Am 21. Juni 2016 ist die Edelweißpiratin Gertrud "Mucki" Koch aus Köln gestorben. Zu ihrem Gedenken hielten wir eine Rede bei der Demonstration "a monday without you - rechte Strukturen offenlegen!" am Legida-Montag am 4. Juli 2016 in Leipzig.
Liebe Antifaschist_innen,
wir wollen diese Demonstration gegen das braune Pack in Leipzig dafür nutzen, um einer Frau zu Gedenken, die in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft organisierten Widerstand geleistet hat. Am 21. Juni 2016 starb Getrud Koch, genannt Mucki. Mucki war eine Edelweißpiratin im rheinischen Köln und hat zusammen mit ihren Freundinnen und Freunden den Nationalsozialismus bekämpft, indem sie antifaschistische Flugblätter verteilten, Wände mit Parolen bemalten und militante Aktionen gegen die Hitler-Jugend durchführten. Gemeinsam mit ihrer Mutter, einer Kommunistin, die in der Roten Hilfe aktiv war, unterstützte Mucki die Kinder von Genossinnen und Genossen, die im Knast oder im KZ gelandet waren. Auch mit den politischen Gefangenen selbst übten Mucki und ihre Mutter praktische Solidarität, indem sie Essen für diese sammelten. Auch Muckis Vater war aktiver Kommunist und wurde vom NS-Staat ins Konzentrationslager Esterwege deportiert. Im KZ Börgermoor wurde er schließlich ermordet.
Mucki beschreibt in ihrem Buch „Edelweiß – meine Jugend als Widerstandskämpferin“, wie sie als Kind heimlich die kommunistischen Treffen in der Küche ihrer Eltern mitanhörte und die Sorgen der Genoss_innen aufgrund von Hitlers Machtübernahme mitbekam. Bis 1933 war sie bei den kommunistischen Jungen Pionieren aktiv, nach der NS-Machtübernahme gründete sie gemeinsam mit anderen Jugendlichen die Edelweiß-Gruppe, die aus Strukturen der Wandervögel hervorgegangen war. Muckis Gruppe war der GESTAPO ein Dorn im Auge und nach einer spektakulären Aktion, bei der es antifaschistische Flugblätter im Kölner Hauptbahnhof regnete, wurde die Repression intensiviert. Ein Treffen von widerständischen Jugendlichen aus dem Rheinland, bei dem auch Mucki zugegen war, wurde von der GESTAPO gestürmt, viele junge Edelweißpirat_innen verhaftet. Mucki wurde in das berüchtigte ELDE-Haus in Köln, einen GESTAPO-Knast, gebracht. Später wurde sie in den GESTAPO-Knast in der Abtei Brauweiler verlegt. Besonders vom GESTAPO-Mann Josef Hoegen wurde sie mit Schlägen gefoltert, um sie zum Verrat ihrer Strukturen und Freund_innen zu bewegen. Mucki weigerte sich zu reden und hielt während ihrer gesamten Inhaftierung dicht.
Nach neun Monaten gelang ihr die Flucht aus Brauweiler. Gemeinsam mit ihrer Mutter schlug sie sich bis ins Allgäu durch, wo sich beide bis zur Befreiung durch französische Truppen bei einem Bergbauern versteckten. Nach dem Krieg lernte sie ihren Mann Willy kennen. Beide waren nach 45 in der Kommunistischen Partei Deutschlands aktiv. Und auch nach dem Krieg schlug der deutsche Staat zu und brachte Willy wegen Mitgliedschaft in der nun verbotenen KPD in den Knast.
Besonders wichtig waren für Mucki immer die Lieder der Wandervogelbewegung und die Edelweiß-Piraten-Lieder, die sie auch lange nach Kriegsende noch gemeinsam mit ihrem Mann sang. In den letzten Jahren ihres Lebens trat sie vor Schüler_innengruppen und auch vor jungen Antifaschist_innen auf und erzählte von ihrer Zeit im Widerstand gegen das Nazi-Regime. Zur Entstehung des Namens „Edelweiß-Piraten“ erzählte sie dem antifaschistischen Polit-Café Azzoncao in einem Interview: „1941 müßte das gewesen sein. In der Zeit haben wir uns einen Namen gesucht und haben überlegt und überlegt. Wir hatten die wildesten Namen. So sind die Männer bei den Indianerstämmen hängen geblieben. Aber ich habe gesagt, dass gefällt mir nicht. Lass uns mal weiter überlegen. Da haben wir abends vor dem Zelt gesessen. Oben am Felsensee, am Lagerfeuer. Und wir haben überlegt. Der eine wollte den Namen, der andere den Anderen. Und dann hab ich gesagt, wie ist es denn damit? Da gibt es eine Blume, die blüht ganz oben in den Gebirgen und steht unter Naturschutz. Die heißt Edelweiss. Und da war das Wort gefallen. Da hießen wir Gruppe Edelweiss. Und als wir damals verhaftet wurden, und bei der GeStaPo waren und Schläge eingesteckt hatten. Da hießen wir das Piraten-Pack. Also Edelweisspiraten. Und den haben wir bis heute behalten. Und der wird auch nicht abgelegt. Der bleibt. Da sind wir stolz drauf.“
Mit Mucki Koch ist nun die letzte bekannte Edelweißpiratin verstorben. Die Notwendigkeit des antifaschistischen Kampfes ist leider immer noch gegeben. Lasst uns diesen Kampf mit Mucki im Herzen weiterführen!