Fotojournalistin ausspioniert.Die Fotografin Marily Stroux wird seit über 25 Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet – als „bedeutende Person innerhalb der linksextremistischen Szene“

Erstveröffentlicht: 
28.06.2016

HAMBURG taz | Die Ham­bur­ger Fo­to­jour­na­lis­tin und taz-Fo­to­gra­fin Ma­ri­ly Stroux ist seit mehr als 25 Jah­ren vom In­lands­ge­heim­dienst aus­spio­niert wor­den. Das hat das Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz in Ham­burg auf An­fra­ge ein­ge­räumt. Auch die ver­deck­te Staats­schutz-Er­mitt­le­rin Maria B. des Ham­bur­ger Lan­des­kri­mi­nal­am­tes war in ihrer Un­der­co­ver-Zeit unter den Tarn­na­men „Maria Block“ auf Strouxs Um­feld an­ge­setzt und hat Be­rich­te über sie an den Ver­fas­sungs­schutz wei­ter­ge­lei­tet. „Be­rich­te über ganz nor­ma­le Ter­mi­ne, die ich als Jour­na­lis­tin und als taz-Fo­to­gra­fin wahr­ge­nom­men habe“, sagt Stroux.

Vor drei Jah­ren hatte die Ham­bur­ge­rin grie­chi­scher Her­kunft mit dem Ge­dan­ken einer Ein­bür­ge­rung ge­spielt, nach­dem SPD-Bür­ger­meis­ter Olaf Scholz alle lange in Ham­burg le­ben­den Mi­gran­ten an­schrei­ben ließ. „Das war für mich vor­her nie ein Thema, aber wegen der Eu­ro-Kri­se war mir der Ge­dan­ke ge­kom­men, dass man mich ab­schie­ben könn­te, wenn Grie­chen­land nicht mehr zur EU ge­hört.“

Über ihre An­wäl­te Ünal Zeran und Cars­ten Ge­ri­cke be­an­trag­te Stroux beim Ham­bur­ger Ver­fas­sungs­schutz, der bei Ein­bür­ge­run­gen von den zu­stän­di­gen Be­hör­den re­gel­haft ein­ge­schal­tet wird, Aus­kunft dar­über, ob per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten über sie ge­spei­chert sind.

Antwort nach drei Jahren

Jetzt, drei Jahre spä­ter, hat Stroux Ant­wort be­kom­men. Über sie seien Daten im nach­rich­ten­dienst­li­chen In­for­ma­ti­ons­sys­tem Nadis der Ver­fas­sungs­schutz­be­hör­den von Bund und Län­dern er­fasst. Dem In­lands­ge­heim­dienst lägen „Er­kennt­nis­se vor, die tat­säch­li­che An­halts­punk­te für den Ver­dacht be­grün­den“, dass Stroux sich „zu­min­dest seit 1988 an Ak­ti­vi­tä­ten links­ex­tre­mis­ti­scher Be­stre­bun­gen be­tei­ligt“ habe. Als Indiz nennt der In­lands­ge­heim­dienst ihr En­ga­ge­ment im „In­itia­tiv­kreis für den Er­halt der Ha­fen­stra­ße“, dem Mitte der 1980er-Jah­re auch Rich­ter, An­wäl­te, Pro­mis, Po­li­ti­ker, Po­li­zis­ten, Pas­to­ren, Künst­ler und Hoch­schul­pro­fes­so­ren an­ge­hör­ten, der sich da­mals für den Er­halt der be­setz­ten Häu­ser am Ha­fen­rand ein­setz­te.

In der Tat war Stroux in den Jah­ren als taz-Fo­to­gra­fin bei Po­li­zei­ein­sät­zen zu­ge­gen ge­we­sen und ge­hör­te wäh­rend der not­stands­mä­ßi­gen „Bar­ri­ka­den­ta­ge“ von 1987 zu einer Hand­voll Jour­na­lis­ten, die Zu­gang zur ver­bar­ri­ka­dier­ten Häu­ser­zei­le und den Be­woh­nern hat­ten.

Dass nach dem Be­frie­dungs­ver­trag und dem Rück­tritt von Bür­ger­meis­ter Klaus von Dohn­a­nyi (SPD) der Kon­flikt nicht zu Ende sein werde, war für die Do­ku­men­ta­rin klar, so­dass sie die Ent­wick­lun­gen fo­to­gra­fisch wei­ter haut­nah ver­folg­te. Spä­ter soll­te sie für ihre Fo­to­do­ku­men­ta­ti­on „Das Leben in der Ha­fen­stra­ße“ Aus­zeich­nun­gen der Hoch­schu­le für bil­den­de Küns­te und der Pa­trio­ti­schen Ge­sell­schaft in Ham­burg be­kom­men.

Engagement für Geflüchtete

 

Dass sich Stroux so­wohl jour­na­lis­tisch als auch per­sön­lich für die Si­tua­ti­on von Ge­flüch­te­ten en­ga­gier­te, die in Ham­burg bis An­fang 1993 auf Wohn­schif­fen am Fisch­markt un­ter­ge­bracht waren, ist eben­falls für den Ge­heim­dienst links­ex­trem ver­däch­tig. Für ihre Aus­stel­lung über das „Woh­nen auf den Flücht­lings­schif­fen“ er­hielt sei einen Preis der Wohl­fahrts­ver­bän­de. Und auch dass Stroux die Ar­beit der In­itia­ti­ve „Kein Mensch ist il­le­gal“ be­glei­te­te und un­ter­stütz­te, wird vom Ver­fas­sungs­schutz als ein Indiz für ihre Ver­fas­sungs­feind­lich­keit ge­nannt. So gibt es de­tail­lier­te Be­rich­te in Strouxs Ge­heim­dienst­dos­sier über Ak­tio­nen gegen die In­nen­mi­nis­ter­kon­fe­renz in Ham­burg 2010, der Grün­dung der „An­ti­ra-Knei­pe“ in der Ha­fen­stra­ße oder über in­halt­li­che Dif­fe­ren­zen bei dem in­ter­na­tio­na­le No Bor­der Camp 2009 auf der grie­chi­schen Insel Les­bos. „Diese In­for­ma­tio­nen kann der Ver­fas­sungs­schutz nur von Maria (die Spio­nin Maria Block, Anm. d. Red.) haben, die auf Les­bos dabei ge­we­sen ist“, so Stroux.

Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass die 31 auf­ge­zähl­ten Er­eig­nis­se, die die Ver­fas­sungs­schüt­zer zu der Be­wer­tung ver­an­las­sen, dass Stroux als „be­deu­ten­de Per­son in­ner­halb der links­ex­tre­mis­ti­schen Szene ge­wer­tet“ wer­den müsse, nicht die ein­zi­gen Daten sind, die noch von ihr ge­spei­chert sind – zumal die of­fi­zi­el­le Samm­lung völ­lig feh­ler­haft ist. „Da sind Sa­chen auf­ge­lis­tet, wo ich zum Zeit­punkt nach­weis­lich in Grie­chen­land war,“ sagt Stroux. So be­han­delt der In­lands­ge­heim­dienst Da­ten­sät­ze als Ver­schluss­sa­che, da sonst „Nach­rich­ten­zu­gän­ge des Ver­fas­sungs­schut­zes ge­fähr­det sein kön­nen“.

Stroux hält die Über­wa­chung ei­ner­seits für lä­cher­lich: „Vor was haben die ei­gent­lich Angst?“, fragt sie. „Wäh­rend die Nazis un­ge­stört Flücht­lings­un­ter­künf­te an­grei­fen und Men­schen er­mor­den, wer­den Men­schen, die an­ti­ras­sis­ti­sche Ar­beit leis­ten, ver­folgt, ob­ser­viert und kri­mi­na­li­siert.“ Die Prak­ti­ken des In­lands­ge­heim­diens­tes hält sie aber für ge­fähr­lich: „Wenn ich eine junge Kran­ken­schwes­ter auf Job­su­che wäre, dann wäre so ein Pa­pier töd­lich.“