CIA macht Stimmung

Je mehr Särge, desto größer die Ablehnung des Krieges. Die CIA sucht ein Rezept dagegen
Erstveröffentlicht: 
03.04.2010

03.04.2010 / Titel / Seite 1


CIA macht Stimmung


Von Rainer Rupp

 

Ein der Enthüllungswebseite WikiLeaks zugespieltes Memorandum der CIA beschreibt, wie die Fortführung des Krieges in Afghanistan der Bevölkerung in Deutschland und Frankreich schmackhaft gemacht werden kann. Seit die Koalitionsregierung in den Niederlanden wegen des Streites über eine weitere Truppenstationierung am Hindukusch auseinandergebrochen ist, macht man sich in der CIA offensichtlich große Sorgen, daß sich das insbesondere auch in Deutschland und Frankreich wiederholen könnte. Die beiden Länder stellen nach den USA und Großbritannien die meisten Truppen in Afghanistan. Das am 11.März dieses Jahres von der »Red Cell« der CIA verfaßte »Sondermemorandum« trägt den Titel »Afghanistan: Die Erhaltung der westeuropäischen Unterstützung für die NATO-geführte Mission – warum es nicht ausreicht, auf Apathie zu setzen« (file.wiki­leaks.org/file/cia-afghanistan.pdf). Das Memorandum ist »vertraulich« und »nicht für Ausländer bestimmt«.

Die vorgeschlagenen Public-Relationsstrategien zielen auf sogenannte »Druckpunkte, welche die CIA-Analysten in den beiden Ländern identifiziert haben. In Frankreich ist das laut CIA die Sympathie der Bevölkerung für die afghanischen Flüchtlinge und insbesondere das Los der Frauen. In Deutschland sei es sowohl die Angst vor den Konsequenzen einer Niederlage (Drogenschwemme, mehr Flüchtlinge, Zunahme des Terrorismus) als auch die Sorge, daß Deutschlands Position in der NATO leiden würde.

In dem Memo wird die Unterstützung für den Afghanistan-Krieg in Europa insgesamt als »fragil« eingeschätzt. Gefährlich sei daher, daß insbesondere die Regierungen in Deutschland und Frankreich auf die Apathie der Öffentlichkeit setzten. Diese habe Berlin und Paris zwar erlaubt, »die Wähler zu ignorieren und unter Mißachtung der Ablehnung von 80 Prozent der Bevölkerung in Deutschland und Frankreich« die Truppenstärke am Hindukusch ständig zu erhöhen. Aber, so befürchtet die CIA, »die politische Gleichgültigkeit der Öffentlichkeit könnte in aktive Feindseligkeit umschlagen, sobald die Kämpfe im Frühjahr und Sommer erhöhte zivile Opferzahlen in Afghanistan bringen«. Der »blutige Sommer« könne dann in den beiden Ländern zu einer ähnlichen Entwicklung wie in Holland führen. Wie dem entgegengesteuert werden soll, zeigt ein Kapitel des Memos mit dem Titel »Maßgeschneiderte Informationen könnten einen Rückschlag begren­zen«.

Um die »maßgeschneiderten Informationen« für die europäische Öffentlichkeit zu produzieren, fordert das CIA-Memorandum, daß Experten für »strategische Kommunikation« und Analysten des für solche Zwecke besser gerüsteten Geheimdienstes des US-Außenministeriums, des Bureau of Intelligence and Research (INR), Public-Relations-Strategien ausarbeiten, welche die Berichterstattung über den US-Krieg in Afghanistan »besser auf die Prioritäten der Öffentlichkeit in Frankreich, Deutschland und in anderen europäischen Ländern abstimmt«. Als besonders effektiv bewertet die CIA u.a. Medienauftritte afghanischer Frauen in Europa.

 

Ähnlich wie die kürzlich als Bericht herausgegebenen Empfehlungen des Jerusalemer Reut-Instituts zur organisierten Diffamierung von internationalen Kritikern der israelischen Kriegspolitik als Antisemiten, ist das CIA-Memorandum ein Rezept zur gezielten Manipulation der öffentlichen Meinung in Deutschland, Frankreich und in ganz Europa.