Schuldspruch gegen Klingler: AfD-Stadtrat in Erklärungsnot

Erstveröffentlicht: 
14.06.2016

Ein knallhartes Urteil – und eine wachsweiche Reaktion. Trotz des Schuldspruchs wegen Untreue hält die AfD offenbar an ihrem Fraktionssprecher im Stuttgart Gemeinderat fest. Man erkläre sich mit Bernd Klingler „solidarisch“, hieß es am Dienstag.

 

Schwerer Schlag für den Fraktionssprecher der Alternative für Deutschland (AfD) im Stuttgarter Gemeinderat: Bernd Klingler (48) wurde am Dienstag vom Amtsgericht Bad Cannstatt in allen An­klagepunkten schuldig gesprochen. Nach Überzeugung von Amtsrichterin Karin Langner hat Klingler in den Jahren 2013 und 2014, als er noch die FDP im Gemeinderat anführte, für private Zwecke in die Fraktionskasse gegriffen. Rund 23 500 Euro soll er unter anderem für den Kauf eines Autos verwendet haben. Weitere 12 500 Euro habe er im Jahr 2014 vom Fraktionskonto abgehoben, vermutlich um private finanzielle Engpässe zu überbrücken, so Langner sinngemäß. Dieses Geld habe er allerdings – wenn auch erst auf Drängen seiner Parteifreunde – später wieder zurückgezahlt.

 

Unterm Strich verurteilte die Richterin Klingler zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre. Zudem muss Klingler in Raten 5000 Euro als Strafe an die Staatskasse überweisen. Damit folgte die Richterin der Forderung der Staatsanwaltschaft Stuttgart.

 

Klingler beteuerte auch nach dem Urteilsspruch seine Unschuld: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, sagte er. Das Geld, das er der Fraktionskasse entnommen habe, habe er auch für die Fraktion eingesetzt. Unter anderem will er 80 000 Werbeblättchen, sogenannte Flyer, für die Fraktion bestellt und verteilt haben. Genau das hat ihm Richterin Langner aber nicht geglaubt. Sie geht nach der Vernehmung mehrerer Zeugen und den Ermittlungen der Polizei davon aus, dass es die 80 000 Flyer nicht gab und Klingler sich für das Geld ein Auto kaufte. Und selbst wenn es die Flyer gegeben hätte, so Langner, wäre es trotzdem Untreue gewesen. Denn eine derart große Zahl an Werbezetteln wäre nach den Richtlinien der Stadt Wahlwerbung gewesen und hätte demnach von den Stadträten privat bezahlt werden müssen.

 

Ohne Klingler hätte die AfD weniger Macht und Geld

 

Klingler ist nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten Ende 2014 im Gemeinderat von der FDP zur AfD übergetreten.

Mit Klinglers Übertritt wurde aus der zuvor dreiköpfigen AfD-Gruppierung im Gemeinderat nach den Statuten eine richtige Fraktion. Seitdem stehen der AfD im Gemeinderat nach früheren Angaben der Stadt im Jahr rund 121 500 Euro nebst Mitteln für Assistenz und das Büropersonal zu. Die FDP verlor im Gegenzug durch Klinglers Abgang den Fraktionsstatus und bekommt seitdem nur noch 49 000 Euro im Jahr.

 

Die Geldfrage könnte eine Rolle spielen, wenn die vierköpfige AfD-Fraktion an diesem Mittwoch die Lage nach dem Urteil gegen Klingler berät. Durch einen Ausschluss von Klingler würde die AfD wieder ihren Fraktionsstatus verlieren – und damit auch viel Geld. Andererseits hat Klingler zwar angekündigt, gegen das Urteil voraussichtlich in Berufung gehen zu wollen, das aber würde dauern und erneut Negativschlagzeilen machen, sollte der Fall vor dem Landgericht Stuttgart neu aufgerollt werden. Außerdem ist fraglich, ob Klingler vom Landgericht freigesprochen werden würde. Die Fakten, die Richterin Langner am Dienstag in ihrer rund einstündigen Urteilsverkündung gegen Klingler auflistete, beeindruckten auch Parteifreunde von ihm. AfD-Stadtrat Eberhard Brett, selbst Rechtsanwalt, zeigte sich danach „ganz erschüttert“ und weigerte sich, eine Einschätzung über Klinglers politische Zukunft abzugeben. Er müsse jetzt erst mal einen Kaffee trinken, sagte er. Später gab die AfD eine Presseerklärung heraus, in der sich sowohl der Kreisvorstand als auch die Fraktion solidarisch mit Klingler erklärte: „Er hat als Parteimitglied, bei seiner politischen Arbeit und bei seiner weiteren juristischen Vorgehensweise die volle Unterstützung seiner Fraktionskollegen und der Vorstandsmitglieder“, hieß es in der Erklärung.

 

Richterin wirft Klingler „versuchte Augenwischerei“ vor

 

Strafmildernd wirkte sich laut Richterin Langner aus, dass Klingler bislang strafrechtlich nicht negativ in Erscheinung getreten sei und sich politisch massiv engagiere. Ansonsten ließ sie an dem, was der Angeklagte zu seiner Verteidigung vorgebracht hatte, kein gutes Haar. Sie nannte Klinglers Erklärungen für die Verwendung der Fraktionsgelder wahlweise „völlig unglaubhaft“ oder gar „versuchte Augenwischerei“. Nach ihren Angaben haben sich einige der Beteuerungen von Klingler im Zuge der Ermittlungen als haltlos erwiesen, teilweise hätten ­seine Erklärungen auch mehrfach je nach Beweislage gewechselt.

 

Klingler wiederum beklagte, dass die Richterin Entlastendes überhaupt nicht berücksichtigt habe. Die Urteilsbegründung habe „viel Falsches“ enthalten, er habe sich während der Verlesung durch die Richterin „extrem zusammenreißen“ müssen.