[MA] Zwischenfazit zur Auseinandersetzung um den Abriss der Carl-Benz-Straßen Häuser

Wem gehört die Stadt? (1)

Seit einigen Jahren häufen sich in Mannheim die Konflikte um die Verdrängung einkommensschwacher Menschen und die Neugestaltung innenstadtnaher Stadtteile. Vielen Menschen dürfte diese Entwicklung erstmals mit der Ansiedlung der Popakademie im migrantisch geprägten Jungbusch und der anschließenden hochpreisigen Neubebauung des Stadtteils ins Bewusstsein gerückt sein. Aktueller Hotspot der Verdrängungspolitik ist die Neckarstadt-Ost, wo ebenfalls seit Jahren Wohnhäuser luxussaniert werden und die Mieten durch die Decke gehen. Besonders pikant ist dabei, dass die entscheidenden Stellschrauben hier von der SPD regierten Stadt und der zu 100% in ihrem Besitz befindlichen Wohnungsbaugesellschaft GBG gedreht wurden: Man will weg vom Image als ArbeiterInnenstadt und hin zur „Creative-City“, die vor allem Gutverdiendende und Vermögende anlockt.


„Gemeinnützige Baugesellschaft“(GBG) wird zur kapitalistischen Gentrifizierungshelferin

Den aktuellen Höhepunkt dieser Entwicklung bildet der Abriss von  vier Häusern in der Carl-Benz Straße. Gebaut in den 1950er Jahren, und ohne Zweifel nicht im besten Zustand, boten die ca. 130 Wohnungen bezahlbaren Wohnraum mit Quadratmeterpreisen von 5€ für Menschen mit geringem Einkommen. Alle Vorschläge von BewohnerInnen und verschiedenen Initiativen gegen den Abriss und für den Erhalt sowie die Sanierung der Häuser wurden von der städtischen GBG abgeblockt. Stattdessen lässt die jahrelange Weigerung, die Wohnungen zu sanieren, solange es noch kostengünstig möglich gewesen wäre, darauf schließen, dass von Anfang an geplant war, die Häuser durch hochpreisige Neubauten zu ersetzen. Hinzu kommt, dass die zu erwartende Mietsteigerung auf über 11€ pro Quadratmeter Signalwirkung für den ganzen Stadtteil haben wird. Die bisherigen, teils jahrzehntelangen BewohnerInnen werden sich die zukünftigen Mieten auf jeden Fall nicht mehr leisten können und somit wird auch an dieser Stelle ein von der GBG bewusst einkalkulierter Bevölkerungsaustausch vollzogen. Die größte kommunale Wohnungsbaugesellschaft Baden-Württembergs entwickelt sich somit von der ursprünglich „Gemeinnützigen Baugesellschaft“ zu einer kapitalistischen Gentrifizierungshelferin.

 

Vielfältiger Protest und Solidarität

 

Von Anfang an regte sich ein erfreulich breiter Widerstand gegen die Pläne der GBG: Die kämpferische MieterInneninitiative „Fairmieten“ unterstützte die auszugsunwilligen BewohnerInnen und brachte das Thema in die Öffentlichkeit. Auch das stadtpolitische „Wem gehört die Stadt?“(WGDS) Bündnis mischte sich ein und linke Gruppen initiierten kontinuierlich Aktionen: Bei Stadtteilspaziergängen gab es spontane Aktionen gegen Luxussanierungsbaustellen und großflächige Plakatierungen im Stadtteil. In diesem Frühjahr kam es zu einer mehrtägigen Besetzung eines zum Abriss vorgesehenen Wohnblocks und der Protest wurde durch AktivistInnen und BewohnerInnen in die GBG-Zentrale getragen. Bei weiteren Aktionen wurde immer wieder die Rolle der GBG beleuchtet oder ganz praktisch die Häuser durch öffnen der Schlösser zum Wiedereinzug freigegeben.
Nicht zuletzt durchkreuzten aber vor allem einige BewohnerInnen die Pläne der GBG auf einen geräuschlosen Abriss, die sich trotz GBG-Propaganda und Scheinhilfsangeboten nicht aus ihren Wohnungen vertreiben lassen wollten und sich bis heute weigern, auszuziehen.

 

Demonstration mit AnwohnerInnen und Betroffenen

 

Dennoch begann die GBG am 23.06.2016 mit dem Abriss des ersten Wohnblocks. Kurzfristig wurde deshalb im Stadtteil für eine Demo am 23.07.2016 mobilisiert. Hier zeigte sich dann deutlich, wie blank die Nerven mittlerweile bei Stadt und GBG liegen: Die 150 DemonstrantInnen wurden von einem deutlich größeren, martialischen Polizeiaufgebot inklusive Reiterstaffel erwartet.
Die Demoroute schlängelte sich quer durch die Neckarstadt und machte zur Zwischenkundgebung an einem weiteren Sanierungsobjekt halt. Erfrischend für die Demo war sowohl das gemischte Publikum, das nicht nur aus linker Szene bestand, als auch die Redebeiträge durch betroffene Bewohnerinnen.
Ironischerweise tauchten kurz vor der Demo u.a. an der Route SPD- Plakate auf, die „1000 neue bezahlbare Wohnungen“ für Mannheim fordern.
Anscheinend sehen sich nun Teile der SPD, die über ihren Oberbürgermeister und ihre Sitze im GBG Aufsichtsrat genau diese Misere zu verantworten haben, zur Imagekorrektur gezwungen. Damit übertrifft sich die SPD mal wieder selbst, gegen selbstgeschaffene Probleme eine Lösung anbieten zu wollen.

 

Der Kampf geht weiter...

 

Die vergangenen Monate haben gezeigt, welch positive Dynamik sich durch gemeinsames Agieren verschiedener Initiativen und den direkt von sozialer Ausgrenzung Betroffenen entwickeln kann. Es wurde für  die politisch Verantwortlichen und die GBG deutlich, dass sie ihre Pläne nicht einfach geräuschlos durchziehen können. Dennoch reichte der Druck nicht aus, um den Abriss der ersten Häuser zu verhindern. Es wird nun darauf ankommen, die verbliebenen MieterInnen in ihrem Kampf solange zu unterstützen, wie sie diesen führen möchten und anschließend nicht alleine zu lassen.
Darüber hinaus wird sich die wohnungs- und stadtpolitische Lage in Mannheim ohne gemeinsamen Widerstand nicht verbessern. In den Quadraten entstehen aktuell neue Luxusquartiere, die Verdrängung der aktuellen BewohnerInnen im Jungbusch erreicht eine neue Qualität und die Innenstadt soll im Zuge der Bundesgartenschau weiter aufgewertet werden.
In Gentrifizierungsprozessen zeigt der Kapitalismus seine Fratze: ärmere Menschen, Arbeitslose, MigrantInnen, Flüchtlinge passen nicht ins Bild und sollen an die Ränder der Städte gedrängt werden. Sie sollen ersetzt werden durch kaufkräftige Menschen. Somit wird auch Widerstandspotenzial verdrängt.

Wir werden uns gemeinsam mit hoffentlich vielen anderen gegen dieses Projekt der „Stadt der Reichen“ stellen – es gibt viel zu tun, packen wirs an!

 

GET UP! Mannheim August 2016 

 

GET UP! | facebook.com/GET-UP-Mannheim-873182452801367/home?ref=page_internal