Podiumsdiskussion in Wasungen "Gesamtgeschehen können wir niemals abbilden"

Erstveröffentlicht: 
17.06.2016

Die MDR-Fernsehübertragung des Wasunger Karnevalumzuges 2016 war am Donnerstagabend Thema einer Podiumsdiskussion. Dabei wurden im Bürgerhaus Paradies in Wasungen erneut die unterschiedlichen Ansichten deutlich.

 

Rund 90 Wasunger waren gekommen. Viele von ihnen warfen dem MDR vor, die Liveübertragung des Umzugs zensiert zu haben. So seien drei Karnevalsgruppen nicht gezeigt worden, weil ihr politisches Thema dem MDR nicht gefallen habe. Der Wasunger Karnevalspräsident Martin Krieg sagte, besonders auffällig sei das beim so genannten "Balkan-Express" gewesen. Bei der Livesendung sei er nicht gezeigt worden, dafür am Abend im MDR THÜRINGEN JOURNAL. Dort aber habe die Moderatorin den Karnevalisten vorgeworfen, sie bewegten sich mit dem "Balkan-Express" an der Grenze zur Volksverhetzung.

 

In Anlehnung an die Flüchtlingsdebatte hatte der Karnevalswagen die Aufschrift "Die Plage kommt" getragen, Narren umschwärmten ihn als verkleidete Heuschrecken. Die Wasunger Karnevalisten gaben an, es habe sich um Grashüpfer gehandelt.

 

MDR LANDESFUNKHAUS-Direktor Boris Lochthofen wies die Vorwürfe entschieden zurück. Bei einer Liveübertragung habe niemand das Anrecht darauf, dass alles gezeigt werde, auch die Wasunger Karnevalisten nicht. Beim Balkan-Express sei genau im Augenblick seines Erscheinens die Sendezeit zu Ende gewesen. Als Livestream im Internet sei die Übertragung aber weitergegangen. Von Zensur könne also keine Rede sein. Zugleich wurde Lochthofen grundsätzlich: "Der MDR hat den Auftrag, über etwas zu berichten. Doch ein Gesamtgeschehen können wir niemals abbilden. Das schafft kein Medium." Das Hinterfragen von Geschehnissen gehöre zum journalistischen Handwerk. Deshalb sei im MDR THÜRINGEN JOURNAL über den fragwürdigen Balkan-Express berichtet worden.

 

Der Chefredakteur der Regionalzeitung "Freies Wort", Walter Hörmann, sprach im Zusammenhang mit der MDR-Livesendung von Missverständnissen. Bei ihm dränge sich der Verdacht auf, "dass da etwas weggelassen wurde". Ob bewusst oder unbewusst, könne er nicht beurteilen. Lochthofen entgegnete, es gehe nicht darum, sich zu rechtfertigen, sondern zu versuchen, etwas mehr Verständnis für die Gegenseite zu erwecken. Im Übrigen habe nicht ein einziger Journalist des "Freien Worts" bei MDR THÜRINGEN angerufen, um den Sender mit den Vorwürfen gegen ihn zu konfrontieren. Vielmehr seien die Vorwürfe gegen den MDR mehrfach ungeprüft in der Zeitung abgedruckt worden.

Der Moderator der Debatte, Superintendent Johannes Haak, zugleich Vorsitzender der Thüringer Landesmedienanstalt, erklärte in seinem Schlusswort, es seien Fragen offen geblieben. Vielleicht gebe es ja eine zweite derartige Diskussion. MDR LANDESFUNKHAUS-Direktor Lochthofen sagte, er nehme einige Erkenntnisse mit. Der Abend habe geholfen, den "Kompass zu richten. Wir müssen bei unserer Arbeit auch genau hinschauen, was passiert mit den Leuten vor Ort, über die wir berichten".

 

Die Wasunger Karnevalisten hatten nach mehr als 20 Jahren die Zusammenarbeit mit dem MDR aufgekündigt. Nach Angaben von Lochthofen wird der MDR über den Thüringer Karneval weiterhin intensiv berichten - nur eben nicht mehr aus Wasungen.