Zwickaus Oberbürgermeisterin Pia Findeiß: Unvorstellbar, dass Zschäpe durch die Innenstadt spaziert ist

Erstveröffentlicht: 
07.04.2016

Zwickaus Oberbürgermeisterin Pia Findeiß zeigt sich angesichts neuer Erkenntnisse zum Leben des NSU-Trios fassungslos. "Mit jedem neuen Puzzleteil fragt man sich umso mehr, wie das alles möglich gewesen ist", sagte Findeiß am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

 

Ein stadtbekannter Neonazi


Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sollen in ihrer Zwickauer Zeit für einen V-Mann des Verfassungsschutzes gearbeitet haben. Mundlos als Vorarbeiter einer Baufirma und Zschäpe in einem Szeneladen von Ralf Marschner. Der sei unter seinem Spitznamen "Manole" ein"stadtbekannter Neonazi" gewesen, schilderte Findeiß. Marschner sei mehrfach mit dem Ordnungsamt aneinandergeraten. Sie selbst habe zudem immer wieder anonyme Hinweise zu dessen rechter Gesinnung erhalten. Nach Recherchen der Deutschen Presse-Agentur befand sich dessen Szeneladen "Heaven and Hell" zeitweise unmittelbar am Zwickauer Hauptmarkt und damit in Sichtweite des Rathauses. Es sei unvorstellbar, dass Zschäpe mitten durch die Innenstadt spaziert sei, während sie im "Untergrund" lebte, so die Oberbürgermeisterin.  

 

Linke will, das NSU-Helfer enttarnt werden

 

Der Tenor der am Mittwoch im Ersten gezeigten Dokumentation sowie der drei in der ARD ausgestrahlten Filme lasse sie mit Blick auf die Ermittlungen an der Demokratie zweifeln. "Und nach allem, was passiert ist, sind noch immer Akten unter Verschluss." Das sei völlig unverständlich. Der Zwickauer Stadtrat der Linken, René Hahn, erklärte, Zwickau müsse sich der Aufarbeitung des Themas noch aktiver stellen. "Wir müssen uns damit auseinandersetzen, das ist unsere Verantwortung." Es sei nur folgerichtig, dass das Trio Unterstützer in der westsächsischen Stadt gehabt haben müsse. "Der NSU hatte hier ein Netzwerk", ist Hahn überzeugt. Er zeigte sich verwundert, dass diese Helfer bislang weitgehend unbehelligt geblieben seien.

 

Hahn, der auch Vorsitzender eines linksalternativen Jugendvereins ist, beobachtet die rechte Szene in der Region nach eigenen Angaben seit mehr als zehn Jahren. Im Zuge der Debatte um Flüchtlinge trete diese derzeit wieder stärker in Erscheinung.

 

NSU-Ausschuss will Maaßen und Fromm vorladen

 

Mit den neuen Hinweisen auf die rechte Terrorgruppe will sich auch der NSU-Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages befassen. Der Obmann der CDU-Fraktion, Steve Ittershagen, teilte am Donnerstag in Dresden mit, Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen als Zeugen vorladen zu wollen. Er solle darlegen, welche Kontakte die V-Leute seiner Behörde zum NSU-Trio gehabt hätten. Der U-Ausschuss will auch Maaßens Amtsvorgänger Heinz Fromm vorladen. In dessen Amtszeit fielen die NSU-Anschläge.

 

Es irritiert mich, dass die ermittelnden Behörden diese Informationen nicht geliefert haben. Wir müssen jetzt alles daran setzen, diesen Strang rund um das vermeintliche Trio aufzuklären. Das sehe ich als meine Aufgabe im Untersuchungsausschuss. Ich erwarte aber auch von allen anderen Akteuren, dass sie ihrer Verantwortung für die umfassende Aufklärung gerecht werden. 

Susann Rüthrich, SPD, stellvertretende Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag


Schon im Untersuchungsausschuss der letzten Legislatur sind in Bezug auf den Einsatz von V-Leuten sehr viele Fragen offen geblieben. Die bereits geplanten Vernehmungen von Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz werden nun sicher noch umfangreicher ausfallen.

Sabine Friedel, SPD, Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss im Sächsischen Landtag