[S] Wasserwerfer und "Schikane" für Gegendemo

Erstveröffentlicht: 
27.04.2016

Zum AfD-Bundesparteitag am Wochenende werden hunderte Gegendemonstranten erwartet. Sie fühlen sich von den Behörden schikaniert. Offenbar ist noch unklar, wo sie protestieren dürfen.

 

Der zweitägige Bundesparteitag der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) auf dem Gelände der Messe Stuttgart in Leinfelden-Echterdingen wird von umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Mehr als 1.000 Polizisten stehen nach Auskunft des Reutlinger Polizeipräsidiums bereit.

 

Eskalation bei Gegendemo erwartet

 

Die Polizei habe Informationen, wonach Demonstranten aus der linksradikalen Szene zum Protest gegen den Parteitag anreisen. Polizeipräsident Hans-Dieter Wagner warnte vor einer Eskalation der Gewalt. "Ähnliche Szenarien wie bei der Neueröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt 2015, bei denen wahllos Fahrzeuge aus purer Zerstörungswut in Brand gesetzt wurden, sind nicht auszuschließen", sagte Wagner am Mittwoch in Reutlingen. In der Bankenmetropole war es im März 2015 zu einem massiven Gewaltausbruch mit mehr als 220 verletzten Polizisten und Demonstranten gekommen. An der Stuttgarter Messe stehen nach Polizeiangaben mehrere Wasserwerfer bereit.

 

Beim Thema Wasserwerfer werden in Stuttgart und Umgebung Bilder vom aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz 2010 gegen Stuttgart-21-Gegner in Erinnerung gerufen. Bei dem vom Verwaltungsgericht inzwischen als rechtswidrig eingestuften Einsatz gab es mehr als 160 Verletzte.

 

Der Einsatz von Wasserwerfern wird bundesweit in der Polizeidienstvorschrift PDV 122 geregelt. Als Konsequenz aus dem eskalierten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner im Stuttgarter Schlossgarten wurde dazu 2012 ein Landesteil erlassen. In diesem Teil ist nach Angaben des Innenministeriums Baden-Württemberg unter anderem die Aufstellung eines Sanitäts- und Rettungskonzepts vorgesehen.

 

Polizei befürchtet Blockade der A8

 

Ein gegen den Bundesparteitag gerichtetes Aktionsbündnis aus 44 Organisationen plant, am Samstag ab 7.00 Uhr eine Mahnwache bei der Messe. Nach Angaben der Stadt Leinfelden-Echterdingen wurde eine Demonstration mit rund 1.000 Teilnehmern angemeldet und genehmigt. Die Polizei rechnet mit erheblichen Störungen und "unfriedlichem Protest". Sie könne auch eine Blockade der A8 nahe der Messe nicht ausschließen. Deshalb gilt auf dem angrenzenden Autobahnabschnitt ein Tempolimit. Auch der Flughafen mahnte Passagiere, mehr Zeit für die Anfahrt einzurechnen. Der Flughafen liegt genau an der Messe Stuttgart. Es könne ab frühen Samstagmorgen auf den Zufahrten zu Messe und Flughafen zu Verkehrsbehinderungen kommen. Auch im Bereich der S-Bahn-Station seien Störungen möglich.

 

Protestkundgebung außer Sicht- und Hörweite?

 

Die Organisatoren des Protestes fühlen sich indessen von den Behörden schikaniert. Polizei und Ordnungsamt der Stadt Leinfelden-Echterdingen wollten die Proteste und Kundgebung gegen das Parteitreffen auf einen Ort außer Sicht- und Hörweite drängen, erläuterten Vertreter des Aktionsbündnisses am Mittwoch in Stuttgart. Damit werde die Versammlungsfreiheit verletzt. Die Stadt Leinfelden-Echterdingen wies das zurück. Die Verlegung von dem Gebiet der Messe auf ein anschließendes Fernbusterminal sei erforderlich gewesen, um einen Korridor für einen Rettungswagen freizuhalten.

 

Das Aktionsbündnis will beim Verwaltungsgericht klagen, sobald der Auflagenbescheid der Stadt Leinfelden-Echterdingen bei ihm eingeht. Dieser sollte noch am Mittwochnachmittag verschickt werden, wie eine Stadtsprecherin sagte.

 

Zwei Protestveranstaltungen in der Stuttgarter Innenstadt

 

In der Stuttgarter Innenstadt sind für den Samstag zwei weitere Demonstrationen angekündigt. Dabei soll nach Auskunft der Polizei kein Wasserwerfer eingesetzt werden. Am Mittag soll es eine Kundgebung sowie eine Marsch durch die Innenstadt geben. Ein Bündnis hatte dazu aufgerufen, dem antifaschistische Gruppen angehören und auch Jugendorganisationen von Grünen, SPD und ver.di Stuttgart. Die Veranstalter rechnen mit 2.000 Teilnehmern. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erwartet zu einer Veranstaltung am Abend 300 Demonstranten.

 

Grundsatzprogramm der AfD auf der Tagesordnung

 

Zu dem Bundesparteitag werden rund 2.000 Mitglieder der AfD erwartet. Im Unterschied zu anderen Parteien, bei denen Landesverbände Delegierte zu den Bundesparteitagen schicken und so die Gesamtzahl der Teilnehmer überschaubar ist, kann beim Treffen der AfD jeder kommen, der ein Parteibuch besitzt und sich rechtzeitig angemeldet hat. Die AfD will ein Grundsatzprogramm beschließen. Das Papier umfasst 74 Seiten.