zusätzlich der Widerstand der RevolutionärInnen die Alleinherrschaft Erdogans. Es gibt immer wieder neue Ansätze von unterschiedlichen demokratischen und fortschrittlichen Organisationen und Strukturen eine gemeinsame Front zu bilden.
Als proletarische InternationalistInnen ist es wichtig ein Bezug zu den fortschrittlichen Kämpfen aufzubauen, von ihnen zu lernen und die Solidarität praktisch werden zu lassen. Gleichzeitig müssen wir die Rolle und die Zusammenarbeit des deutschen Imperialismus aufzuzeigen.
Denn auch Deutschland, als imperialistisches Land, hat das Interesse seine Kapitalanlagen zu schützen und geostrategische Interessen umzusetzen. Das spiegelt sich in der Beziehung zur Türkei wider. Die tagtägliche Verschärfung der Situation in der Türkei und das immer autoritärer und diktatorische Vorgehen der Regierung gegen die eigene Bevölkerung, ist für Deutschland nebensächlich - dafür stehen zu wichtige Interessen auf dem Spiel. Die Türkei ist Ort von riesigen deutschen Kapitalinvestitionen, ein wichtiger Handelspartner und der Torwächter Europas gegenüber fliehenden Menschen.
Auch in Deutschland wird die kurdische und türkische Linke mit Repression konfrontiert. Das schon seit 1993 bestehende PKK-Verbot und der §129b, welcher die Bildung terroristischer Vereinigungen zum Inhalt hat, wird immer häufiger genutzt, um die kurdische Bewegung in Deutschland zu kriminalisieren. Dabei werden Tätigkeiten – wie die Organisation von gemeinsamen Busfahrten, Spendensammeln, oder das Engagement in legalen Parteien – zum Anlass genommen, AktivistInnen festzunehmen und sie in U-Haft wie etwa in Stammheim zu halten. Höhepunkt ist das momentane Verfahren gegen zehn AktivistInnen der ATIK (Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa), die wegen einer Mitgliedschaft bei der TKP/ML(Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten) angeklagt sind. Absurderweise ist die TPK/ML in Deutschland eine legale Struktur und nicht als terroristisch eingestuft. Dies zeigt Beliebigkeit mit dem Paragraphen und den politischen Charakter der Repressionsorgane. Der §129, dient dazu linke und revolutionäre Gruppe als „terroristisch“ zu diffamieren und sie zu kriminalisieren.
Durch Verschärfung der Repressalien gegen kurdische und türkische linke AktivistInnen wird die Türkei in ihrem Vorgehen aktiv unterstützt, zugleich wird versucht die linke Bewegung auch hier in Deutschland einzuschüchtern.
Gemeinsam werden wir am 26. November unsere Solidarität mit den GenossInnen in Kurdistan und in der Türkei auf die Straße tragen. Gegen die Angriffe des türkischen Staates und der Repression Deutschlands. Denn unser Kampf ist ein gemeinsamer Kampf gegen das Kapital, das international bekämpft werden muss. Kommt am Samstag den 26. November zum Antikapitalistischen Block!
Internationale Solidarität aufbauen!
Hoch die Internationale Solidarität!