Proteste: Wolfgang Gedeon (AfD) bei Podiumsdiskussion

Erstveröffentlicht: 
11.06.2016

„Rechtsruck als Protest?“ Auf dem von Tübinger Rhetorik-Studierenden organisierten Podium saß auch der AfD-Abgeordnete Wolfgang Gedeon. Daher gab es Proteste aus den Zuhörer-Reihen.

 

Durch die aktuelle Debatte um die antisemitischen Äußerungen des AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon erhielt die seit Monaten geplante Podiumsdiskussion von Tübinger Rhetorik-Studierenden eine besondere Brisanz. Zum Thema „Alles nur Protest? – Rechtsruck in Deutschland“ hatten die Studierenden für Donnerstagabend Vertreter der Linken, der Jungen Union, der AfD und der Islamischen Gemeinschaft eingeladen.

 

„Wir wurden in den vergangenen Tagen von der Aktualität überrollt“, sagte Bernadette Schoog. Die TV-Moderatorin ist Lehrbeauftragte am Institut für Rhetorik und hatte die Podiumsdiskussion mit den Studierenden vorbereitet. Sie bat um Verständnis, dass es sich um eine von Studierenden organisierte Diskussion handele, die von langer Hand geplant gewesen sei. Deshalb werde sie sich nicht um die aktuelle Debatte rund um Gedeon drehen.

 

Wegen des erwarteten Andrangs war die Diskussion vom ursprünglich geplanten Veranstaltungsort Hölderlinturm in den Pfleghofsaal verlegt worden. Gedeon kam unter Polizeischutz zum Saal, weitere Beamte verfolgten den Abend mit rund 120 Zuhörern. Tatsächlich kam es nach Schoogs Einleitung zu Protesten: „Die Veranstaltung ist eine Schande. Dieser Typ ist ein Nazi“, meldete sich ein Mann aus dem Publikum zu Wort. „Kein Fuß breit den Faschisten!“, rief ein anderer.

 

Sich mit der AfD zum Gespräch an einen Tisch setzen? Seit einem Jahr werde diese Frage von Politikern landesweit diskutiert – letztlich hätten sich alle dazu bereit erklärt, sagte Joachim Knape, Direktor des Tübinger Rhetorik-Seminars. Miteinander zu reden, „das ist eine Kultur, die wir seit 500 Jahren an dieser Universität pflegen – und wir werden sie weiter pflegen“, sagte er. „Und wer das nicht ertragen kann, kann gehen.“ Polizei-Beamte führten die beiden weiter protestierenden Männer schließlich aus dem Raum. Die anderen Zuhörer blieben.

Die beiden Studierenden Caroline von Schmude und Martin Kott moderierten das Podium, auf dem neben Gedeon auch Georg Rieger (Jungen Union), Margrit Paal (Die Linke) und der Vorsitzende der Islamischen Gemeinde Baden-Württemberg, Muhittin Soylu, saßen.

 

Jörg Meuthen war als Podiums-Gast geladen

 

„Natürlich spüren wir als Muslime diesen Rechtsruck“, sagte Soylu. Das spiegele sich in den Angriffen auf Moscheen und auf Flüchtlingsunterkünfte sowie in persönlichen Angriffen wider. Eine antimuslimische Haltung sei mittlerweile weiter verbreitet, nicht mehr nur durch eine Randgruppe. Zuerst, so Soylu, habe die AfD die Flüchtlingsdebatte zum Stimmenfang genutzt, nun sei es ein antimuslimischer Kurs, den die Partei fahre.

 

Die Grundfrage sei, wie viel „fremde Kultur“ eine andere Kultur vertrage, sagte der AfD-Landtagsabgeordnete Gedeon: „Religiöse Unterschiedlichkeit verstärkt das Problem.“ Ein Großteil der Muslime, so Gedeon, lebe in einer Parallelwelt. Er sprach dabei undifferenziert von „dem Türken“ und „dem Muslim im Allgemeinen“. Auf Gedeons Behauptung, „die Türken mit zehn bis 15 Kindern“ würden Begünstigungen durch Sozialversicherungen erhalten, erwiderte Soylu: „Das ist nichts anderes, als Fremdenhass zu schüren.“ Soylu ist unter anderem Mitglied im Integrationsbeirat der Stadt Ludwigsburg. „Das friedliche Zusammenleben ist gefährdet, dafür sollten wir keine Plattform liefern“, sagte er. Soylu regte zum gegenseitigen Austausch innerhalb der Gesellschaft an: „Wir leben sei Jahrzehnten zusammen, aber wir wissen oft zu wenig übereinander.“

 

Mit ihrer Innen- und Außenpolitik suche die AfD nach Hassobjekten, so Rieger, etwa im Judentum und im Islam: „Das darf in keinem Fall sein.“ Der Kreisvorsitzende der JU deutete den Rechtsruck als Protest unter anderem gegen die Flüchtlingspolitik und „im breiten Sinne“ gegen politische Entwicklungen: Es sei versäumt worden, die Globalisierung ausreichend als eine positive Entwicklung zu erklären. „Rechtsruck“ sei eine verharmlosende Bezeichnung für das, was derzeit passiere, befand die Linken-Kreisrätin Paal. Es sei „abenteuerlich, wie rassistisch und stereotyp“ Gedeon argumentiere.

 

Erst provozieren, dann relativieren: Mit diesem Verhalten haben AfD-Politiker in den vergangenen Wochen mehrmals Aufmerksamkeit erregt. Rieger deutete dieses Vorgehen als Stimmen-Fang im extrem rechten Spektrum. Keine bewusste Strategie stecke dahinter, behauptete hingegen Gedeon. Gegenüber dem TAGBLATT erklärte Seminarleiterin Schoog, die Studierenden hätten ursprünglich den AfD-Fraktionsvorsitzenden Jörg Meuthen zur Diskussion eingeladen. Letztlich hätten sie kurzfristig von Meuthens Referat Gedeon als Podiumsteilnehmer zugewiesen bekommen.