Leitkulturdebatte reloaded - Unionspolitiker wollen mehr Patriotismus

Erstveröffentlicht: 
30.09.2016

In einem Papier plädieren die CSU und die sächsische CDU für eine Wiederbelebung der Leitkulturdebatte. Für sie sind Heimat und Patriotismus Kraftquellen der Gesellschaft. CDU-Chefin Merkel war nicht eingebunden.

 

Mehr Heimatliebe, mehr Patriotismus: Mit einem "Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur" wollen die CSU und die sächsische CDU das konservative Profil der Union schärfen. "Es braucht eine verbindende Rahmenkultur. Leitkultur genannt, meint sie nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern das Fundament unseres Zusammenlebens", heißt es in dem Papier, das von Vertretern beider Parteien am Freitag in Berlin vorgestellt wurde.

 

Über den Begriff Leitkultur wird seit vielen Jahren in Deutschland kontrovers diskutiert. Die CSU steht geschlossen dahinter und will ihn sogar in der Landesverfassung verankern. Obwohl sich die CDU schon 2007 in ihrem Grundsatzprogramm zu einer für alle Menschen in Deutschland gültigen Leitkultur bekannt hatte, gehen die Meinungen über den Inhalt in der Schwesterpartei noch immer auseinander. Mit ihrem Aufruf wollen die Autoren - die sächsischen CDU-Politiker Matthias Rößler und Michael Kretschmer und die CSU-Politiker Johannes Singhammer, Reinhold Bocklet und Markus Blome - die Diskussion über die Leitkultur auch in der Union neu entfachen. Beratend mitgearbeitet haben an dem Aufruf auch die Wissenschaftler Joachim Klose, Werner Patzelt und Arnd Uhle.

 

Es gebe viele Freundschaften zwischen CDU- und CSU-Mitgliedern, begründete der sächsische CDU-Generalsekretär Kretschmer die Erarbeitung des Papiers. Und deshalb glaube er auch, "dass es auf viel Zustimmung stoßen wird". Auf Nachfrage stellte er vor den Medienvertretern klar, dass Angela Merkel als CDU-Vorsitzende in die Erarbeitung nicht eingebunden gewesen sei. "Aber sie weiß, dass es dieses Papier gibt", so Kretschmer.

 

Die Autoren stellten den Aufruf bewusst drei Tage vor den Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit vor, die an diesem 3. Oktober in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden abgehalten werden. Dort hatte es zuletzt zwei Anschläge auf eine Moschee und das Kongresszentrum, den Ort der zentralen Festveranstaltung, gegeben. Kretschmer rief die Zivilgesellschaft auf, sich den 3. Oktober als Festtag nicht wegnehmen zu lassen. "Ich wünsche mir, dass viele kommen und sich nicht verängstigen lassen", diese Sorgen seien in Dresden zu spüren und "keine gute Entwicklung".

 

Das Papier der Autoren ist nicht nur nach Innen gedacht, in CDU und CSU hinein. Es sei eine Antwort auf die Ängste der Menschen, "das Bemühen, den gesellschaftlichen Abstiegsängsten und kulturellen Verlustängsten etwas entgegenzustellen", sagte der Vorsitzende der CSU-Grundsatzkommission und bayerische CSU-Landtagsabgeordnete Markus Blume. Indirekt machte er deutlich, dass damit auch ein Ausrufezeichen gegen Parteien rechts der Union, wie etwa der AfD, gesetzt werden soll. Man wolle dazu beitragen, im "bürgerlich-konservativen Lager einen Alleinvertretungsanspruch zu haben" und damit "das ganze Spektrum Mitte-rechts abdecken". Singhammer betonte, es gehe um einen "werthaltigen Patriotismus", den man nicht "Leuten überlassen will, die dafür nicht geeignet sind". Auf den derzeitigen Dauerkonflikt zwischen CDU und CSU angesprochen, sagte er: "Das Papier ist nicht dazu gedacht, irgendeine Spaltung zu betonen."

 

Sachsens CDU preschte bereits 2005 vor


Der Aufruf war am Montag vom Landesvorstand der sächsischen CDU verabschiedet worden. Bereits 2005 hatte der heutige Präsident des sächsischen Landtags, Matthias Rößler (CDU), ein Papier zum Begriff der Leitkultur vorgelegt. Die damaligen zwölf Thesen zum "Zusammenhalt unserer Gemeinschaft" über einen "Deutschen Patriotismus im vereinigten Europa" waren auf einem CDU-Landesparteitag in Sachsen im November desselben Jahres beschlossen worden. Am Freitag verteidigte Rößler die Wiederaufnahme der Debatte: Umfragen zeigten, dass eine Mehrheit in Deutschland den Begriff der Leitkultur für "ganz, ganz wichtig" erachte. Man wolle daher das Thema "ganz offensiv anpacken".

 

In dem dreiseitigen Papier wird unter anderem mehr Patriotismus und "Stolz auf unsere Nation" verlangt. Zur Leitkultur gehörten nicht nur Werte und Rechtsnormen der demokratischen Grundordnung, heißt es in dem Papier weiter. "Zu ihr gehören auch Übereinkünfte, die von der Regelung des Alltagslebens bis zur Ausgestaltung der Rolle Deutschlands in Europa und der Welt reichen."

 

Dazu zähle der selbstverständliche Gebrauch der deutschen Sprache sowie bewährter Umgangsformen ebenso wie "jene wichtigen Lehren", die Deutschland aus der nationalsozialistischen und der kommunistischen Diktatur gezogen habe - Wertschätzung von Solidarität und Freiheit, Übernahme von Verantwortung, gegenseitiger Respekt und der Verzicht auf politische Gleichgültigkeit.

 

"Das alles sind sehr konkrete Wege für Zuwanderer, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Wir erwarten, dass diese Wege auch beschritten werden", schreiben die Politiker. Auch humanitär begründete Zuwanderung dürfe nicht die Belastbarkeitsgrenzen der Bevölkerung überschreiten oder den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden. "Deshalb brauchen wir eine Einwanderungspolitik, die sich nach Nachhaltigkeit, plausibler Gerechtigkeit und den Bedürfnissen unseres Landes bemisst."