Demonstration gegen institutionellen Rassismus des Ankuftszentrum in Hamburg-Rahlstedt

Demonstration gegen institutionellen Rassismus des Ankuftszentrum in Hamburg-Rahlstedt

Am 01. Oktober 2016 fanden sich in Hamburg Rahlstedt ungefähr 170 Menschen ein, um gegen den institutionellen Rassismus des Ankunftszentrums im Rahlstedter Ortsteil Meiendorf zu demonstrieren, wozu antirassistische Gruppen aus Hamburg aufgerufen hatten.

 

Ab 12:00 Uhr versammelten sich die Demonstrierenden vor dem Lautsprecherwagen am Rande des Wochenmarktes auf dem Bahnhofsvorplatz. Trotz einer erschwerten Anreise mit einem Ersatzverkehr und dieser frühen Zeit wuchs die Zahl der Teilnehmenden erfreulicherweise stets an. Obwohl sich die Demonstration in direkter Hör- und Sichtweite des Wochenmarktes befand, kamen leider nur vereinzelt interessierte Marktbesucher*innen und Passant*innen zur Demo. Die meisten an der Demo vorbeigehenden Anwohner*innen waren sichtlich darum bemüht, die Demonstration und ihre Inhalte zu ignorieren. Wie zu erwarten, reagierten einige mit bürgerlichen Ausfallreaktionen wie „Asylrecht für alle? Die soll'n verschwinden hier“. Trotz des kurzzeitigen Besuchs einiger offensichtlich brauner Charaktere blieb alles ruhig.

 

In den Redebeiträgen der Gruppen wurde der Charakter des Lagers als Ausdruck von institutionellem Rassismus benannt. Die Geflüchteten werden in einem verkürzten Asylprozess im sogenannten Ankunftszentrum isoliert, alle wichtigen Schritte finden innerhalb des Lagers statt. Durch die zunehmend restriktivere und rassistische Asylpolitik ist eine (anwaltliche) Unterstützung absolut notwendig. Menschenrechtsorganisationen und Unterstützer*innen ist der Zutritt zu den Lagern untersagt, es wird fast unmöglich für die Geflüchteten, eine angemessene Unterstützung zu erhalten. NGOs wie der Flüchtlingsrat in Unterstützung durch Pro Asyl müssen, wie z.B. beim Erstaufnahmelager in Nostorf-Horst in MV, gegen die Bundesländer Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern klagen, um die Menschen mit unabhängiger Beratung unterstützen zu können.

 

Von den Verantwortlichen in Hamburg wird diese unmenschliche Einrichtung als „Quantensprung“ abgefeiert, wobei sie eigentlich einen Quantensprung in der schnelleren Ablehnung von Geflüchteten aus den „falschen“ Herkunftsländern meinen. Dies wird auch ziemlich offen artikuliert, wie durch 'menschenrechtliche Perlen' von Andy Grote, der gegenüber dem NDR äußerte, dass Geflüchteten aus 'sicheren Herkunftsländern' „innerhalb von 48 Stunden nach ihrem Asylantrag [...] ein negativer Bescheid erteilt werden [solle]“. Dass es in diesen Ländern nicht sicher ist, wie zahlreiche Menschenrechtsorganisationen nachweisen: Egal.

 

Der mörderischen Ausdruck, zu dem diese rassistischen Diskurse und Gesetzgebungen führen, wurde in einem weiteren Redebeitrag benannt: Am 14.09.16 wurde vor einem Penny-Markt in Rahlstedt Niculaie L., ein junger, obdachloser Roma, brutal angegriffen und kam mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Außer einer Journalistin in der Hinz&Kunzt berichtete niemand darüber. Auch über den Tod Eugeniu Botnaris kurz nach der brutalen Misshandlung durch einen Edeka-Filialleiter am 17. September in Berlin-Lichtenberg wurde kein Wort über rechte Gewalt verloren.

 

Um 13:00 Uhr setzte sich die Demo Richtung Ankunftszentrum in Bewegung, in der nun erfreulicherweise auch mehrere jüngere Rahlstedter*innen mitliefen. Die ablehnende Haltung vieler Anwohner*innen wurde auch während des Laufens deutlich, posititive Reaktionen waren rar. Es ging vom Bahnhof über die Bargterheider- und Berner Straße in das Gewerbegebiet, wo sich zwischen riesigen Lagerhallen das Ankunftszentrum im Bargkoppelstieg befindet. Auf der Kehre direkt vor dem Ankunftszentrum fand die Abschlusskundgebung statt. Die Teilnehmenden konnte mit eigenen Augen sehen, was das Ankunftszentrum ausmacht: geschlossene Tore, private Sicherheitsdienste und ausgebaute Lagerhallen. Die Menschen vor den Lagerhallen des sogenannten „Ankunftszentrum“ hinter dem Zaun, wurden auf Arabisch, Französisch, Russisch, Romanes, und Englisch begrüßt und das Anliegen der Demonstration erklärt. Nachdem sich nun einige der dort untergebrachten Menschen der Demonstration anschließen wollten, drängten sie gemeinsam mit den außenstehenden Demonstrierenden darauf das Tor zu öffnen, welches dann ein Stück geöffnet wurde. Dennoch mussten sie, wie in allen „Unterkünften“ praktiziert, beim Verlassen ihre abgeben. Mit freundlicher Begrüßung wurden sie von den Demonstrierenden empfangen und bekamen außerhalb des Lagers von beratenden Gruppen Flyer mit unabhängigen Informationen zu ihrer Situation.

 

Die nun folgenden Redebeiträge, die überwiegend von organisierten Refugee-Gruppen und Support-Strukturen kamen, richteten sich direkt an die geflüchteten Menschen. Neben den Redebeiträgen wurde unterschiedliche Musik gespielt, viele Stücke in arabischer Sprache, die Stimmung war sehr entspannt. Den Bewohnern wurde die Möglichkeit gegeben, ebenfalls das Mikrofon zu ergreifen und ihrer Stimme Gehör zu verschaffen – was auch einige Personen nutzten. Vor allem Kinder ergriffen das Mikrophon und sagten was ihnen am Herzen liegt „Bleiberecht“ „keine Abschiebung“ „wir wollen ein Haus“! In Serbokroatisch/Romanes und auf Deutsch.

 

Obwohl ganz offensichtlich von den Demonstrierenden keinerlei Gefahr ausging, ließ es sich die Polizei nicht nehmen, die Demonstrierenden vor dem Ankunftszentrum zu filmen. Eine kleine Gruppe Teilnehmender musste ihre Personalien abgeben und wurde durchsucht.

 

Um 15:00 Uhr wurde die Demonstration aufgelöst und ohne Zwischenfälle konnten die Teilnehmer*innen die Demonstration verlassen. Parallel dazu fand um 14 Uhr in Heidelberg eine große Demonstration unter dem Motto „Solidarity4all“ gegen das dortige Registrierzentrum statt.

 

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden am 01.10. sowie allen uns im Vorfeld beteiligten Personen und Gruppen für ihre Unterstützung und hoffen, den bisher positiven Diskurs zum Ankunftszentrum etwas irritiert zu haben.

 

Gruppe für antirassistische Intervention & Kritik

 

 

Der Kampf gegen institutionellen Rassismus geht am 09.10.16 am Hamburger Flughafen weiter. Kommt alle an dem Tag zum Terminal 1 zum „Flughafentheater gegen Abschiebung“

https://nevermindthepapers.noblogs.org/post/2016/09/15/flughafentheater-gegen-abschiebung-am-9-10-2016/

 

Bilder der Demonstration von “Wut auf der Straße”:

https://www.flickr.com/photos/98466105@N06/sets/72157673433395791

 

Bericht über das Ankunftszentrum:

http://www.fsk-hh.org/blog/2016/10/03/ein_abschiebelager_fuer_hamburg

 

Redebeitrag über rechten Angriff auf einen Rom:

http://www.freie-radios.net/79293