Verdacht auf weiteres NSU-Opfer mit Schussverletzung

Erstveröffentlicht: 
21.09.2016

NSU-Prozess: Die mutmaßliche Terrorzelle NSU könnte einen weiteren Mann durch einem Schuss verletzt haben.

 

München. Diesen Verdacht äußerte am Mittwoch Nebenklageanwalt Hardy Langer in einem Beweisantrag. Er bezieht sich auf einen Beitrag einer Chemnitzer Zeitung vom Juni 2000, wonach ein Bauarbeiter durch einen Schuss aus einer Luftdruckwaffe verletzt wurde. Tatort soll die Wolgograder Allee gewesen sein.

 

Das wäre damals in unmittelbarer Nähe der Tarnadresse von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in Chemnitz gewesen. Das Neonazi-Trio tauchte Ende Januar 1998 nach einer Polizeirazzia in Jena unter und lebte anfangs in Chemnitz, später inZwickau. Langer verwies darauf, dass Dienstag ein Zeuge aus der Jenaer Neonazi-Szene dem Gericht erzählt habe, wie Böhnhardt einmal aus Spaß auf ihn aus einer Luftdruckpistole ein Diabolo geschossen habe. Genau so ein Projektil verletzte den Arbeiter. 

 

Aussagen von Carsten S. auf dem Prüfstand


Hintergrund des Beweisantrags sind Aussagen des Angeklagten Carsten S. Der schilderte unter anderem, dass Ralf Wohlleben gesagt habe, Mundlos und Böhnhardt hätten jemanden angeschossen. Das sei zwischen April und August 2000 gewesen. Sollte sich der Vorfall als wahr erweisen, wäre das ein weiterer Beleg für die Richtigkeit der Angaben von Carsten S. Der hat mit seiner Aussage Wohlleben und sich schwer belastet. Beiden wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Sie sollen die NSU-Tatwaffe mit beschafft haben. Langer konnte bereits mehrfach mit seinen Recherchen wichtige Erkenntnisse in den Prozess eingebringen, die dem BKA nicht gelungen waren. So fand er Indizien dafür, dass das Wohnmobil, in dem sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 4. November 2011 erschossen haben sollen, Tage zuvor noch für eine Fahrt zum Angeklagten André E. nach Leipzig genutzt worden war. Der im Fahrzeug sichergestellte Parkschein stammte von einem Automaten vor einer Klinik, in der André E. behandelt wurde. 

 

Schweizer Ermittlerin soll in München aussagen


Auch lieferte Langer nach einer weiteren Zeitungsrecherche einen Hinweis auf das mögliche Datum einer Schlägerei in Jena , die ebenfalls Carsten S. in seiner Aussage angeführt hatte. Bisher zweifelte die Wohlleben-Verteidigung die Angaben von Carsten S. auch mit der Begründung an, dass sich für dessen Schilderungen keine Belege finden ließen. Wohlleben-Anwältin Nicole Schneiders fordert gestern, eine Schweizer Kriminalbeamtin als Entlastungszeugin zu laden. Sie soll im Abschlussbericht über die Schweizer Ermittlungen zur Herkunft der mutmaßlichen NSU-Tatwaffe vermerkt haben, dass es der Kantonspolizei von Bern "nicht möglich war, den Verkaufsweg der Ceska-Pistole nachzuvollziehen". Dieser Verkaufsweg ist aber eines der Indizien für den Tatverdacht gegen den früheren NPD-Funktionär Wohlleben und gegen Carsten S. Beate Zschäpe gilt als letzte Überlebende der mutmaßlichen Terrorzelle NSU. Ihr und vier weiteren Angeklagten wird seit Mai 2013 in München der Prozess gemacht. Sie muss sich unter anderem wegen Mittäterschaft verantworten.