Wie alles begann - Die Pegida-Story

Erstveröffentlicht: 
15.10.2016

Seit zwei Jahren versuchen die "Patrioten Europas gegen die Islamisierung des Abendlandes" die Straße zu beherrschen. "Erfolgreich" waren sie vor allem in Dresden, die Ableger in den anderen deutschen Großstädten verliefen mehr oder weniger im Sande. Immer noch ziehen Montag für Montag Pegida-Anhänger durch die Straßen der sächsischen Landeshauptstadt, wenn auch deutlich weniger als am Anfang.

von Wolfram Nagel

 

Entstanden war die Abkürzung Pegida an einem Stammtisch. Erst nahmen nur wenige Hundert an den sogenannten Montagsspaziergängen teil. Dann aber schwoll die asylkritische Bewegung zu Massenprotesten mit bis zu 25.000 Teilnehmern an.

 

"Fakt ist, wir haben einen nicht erheblichen Teil der Bevölkerung aufgeweckt", so Pegida-Erfinder Lutz Bachmann  im Januar 2015. Von der  Bühne herab brachte er Forderungen wie ein neues Einwanderungsgesetz, die schnelle Abschiebungen sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge und die Überwachung von Moscheen unter die Leute.   

 

Bachmann mit Hitlerbärtchen


Doch nach dem Auftauchen von Bildern Bachmanns mit Hitlerbärtchen und Schmähreden gegen Ausländer auf Facebook spaltete sich das sogenannte Orgateam. Mit dem Ergebnis, dass sich Pegida immer mehr radikalisierte. Rechtspopulistische Redner wie Arif Pirincci oder ein Galgenplakat für Bundeskanzlerin Angela Merkel sorgten für Skandale. Die Bewegung schien abzuebben, trotz der neuen Frontfrau Tatjana Festerling. Die ehemalige Hamburger AfD-lerin ging vergeblich ins Rennen um die Dresdner Oberbürgermeisterwahl. Heftigen Aufwind bekam Pegida dann wieder durch die Flüchtlingskrise  im August 2015. 

 

Bruch mit Festerling


"Freunde, habt ihr auch die Schnauze gestrichen voll von der massenhaften Flutung unseres schönen Landes", so der Münchner Rechtspopulist Michael Stürzenberger im September 2015. Tausende skandierten "Widerstand" und "Merkel muss weg". 

Letztmalig brachte Pegida am 6. Februar 2016 eine große Masse Menschen in Dresden auf die Beine. Etwa 8.000 Teilnehmer wollten auf einem internationalen Protesttag Flagge gegen die Islamisierung des Abendlandes zeigen, für die "Festung Europa". Es war eine der letzten gemeinsam organisierten Veranstaltung der Dresdner Pegida-Gründer um Lutz Bachmann und Tatjana Festerling. Nicht alle weinten ihr nach. "Sie hat in ihren Äußerungen manchmal überspitzt", sagt eine Teilnehmerin in das MDR-Mikrofon.

 

Seit sich Festerling von Bachmann und Co. fernhält, gingen die Teilnehmerzahlen bei Pegida Dresden weiter zurück und pendelten sich zwischen 2.000 und 4.000 ein. Für die meist älteren Protestbürger ist Kommen weiter Pflicht. Seit zwei Jahren. Über den Köpfen ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer, Montag für Montag. Warum sie kommen? "Pegida, das sagt ja alles. Wir sind gegen die Islamisierung, weiter nichts. Deshalb gehe ich hierher. Das nicht Millionen Moslems reinkommen nach Deutschland. Das brauchen wir nicht. Von wegen, wir schaffen das." Und ein anderer sagt: "Wenn wir es nicht machen, wird sich nichts ändern. Es müssten Hunderttausende werden, nicht bloß Tausende." 

 

Patzelt: Pegida hat fast religiöse Züge angenommen

 

Für manche, wie dem Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt, haben die wöchentlichen Pegida-Demonstrationen fast religiöse Züge angenommen, mit einer festen Liturgie. "Als ein Gegner von Pegida freut mich das natürlich, dass die keine tüchtigen Führer haben. Als jemand, der die großen Hoffnungen von vielen Pegidianern kennt, die sie in ihre Bachmanns usw. gesetzt haben, sage ich: 'Mein Gott, so viel guten Willen zu enttäuschen'." 

 

Der inzwischen wegen Volksverhetzung verurteilte Pegida - Frontmann stellte erst kürzlich vor seinen Anhängern die Vertrauensfrage. Von seinen internen Gegnern wie Tatjana Festerling wird ihm nicht nur Untreue von Spendengeldern vorgeworfen. Aber viele Leute betrachten Bachmann weiter als eine Art Volkstribun, der sich von niemandem einschüchtern lässt.

 

So bestimmten Bachmann und seine Anhänger in der öffentlichen Wahrnehmung auch die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Dresden am 2. und 3. Oktober.