LVZ vom 12.04.2016: "Tod im Wohnheim - Landgericht Leipzig: Prozess gegen zwei Rettungssanitäter"

Erstveröffentlicht: 
12.04.2016

Tod im Wohnheim Landgericht Leipzig: Prozess gegen zwei Rettungssanitäter - VON BASTIAN FISCHER Leipzig. - Vor dem Landgericht müssen sich seit Montag zwei Rettungssanitäter wegen des Vorwurfs der Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Freiheitsberaubung verantworten.

Rückblick: Am 20. März 2015 werden die beiden Männer für einen Krankentransport zur Behinderten-Wohnstätte in den Losinskiweg gerufen. Da der Patient, ein an Down-Syndrom und starker Intelligenzminderung leidender Mann, eine ausgeprägte Angst vor Sanitätern aufweist, werden die Männer gebeten, mit dem Transport bis zum Eintreffen seiner Mutter zu warten. Diese soll beruhigend auf ihren Sohn einwirken. Über das, was in den folgenden Minuten passiert, gibt es zwei Versionen. Vor allem der 50-jährige Jens K. habe die Anweisungen der Pfleger ignoriert, so Staatsanwältin Katrin Minkus in ihrer Anklage. Beim Versuch, das Ankleiden des Patienten zu beschleunigen, sei dieser in Panik geraten, habe K. am Revers gepackt und zu sich herangezogen. Dieser konnte das spätere Opfer zunächst gewaltsam im Sitzen fixieren, so die Anklage, trieb damit die Situation aber nur weiter zur Eskalation. Der sichtlich erregte Mann habe in der Folge zwei Pflegekräfte tätlich angegriffen und sei daraufhin von K. und dem hinzugeeilten Thomas R. zu Boden gerungen und dort erneut fixiert worden. Erst auf Eingreifen des Personals hätten sie von dem Mann abgelassen. Wenig später sei das Opfer – das wegen einer Lungenentzündung behandelt werden sollte – leblos zusammengesackt. Trotz der sofort von R. eingeleiteten Reanimation verstarb der Mann wenig später. „Sie haben durch körperliche Misshandlung und Körperverletzung den Tod des Patienten herbeigeführt und in Kauf genommen“, so Minkus zu den Ankgeklagten. Diese Argumentation wollten die Angeklagten so nicht gelten lassen. Er habe dem Patienten nicht nur aus Zeitdruck beim Ankleiden helfen wollen, sondern auch, weil dieser bei ihrem Eintreffen nur mit T-Shirt und Boxershorts bekleidet in dem kühlen Raum gesessen habe, so Jens K.. Die plötzliche Aggressivität habe ihn trotz 28-jähriger Berufserfahrung völlig überrascht. Angesichts dessen sei die Zwangsmaßnahme zwar rückblickend nicht optimal, aber nötig gewesen, betonte auch die Verteidigung. Jens K. sei zudem auch aus Sorge um die Pflegerinnen eingeschritten. Diese seien „froh“ über die Unterstützung gewesen. Vom Vorsitzenden Richter Hans Jagenlauf darauf angesprochen, wies eine Zeugin dies allerdings entschieden zurück. „Wenn wir Hilfe gebraucht hätten, dann hätten wir diese auch eingefordert.“ Sie und Anklägerin Minkus warfen K. zudem vor, einen Fußtritt in Richtung des Kopfs des bereits Liegenden ausgeführt zu haben – was dieser vehement bestritt. Einig waren sich beide Seiten lediglich darüber, dass Thomas R. gemeinsam mit einem Pfleger sofort mit der Reanimation begonnen hatte, nachdem das Opfer zusammengesackt war. Der 26-Jährige zeigte sich angesichts des tragischen Ausgangs deutlich mitgenommen. Er schlafe derzeit nur noch mit Hilfe von Tabletten. Gerade, weil er sehr an seinem Beruf hänge, belaste ihn die Situation sehr. „Was passiert ist, tut mir sehr leid“, bekräftigte er in Richtung der Mutter des Toten, die als Nebenklägerin auftritt. Der Prozess wird am 18. April fortgesetzt.