Verfassungsschutz: Mehr Rechtsextreme bei Asyl-Protesten in Sachsen

Erstveröffentlicht: 
09.04.2016

In Zeiten von Protesten gegen die deutsche Asylpolitik stellt die Abgrenzung zwischen Extremisten und „besorgten Bürgern“ den Verfassungsschutz vor Herausforderungen. Die Grenzen haben sich aufgeweicht.

 

Dresden. Nach Jahren der Stagnation hat die Zahl der Rechtsextremisten in Sachsen im Zuge der Anti-Asyl-Proteste wieder zugenommen. Die Tendenz sei steigend, sagte Verfassungsschutzpräsident Gordian Meyer-Plath. Zahlen wollte er mit Hinweis auf den in Kürze erwarteten Verfassungsschutzbericht nicht nennen. „Es ist die aktuelle Lage, die rechtsextremistischen Strukturen mehr Leute zuführt.“

 

2014 hatte der Verfassungsschutz noch 2500 Rechtsextremisten in Sachsen gezählt. Auch die Zahl der Linksextremisten nahm 2015 zu, allerdings nicht so deutlich wie die der Rechten.

 

Ihr Erstarken spiegele sich auch in der Zunahme der Straftaten wider, sagte Meyer-Plath. Hier beschäftigten vor allem Täter sein Amt, die bisher nicht rechten Strukturen zugeordnet worden seien. Die Grenzen seien aufgeweicht. „Und das ist eine Entwicklung, die zeigt, wie sehr Milieus, die bisher wenn überhaupt kriminell, dann aber nicht politisch motiviert Straftaten begangen haben, nun mit Gewalt Zeichen setzen wollen gegen Flüchtlinge, gegen ihre Unterbringung und damit dann aber auch gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung.“

 

Die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik weist für 2015 einen deutlichen Anstieg politisch motivierter Straftaten aus. Ihre Zahl stieg auf 4078 - rund 30 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Für 60 Prozent der Fälle werden Rechtsextreme verantwortlich gemacht.

 

Bei der Bewertung rechtsextremistischer Aktivitäten mit Asylbezug arbeite der Verfassungsschutz mit einer Dreiteilung, erklärte Meyer-Plath: „Asylkritischer Protest, wo auch Rechtsextremisten durchaus mitmarschieren, relevant und erkennbar beeinflusster Protest oder eben klare Anmeldungen durch Parteien wie der NPD, Die Rechte oder Der III. Weg, wo Rechtsextremisten alles bestimmen.“

 

Die Neonaziszene sei in Sachsen mittlerweile nicht mehr so strukturiert. „Sie hat sich entweder rechtsextremistischen Parteien angeschlossen oder ist in den unorganisierten Bereich abgewandert, hat diesen aber zugleich – über das Thema Ausländerfeindlichkeit – stark politisiert.“ In diesem Spektrum agiere der überwiegende Teil der rechtsextremistischen Straftäter. „Das ist besorgniserregend, weil hier massive Straftaten verübt werden.“

 

Auch die NPD greife die Asyl-Proteste erfolgreich auf, trotz organisatorischer Defizite und interner Querelen. „Und damit wird sie wieder ein relevanter Akteur. Der Rückgang bei Mitgliederzahl und organisatorischer Struktur bremst sie nicht, kampagnenfähig zu sein.“

 

Die Aufweichung der Grenzen zwischen Extremisten und Protestteilnehmern aus dem eher national-konservativen Lager sei in den anderen ostdeutschen Ländern ähnlich. „Im Westen ist das anders. Da bleiben Rechtsextremisten weitgehend noch unter sich. Es ist sehr viel einfacher dort zu sagen, das ist eine klare rechtsextremistische Veranstaltung und das nicht. Das vermischt sich hier aktuell mehr.“

 

Von LVZ