In Stolberg findet am 3. April im dritten Jahr in Folge eine neonazistische Großdemonstration statt. Auch dieses Jahr werden hunderte Neonazis im migrantischen Viertel aufmarschieren um ihren Rassismus auf die Straße zu tragen. Am selben Tag jährt sich zum sechsten Mal die antifaschistische Demonstration in Gedenken an Thomas Schulz, der von Neonazis in Dortmund ermordet wurde. Der Tod von Thomas steht beispielhaft für so viele vor ihm, die sich Neonazis in den Weg stellten und dafür mit ihrem Leben bezahlten. In seinem Fall in einer Stadt, in der die extreme Rechte massiven Zulauf verzeichnen kann und in der von offizieller Seite meist dazu geschwiegen wird oder das Problem schön geredet wird. Es werden am 03. April also zwei größere antifaschistische Aktionen in NRW stattfinden. Das ist bedauerlich, lies sich aber aus verschiedenen Umständen leider nicht mehr anders einrichten, u. a. weil eine Woche vorher Aktionen gegen die Aufmärsche von pro NRW und NPD in Duisburg stattfinden und eine Woche danach eine Antifa-Demo in Essen gegen dortigen Thor Steinar-Laden angemeldet wurde.“.
Mit dieser gemeinsamen Erklärung wollen wir euch über die Hintergründe der Demos in Stolberg und Dortmund informieren und an euch appellieren, beide Veranstaltungen (entweder personell oder werbetechnisch) zu unterstützen.
Rassistische Zustände
Auch die extreme Rechte gibt an diesem Tag vor zu gedenken. In Stolberg wurde vor drei Jahren ein Mensch in einer Auseinandersetzung zwischen jungen Männern erstochen. Bereits am Abend der Tat begann die örtliche NPD eine Märtyrerkampagne. Der Getötete wurde zu einem der ihren erklärt, der Angreifer gilt ihnen als Migrant. Dabei ging es laut Gericht nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Rechten und Migrant_innen, sondern um zwei junge Männer, die um eine Frau stritten. Dies ignorierten die Neonazis und instrumentalisierten den Tod für ihre Zwecke. Die Auseinandersetzung als politische Tat verklärt, strickte die extreme Rechte an ihrem Bild der „Ausländerkriminalität“.
Dieser Figur liegt ein völkisch-rassistisches Gesellschaftsbild zugrunde, das von einem Wesensunterschied verschiedener eigens dafür konstruierter Menschengruppen ausgeht. Menschen werden innerhalb dieser Ideologie auf ihre Herkunft (oder die ihrer Großeltern) reduziert und nach diesem Kriterium kategorisiert und hierarchisiert – ihnen werden unveränderliche Wesensmerkmale kollektiv zugeschrieben.
Die Funktion, die die Figur „Ausländerkriminalität“ für die extrem Rechte innehat, ist leicht zu durchschauen. So sollen Migrant_innen, die per se aus dem völkischen Gesellschaftsbild herausfallen, die als Feinde der Volksgemeinschaft betrachtet werden, mit dem Stigma der Kriminalität behaftet werden, um den Effekt der Ausgrenzung einer breiten Mehrheit schmackhaft zu machen. Leider funktioniert dieser „Trick“ allzuoft allzugut – auch hegemonial. So ist die neue Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Köhler, bekannt für die absurde Wortschöpfung der „Inländerfeindlichkeit“, die bisher der extremen Rechten in der Deutlichkeit vorbehalten war. Diese plumpe Ablenkung vom tatsächlichen gesellschaftlichen Problem des Rassismus negiert zudem jeden strukturellen Charakter dieses Herrschaftsinstrumentes. Oder welcher „Biodeutsche“ musste schon mal zum „Inländeramt“, ist von Abschiebung und institutioneller Diskriminierung bedroht oder betroffen?
Die Nazis und ihre Märtyer_innen
Zudem braucht die extreme Rechte das Märtyrergedenken, wie es sich in Stolberg zeigt, aber auch zu größeren Anlässen, wie dem Rudolf-Hess-Gedenken. Märtyrerkulte gehören seit jeher zur faschistischen Tradition und sind auch heute identitätsstiftend. Der Märtyrergedanke lässt die selbsternannten Herrenmenschen sich als Opfer fühlen. So wird die neonazistische Gemeinschaft auf den Kampf eingeschworen, für den jedes Opfer legitim erscheint. Extrem rechte und rassistische Gewalt wird so gerechtfertigt. Auch das politische Morden – wie in Dortmund – gehört zum Repertoire. Generiert wird das Bild eines starken, allen Umständen trotzenden, militaristischen, männlichen, politischen Soldaten. Nicht umsonst werden junge Neonazis auf das Vorbild SA eingeschworen. Gegen die angeblich eigene Unterdrückung werden ausgrenzende und machtstaatliche Ideologien forciert – Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Militarismus…
Auf geht’s!
Neofaschistischer Ideologisierung und Formierung kann und muss auf vielen Ebenen entgegen gearbeitet werden. Die antifaschistische Demonstration in Dortmund steht unter dem Motto „Linke Freiräume erkämpfen!“. Linke Politik, die Räume politisch besetzt, die offensiv agiert, statt sich ausschließlich dem Abwehrkampf hinzugeben, ist konkrete antifaschistische Politik, weil sie Nazis Räume nimmt und eigenständige linksradikale Inhalte fordert und lebt. Es soll zudem an Thomas‘ gewaltsamen Tod und allen anderen Opfern des Neonazismus erinnert werden. Sie alle sind keine Märtyrer_innen, ihr Tod war und ist nicht sinnstiftend – sie waren schlicht Menschen, die nicht ins neonazistische Wahnbild passten oder die sich faschistischer Gewalt und Propaganda in den Weg stellten. In Stolberg werden auch in diesem Jahr Antifaschist_innen den Neonazimarsch behindern, den Faschist_innen entgegentreten, die erneut durch das migrantische Viertel marschieren wollen.
Je mehr Zugänge zu antifaschistischer Politik es gibt, je breiter die Aktionsformen und je solidarischer die verschiedenen Strategien und Schwerpunkte aufeinander bezogen werden, desto effektiver ist Antifaschismus – gerade in einem Klima, in dem Spaltungen aller Art linke Politik schwächen.
In diesem Sinne rufen wir dazu auf, am 03.04.2010 nach Stolberg zu fahren, sich den Nazis in den Weg zu stellen oder nach Dortmund, um dort – in Gedenken an Thomas – für linke Freiräume zu demonstrieren.
Antifaschismus braucht Freiräume!
Naziaufmärsche verhindern!
AK Antifa Aachen
Antifaschistische Union Dortmund
Infos zu Dortmund gibt es hier: http://antifaunion.blogsport.de/2803-gedenkdemo/
Infos zu Stolberg gibt es hier: http://akantifaac.blogsport.de