Haft für Angriff auf Asylbewerber

Erstveröffentlicht: 
30.07.2016

Ein Freitaler soll mit einem Kumpel einen Iraker brutal verprügelt haben. Er schlug nicht das erste Mal zu.

 

Freital. Richterin Daniela Höllrich-Wirth wählt harte Worte: „Was haben Sie denn für die deutsche Gesellschaft geleistet? Wohl nichts“, sagt sie zum Angeklagten Ernst H. „Sie leben auf Kosten der Gesellschaft und haben noch eine negative Einstellung zu Ausländern. Warum denken Sie, Sie können sich das leisten?“ Vorher sprach die Richterin am Amtsgericht Dippoldiswalde den 22-jährigen Freitaler wegen vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung sowie Sachbeschädigung für schuldig.

 

Der Angeklagte soll Ende Oktober vergangenen Jahres an der Bushaltestelle Glück-Auf-Straße in Freital-Zauckerode einen Asylbewerber brutal verprügelt haben. Nachdem sie zusammen aus dem Bus gestiegen sind, soll er ihm laut Anklage einen Kopfstoß verpasst und weiter mit Fäusten auf ihn eingeschlagen haben, als der Iraker schon am Boden lag. Laut Zeugen folgen Tritte gegen den Körper und den Kopf. Ein Kumpel von Ernst H. war mit dabei und hat ebenfalls zugeschlagen. H. nennt vor Gericht den Namen des bis dahin unbekannten Mittäters. Der Staatsanwalt kündigt ein weiteres Ermittlungsverfahren an.

 

Vor Gericht gibt der Angeklagte die Schlägerei zwar zu, sagt aber er könne sich nicht mehr an den genauen Hergang erinnern – zu viel Alkohol sei an diesem Tag geflossen. Die im Krankenhaus abgenommene Blutprobe ergab einen Wert knapp unter zwei Promille Alkohol, zudem hatte Ernst H. Reste von Crystal im Blut. „Es war brutal“, sagt eine Zeugin am zweiten Verhandlungstag. „Einer hat gegen den Kopf getreten, als wäre er ein Fußball.“ Die fast 70-jährige Freitalerin ist dazwischengegangen – und hat möglicherweise Schlimmeres verhindert. „Ich habe einen am Arm gepackt und etwas wie ‚Jetzt ist Schluss hier‘ geschrien“, erzählt sie. „Dann sind sie abgehauen wie die Katzen.“ Sie habe den verletzten 19-Jährigen zum Arzt gebracht und kümmere sich seitdem um ihn. „Wissen Sie, ich habe mich bei ihm entschuldigt für ihre Tat “, sagt sie zum Angeklagten. „Ich bin auch Deutsche, und ich schäme mich für Sie.“ Zwei weitere Zeugen bestätigen die Anklage. Sie saßen mit in dem Bus, kennen den Angeklagten aus Jugendzeiten und haben geholfen, ihn zu identifizieren.

 

Ernst H. habe sich damals in einer mentalen Ausnahmesituation befunden, sagt H.s Verteidiger. In der Zeit, als er mit seiner Freundin zusammen war, hatte er Alkohol und Drogen abgeschworen. Doch dann beendete sie die Beziehung und ließ den jungen Mann das gemeinsame Kind nicht sehen. „Das hat er nicht verkraftet.“ Ernst H. wird auch der Angriff auf einen anderen Mann zur Last gelegt, der mit seiner Ex-Freundin im Auto saß. Passiert ist dies fünf Tage vor der Attacke auf den jungen Flüchtling. Dazu kommt noch der Vorwurf der Sachbeschädigung: Der Angeklagte soll im März 2015 die Scheibe eines Friseurgeschäfts auf der Dresdner Straße in Freital eingeschlagen haben.

 

Der Anwalt plädiert auf Bewährung, eine Therapie und Gewalttraining. „In gefestigten Bahnen kann mein Mandant sich gesetzeskonform verhalten.“ Richterin Höllrich-Wirth sieht das anders. Sie verurteilt Ernst H. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten – ohne Bewährung. „Das war keine Ausnahmesituation, das ist Ihr altes Verhaltensmuster“, sagt sie. Schon 2011 wurde Ernst H. wegen Körperverletzung zu einer Jugendstrafe verurteilt. Damals hatte er mehrere Personen geschlagen, unter anderem auch so hart, dass Lebensgefahr für das Opfer bestand. „Sie haben in erster Linie Mitleid mit sich selbst“, sagt die Richterin. „Wenn Sie Probleme haben, trinken Sie, nehmen Drogen und lassen ihren Unmut an Schwächeren aus.“ Eine Wende im Leben des Angeklagten sei nicht erkennbar. „Es muss nun ein Achtungssignal geschehen, damit Sie begreifen, dass es so nicht weitergeht.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.