Bundesanwaltschaft: Türkische Agenten in Deutschland aktiv?

Erstveröffentlicht: 
25.11.2016

Ein türkischer Agent soll kurdische Aktivisten ausspioniert und einen Mord geplant haben. Laut Informationen von NDR und WDR ermittelt nun die Bundesanwaltschaft wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit.


Von Georg Heil, Cesur Milusoy, Andreas Spinrath und Damla Hekimoglu, NDR und WDR

 

Die Staatsanwaltschaft in Bremen hat ein Ermittlungsverfahren wegen Verabredung eines Verbrechens eingeleitet. Laut einer Zeugin sollen türkische Agenten einen Mordkomplott auf zwei kurdische Funktionäre geplant haben. Auf Nachfrage von NDR und WDR verwies die Staatsanwaltschaft an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe - dort wollte man sich zu dem Thema nicht äußern. Nach Informationen von NDR und WDR hat die Behörde in Karlsruhe den Fall jedoch an sich gezogen, ermittelt aber offenbar bislang nur wegen des Verdachts auf geheimdienstliche Agententätigkeit.

 

Die Ermittlungen sollen auf eine Zeugenaussage zurückgehen. Ein Frau hatte sich offenbar zunächst anonym an eine Zeitung gewandt, die der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK nahesteht. Sie soll angegeben haben, dass sich ein türkischer Agent aus ihrem nahen persönlichen Umfeld seit rund zwei Jahren in Bremen als Journalist getarnt aufhalte. Der Mann habe Interviews mit kurdischen Funktionären geführt, um diese auszukundschaften.

 

Ihre Angaben untermauerte die Frau mit zahlreichen Dokumenten, darunter Fotos, Kopien von Reisepässen und Aufzeichnungen. Das Material, das NDR und WDR vorliegt, übergab sie auch der Polizei. Dort soll sie auch von einem Mordkomplott berichtet haben, an dem noch zwei weitere Agenten beteiligt gewesen sein sollen. Wo sich der Mann derzeit aufhält, ist unklar. Inwieweit die Aussagen der Frau belastbar sind, wird derzeit von den Ermittlern geprüft. 

 

Fall beschäftigt Innenausschuss


Laut Angaben ihres Rechtsanwaltes hält sich die Frau derzeit an einem geheimen Ort auf. Sie werde durch Beamte des Bundeskriminalamtes vernommen und stünde unter dem Schutz der Polizei, so der Anwalt gegenüber NDR und WDR. Der Fall beschäftigt inzwischen auch den Innenausschuss des Bundestages und soll demnächst im geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium erörtert werden.

 

Ziel der Agententätigkeit und des angeblichen Mordkomplottes sollen zwei kurdische Funktionäre gewesen sein:  Der in Bremen lebende Yüksel Koc, der in mehreren kurdischen Vereinen aktiv ist, und der in Brüssel lebende Vorsitzende des kurdischen Dachverbandes "Kongra-Gel", Remzi Kartal.

 

Koc und Kartal zeigten sich im Interview mit NDR und WDR bestürzt. Sie glauben an einen Mordkomplott. Bereits 2015 hätten Sie einen entsprechenden Hinweis erhalten, der auch zur aktuellen Warnung passen würde. Remzi Kartal und Yüksel Koc zeigten den Reportern zudem Textnachrichten, in denen sie massiv mit dem Tod bedroht wurden. Darin hieß es, die beiden Männer seien aufgrund der Aussage der Frau noch einmal davon gekommen: "Seid froh, dass euch diese Hure Bescheid gesagt hat. (…) Du wirst immer unser Ziel sein, bis Du tot bist." 

 

MIT in der Kritik


Durch die Anschuldigungen steht der türkische Geheimdienst MIT erneut im Zentrum der Kritik: Zuletzt war er mit den Morden an drei kurdischen Aktivistinnen in Verbindung gebracht worden. Diese waren 2013 in Paris erschossen worden - womöglich im Auftrag des MIT. Der Täter, ein V-Mann des türkischen Geheimdienstes, hatte vor der Tat acht Jahre in Deutschland gelebt. Kürzlich berichteten zudem britische Medien, dass der Mord an einem kurdischen Gewerkschafter in London im Jahr 1994 womöglich vom türkischen Geheimdienst befohlen worden war.