Die Wohnungsfrage als ein bautechnisches und Verwaltungsproblem

Squat

Ein Bericht von der Veranstaltung „Wozu Modul?“ des „Mieterechos“ und der INKW

Das „Mieterecho“ – die Mitgliederzeitung der Berliner Mietergemeinschaft (BMG) - und die „Initiative neuer kommunaler Wohnungsbau“ hatten am Montagabend, den 11. April 2016 in die Mediengalerie in der Berliner Dudenstraße zu einer Info- und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Wozu Modul?“ eingeladen.

 

Nach Jahren der Vernachlässigung haben Politik und der Markt den Wohnungsbau wieder entdeckt.“ hieß es im Einladungsflyer und weiter: Durch die aktuelle die Senatsankündigung, für die Geflüchteten „modulare Unterkünfte“ in Leichtbauweise zu errichten, stünde zu befürchten, dass nun die Not der Flüchtlinge benutzt werde, „um eine dauerhafte Absenkung der Wohnqualität für einkommensschwache Haushalte zu etablieren.“

 

Bereits im Dezember 2015 hatte die INKW ein sogenanntes Fachgespräch Flüchtlinge und Wohnungsnot in Berlin“ durchgeführt. So kamen jetzt in die Dudenstraße gut 50-60 Interessierte, die erfahren wollten, welche konkreten wohnungsbaupolitischen Vorschläge die INKW, die seit zwei Jahren konzeptionell zur Wohnungsfrage arbeitet, angesichts der zugespitzten Wohnungsnot nun vorlegen wird. In dem besagten Einladungsflyer waren bereits die politischen Leitplanken dafür markiert, die da lauteten: Die Isolation der Armen verhindern; öffentlich Bauen, statt Private zu fördern; Ausbau des Sozialstaats und demokratische Veränderung der aktuellen politischen Kräfteverhältnisse in der Stadt.

 

Klaus Linder (INKW) moderierte das Podium, das von vier ReferentInnen gebildet wurde: Turgay Ulu (Refugee-Aktivist); Philipp Kuebart (Architekt); Katrin Schmidberger (MdA Grüne) und Sebastian Gerhardt (INKW).

 

In seinen einleitenden Worten skizzierte Klaus Linder mit den üblichen linken Schlagworten wie „Keine Profite und Rendite mit der Miete“, dass es in der Wohnungsfrage so wie bisher nicht weitergehen dürfe und rief Turgay Ulu als ersten Referenten auf. Dieser berichtete anschaulich, wie sich die hießige Lage der Flüchtlinge dramatisch verschlechtert hat und erinnerte daran, wie wichtig 2014 der Kampf der Flüchtlinge vom Oranienplatz um ihre Recht gewesen war, wodurch schon damals das Scheitern der herrschenden Flüchtlings- und Migrationspolitik deutlich gemacht wurde. Er beendete seine Ausführungen mit dem Appell, dass sich Prekäre, Obdachlose und Refugees zusammenschließen sollten, um für sich menschengerechte Wohnungen zu erkämpfen.

 

Philipp Kuebart, Architekt von der Firma „Sol•id•ar Architekten und Ingenieure“ stellte anschließend dar, dass die für die Unterbringung der Flüchtlinge geplanten modularen Unterkünfte („MUFs“), so wie sie konzipiert sind, keine Wohnqualität sondern nur eine kaum hinreichende Unterbringungsqualität haben. Das läge nicht an den Baumaterialien, sondern an den Grundrissen, die dem Wohnheimcharakter (Pförtnerloge, Gemeinschafts-WCs und -küchen) dienen. In diesem Zusammenhang nannte er die Planungszahlen, die seit September 2015 in der Presse im Hinblick auf die MUF's kursieren: 35.000 Unterbringungsplätze an 450 Standorten. Kosten: 2.000 € / m². Dass mittels MUF's das menschenfeindliche BRD- Asylrecht exekutiert wird, gehörte allerdings nicht zu seinen Betrachtungen.

 

Katrin Schmidberger nutzte ihr Referat, um in eigener Sache Wahlkampf vorbereitend von der konstruktiven Oppositionsarbeit ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus zu berichten, wo man dem Senat gezeigt habe, dass durch Nachverdichtung – sprich: Umwidmung von Gewerbe in Wohnraum, Aufstockung von Supermärkten und Parkhäusern mit Wohnungen und Wohnraumbebauung bereits versiegelter Flächen; rund 18.000 innerstädtische Wohnungen errichtet werden könnten. Stolz wies sie daraufhin, dass Senator Geisel sich jene Untersuchungsergebnisse offensichtlich zu eigen gemacht habe. Überhaupt gäbe es im S-Bahn-Ring Flächen für 32.000 und im Stadtrandbereich für 55.000 Wohnungen. Wichtig sei ihr, die „Wohnungen mit den Menschen gemeinsam zu entwickeln“. Übrigens - wenn die Häuser in Leichtbauweise errichtet würden – aus Holz seien sogar Fünfstöcker möglich – dann könnten 1.500 € /m² Baukosten ausreichen. Gerade auch dann, wenn die künftigen Mieter*innen „selber bauen“.

 

Der INKW-Referent Sebastian Gerhardt begann seine Ausführungen mit einer klaren Absage an die MUF's, indem er sie mit Kasernen gleichsetzte. Solche Absagen sollten seiner Meinung nach verstärkt in die öffentliche Debatte hineingetragen werden. Dies ginge aber nur, wenn man darüber hinaus die Herrschenden mit „guten Ideen unter Druck“ setzen könnte. Und so eine Idee sei der „neue kommunale Wohnungsbau“. Konkret hieße kommunal – so Gerhardt: zukünftig wieder Wohnungen im Eigentum des Landes Berlin errichten zu lassen. Dadurch könnten die städtischen Wohnungsgesellschaften wieder richtige Baugesellschaften werden. Obgleich sein Referat noch weiterlief, war er mit diesen Behauptungen bereits am Ende seiner inhaltlichen Ausführungen zum Thema angekommen.

 

Anschließend eröffnete Klaus Linder die Diskussionsliste. Und die erste Wortmeldung ging folgerichtig an den INKW-Vertreter, der gebeten wurde, weitere Erläuterungen zum Konzept des kommunalen Wohnungsbaus zu machen. Die Frage wurde mit einer Reihe von Aus - und Abschweifungen über den Begriff des „sozialen Wohnungsbaus“ beantwortet, wozu auch der historische Dauerbrenner vom „roten Wien“ gehörte. Dazu schob Gerhardt noch nach, dass die INKW auf keinen Fall das Konzept „Wohnbaukombinat“ vertrete.

 

Leider entstand daraus keine wohnungspolitische Diskussion, weder vom Podium her noch aus dem Publikum. Das sah sich wohl durch die fehlende Moderation eher in einer Art Talkshow, wo Experten Frage und Antwort stehen. Folglich blieben die in Turgay Ulus Referat angeschnittenen Punkte außen vor. Stattdessen wurden Fragen aufgeworfen wie zum Beispiel, ob es nicht technisch möglich wäre, die S-Bahn-Trassen innerstädtisch mit Wohnungen zu überbauen - oder ob es in Berlin ein „Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen und anderen ausländischen Personen“ gäbe. So ergab es sich wie von selber, dass die entsprechenden „Experten“antworten von MdA Schmidberger und Architekt Kuebart die politisch brisante Wohnungsfrage in ein Problem der Bautechnik und Verwaltung transformierten. Hier wollte der INKW-Vertreter nicht abseits stehen und forderte mit ihnen im Hinblick auf die anstehenden Wahlen für die Stadt wieder eine „fitte Verwaltung“.

 

Auf der Veranstaltung zeigte sich deutlich, dass der Mietenvolksentscheid (MVE) sich wie ein denkhemmender Mehltau über die wohnungspolitische Linke ausgebreitet hat. Nicht nur dass die Grünen-Politikerin den MVE - von keiner Seite widersprochen - als „Schritt in die richtige Richtung“ loben konnte, sondern dass sie dafür nicht einmal von den INKW'lerinnen kritisiert wurde, illustriert diese bittere Erkenntnis.

 

Die INKW will Realpolitik machen und dafür Konzepte entwickeln, das war ihr Credo, als sie vor knapp zwei Jahren an gleicher Stelle in der Mediengalerie ihre Initiative vorstellte. Gemessen daran war am 11.4.2016 der Vortragsabend ein inhaltliches Waterloo. Denn in der Gründungserklärung der INKW mit 29 teilweise prominenten Erstunterzeichner*innen und an die 200 Unterstützer*innen hieß es 2014 noch voll Tatendrang: „Wir wollen uns mit diesem Papier in die wohnungspolitische Debatte der Stadtgesellschaft einmischen und die Forderung nach einem bezahlbaren öffentlichen Wohnungsbau nachhaltig stärken.“ Doch über dürre Prinzipienerklärungen wie „öffentliche Gelder für neue und gute Wohnungen“ ist die INKW bisher nicht hinaus gekommen und die MVE-Kampagne hat die von der INKW gewählte Politikform der partnerschaftlichen Regierungsberatung nachhaltig in Frage gestellt.