EINE FÜR DIE FREIHEIT KÄMPFENDE JUGEND, ODER EINE MODERNE SKLAVENGESELLSCHAFT

FÜR DIE FREIHEIT KÄMPFENDE JUGEND

Eine aktuelle Bewertung aus der Sterka Ciwan - Die meisten jungen KurdInnen haben Gräuelgeschichten über den türkischen Staat von ihren Eltern oder Großeltern gehört, z.B. über den 40 Tage lang von Blut rot gefärbte Fluss Munzur während des Dersim-Genozides von 1938, über die Verbrennung von tausenden Dörfern in den 1990er Jahren, oder über die öffentlichen Vergewaltigungen von jungen Frauen auf Dorfplätzen.


Selbst haben viele von ihnen nicht viel erlebt oder sie waren so jung, dass sie sich nicht mehr daran erinnern können. Wenn wir heute hören, lesen und sehen, mit welcher Abscheulichkeit der türkischen Staat, unterstützt von Merkel, EU und NATO, in Kurdistan gegen die Bevölkerung vorgeht, lässt sich sehr leicht schlussfolgern, dass er seine Mordpolitik und Mittel kein bisschen geändert hat. Frauen die ermordet wurden, werden von türkischen Mörder-Banden entblösst und öffentlich zur Schau gestellt, verletzte ZivilistInnen bei lebendigem Leibe in Kellern, in denen sie Schutz suchten, verbrannt, ganze Städte mit Hubschraubern und Panzern zerstört, die verkohlten Knochen von getöteten Menschen mit abwertenden Bemerkungen in Plastiktüten den Familienangehörigen übergeben. Jeden Tag tauchen menschliche Gliederteilen am Ufer des Dijle Flusses in Amed und Cizîr auf. Genau das ereignet sich seit Monaten in Städten wie Cizîr, Sûr, Sirnex, Hezex. Was sich heute jedoch von der Vergangenheit unterscheidet, ist, dass gegen diesen Genozidversuch des türkischen Staates der größte Volkswiderstand der letzten 100 Jahre in Kurdistan geleistet wird.

 

Der Widerstand in Bakûr (Nordkurdistan)

Fast zwei Jahre lang hat die Kurdische Bewegung von 2013 bis 2015 am Lösungsprozess festgehalten – trotz der Unehrlichkeit der AKP-Regierung und ihrer ständigen Versuche die Freiheitsbewegung hinzuhalten und zu zerschlagen. Immer wieder hat Rêber Apo durch kluge Weitsicht und Interventionen Blockade Momente durchbrochen. Wie auch in den Gesprächsnotizen mit ihm zu lesen ist, war sein Ziel, mit Verhandlungen den türkischen Staat dazu zu drängen, die Demokratische Autonomie in Nordkurdistan anzuerkennen. Wenn die Verhandlungen keine Lösung erzielten, gäbe es dann keine andere Möglichkeit mehr als die eigene Autonomie einseitig aufzubauen und sie zu verteidigen. Zweiteres trat dann in Kraft als nach der Dolmabahce-Deklaration, Erdogan den gesamten Prozess verwarf. „Es gibt keine Kurden-Frage und auch keinen Verhandlungstisch“ sagte er kurz darauf. Die Totalisolation von Rêber Apo seit dem 5. April 2015 müssen wir als kurdische Jugendliche als eine umfangreiche Kriegserklärung gegen unser Volk und alle Demokratischen Kräfte sehen. Deshalb erhöhte auch die Jugend in Nordkurdistan, organisiert in der YDGH/YDGK (Revolutionäre Patriotische Jugendbewegung/ Revolutionäre Patriotische Junge Frauenbewegung), ihren Wiederstand gegen den türkischen Staat. In zahlreichen Städten in Botan und in Amed wurde die Demokratische Autonomie ausgerufen und verteidigt. Ziel ist es, genau so, wie die Bevölkerung und allen voran die Jugend, den IS aus Rojava vertrieben hat, auch den türkische Staat aus Nordkurdistan zu vertreiben. Wir müssen uns darauf einstellen, dass das nicht ohne Opfer und Verluste geschieht.

Selbstkritisch müssen wir als Jugendbewegung einsehen, dass wir diese Phase besser vorbereiten müssten, z.B. was medizinische, militärische, finanzielle und politische Vorkehrungen anbetrifft. Rêber Apo hat uns unzählige male dazu ermahnt uns auf allen Ebenen auf einen Revolutionären Volkskrieg vorzubereiten. Das brutale Vorgehen des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung, die Totalisolation von Rêber Apo, die Verhaftungswellen und der umfangreiche psychologische Krieg, sowie das Versperren aller friedlichen Kanäle, drängten aber zum Beginn einer raschen Offensive. Was die Phase anbetrifft müssen nun alle Aufgaben parallel und mit einem noch größeren Tempo erfüllt werden.

 

Die Revolution in Rojava

Der Mittlere Osten und speziell Kurdistan waren in der Menschheitsgeschichte immer ein Ort, auf dem neue Zivilisationen entstanden sind und für die gesamte Welt neue Impulse gesetzt wurden. Vor allem heute ist er der Ort, auf dem der Kampf zwischen dem barbarischen Kapitalismus und einer wahren Demokratie geführt wird. Die Ideen der kurdischen Freiheitsbewegung, die in der Tradition sozialistischer Kämpfe stehen, werden seit einigen Jahren in Rojava zur Realität. Schon jetzt wirkt sich Rojava auf große Teile in Syrien und darüber hinaus aus. Die QSD (Demokratische Syrische Kräfte), in der auch die YPJ/YPG drin sind, befreit eine Stadt nach der anderen aus den Händen des IS. Ziel ist es sehr bald Raqqa und Cerablus zu befreien. Für die KurdInnen ist das größte Ziel die Verbindung aller Gebiete zwischen den Kantonen Efrîn und Cizîr. Inzwischen (Stand: Mitte März) wird über eine Nord-Syrien-Föderation der verschiedenen Völker in Nord-Syrien diskutiert. Dadurch scheint die kurdischen Bewegung die größte Kraft in Nord-Syrien zu sein, die eine konkrete Lösung für das Land anbietet und umsetzt. Diversen Regionalen Kräften und allen voran der Türkei ist diese Entwicklung ein Dorn im Auge. Mit allen Mitteln unterstützen sie ihre Marionetten – der Iran die Hizbollah und Assad, also jene Kräfte, die dem Schiitischen Block unterstehen, die Türkei und S.Arabien den IS und andere radikal sunnitische Kräfte, die sich diesem Block unterstellen. In diesem Kräftemessen ist es wichtig die eigenen demokratischen Allianzen mit den Völkern in der Region zu stärken.

 

Die Situation in Başûr – Die Rolle der KDP

Der Kampf der kurdischen Bewegung ist nicht ein Kampf, der sich mit der Gründung eines kurdischen Staates beenden lässt. Sonst müsste die Probleme in Südkurdistan ja schon längst gelöst sein. Die Situation der KurdInnen, eigentlich aller Menschen in Kurdistan und dem Mittleren Osten, ist nicht nur den Eingriffen äußerer Kräfte, sondern vor allem auch uns KurdInnen selbst zu verschulden. Fehlendes demokratisches Verhalten gegenüber der Verschiedenheit der Gesellschaft, Feudales Gesellschaftsverständnis, dogmatisches Religionsverständnis, Frauenunterdrückung oder ein naturfeindliches Lebensstil, sind ein paar der Gründe, die wir als Menschen in Kurdistan für diese Situation selbst zu verschulden haben. Ohne die Lösung dieser gesellschaftlicher Probleme, wird es kein friedliches Kurdistan geben. Das ist der Ansatz der kurdischen Bewegung.

Aber Genau jenes rückständige Verständnis teilt die KDP mit vielen anderen unterdrückerischen Kräften in Kurdistan und dem Mittleren Osten. Deshalb hat sie auch kein Problem damit, mit dem größten Feind des kurdischen Volkes, nämlich mit der AKP/Erdogan, zusammenzuarbeiten und in der Phase des größten Widerstandes der KurdInnen seit 100 Jahren, den größten Verrat der letzten 100 Jahre der Geschichte Kurdistans zu begehen. Wer heute mit der AKP zusammenarbeitet und nicht klar Distanz zu ihr bezieht, arbeitet auch mit dem IS zusammen. Erdogan, die AKP und der IS können nicht voneinander getrennt werden. Wer heute nicht klar sich von der AKP distanziert, befürwortet den Faschismus des türkischen Staates in Kurdistan. Dieser Grundsatz ist von nun an sowohl für alle kurdischen Kräfte gültig als auch für alle nicht kurdischen Kräfte und Staaten weltweit.

Weil viele Menschen in Südkurdistan diesen Verrat und diese Ideologie der KDP sehen, steigen auch die Stimmen gegen das Joch der KDP. Tausende verlassen monatlich das Land. Überall gibt es Proteste gegen die sozialen Ungleichheiten. Die wahre nationale Einheit der KurdInnen ist die, wenn alle Farben und Kräfte in Kurdistan zusammenkommen, die klar gegen Kolonialismus, Ausbeutung, Frauenunterdrückung, Faschismus, Religiösem Fanatismus und Kapitalismus, also gegen die AKP, IS, Erdogan und S.Arabien Position beziehen. Wenn die KDP das nicht macht, dann arbeitet sie nicht im Interesse des kurdischen Volkes und dann soll sie auch das Kurdistan in ihrem Namen Streichen.

 

Hoffnung und Gefahr in Rojhilat

Die Situation in Ostkurdistan trägt Hoffnung und Gefahren gleichzeitig. Rojhilat hat eine lange Tradition des Widerstandes. Über Jahrzehnte kämpfte die Komala Bewegung unter der Führung von Abdurrahman Qasimlo gegen den iranischen Staat. Nachdem aber er, sein Sohn und einige weitere Führungspersönlichkeiten in Wien und Berlin bei Attentaten getötet worden sind, zerbrachen große Teile dieser Bewegung. Heute gibt es zahlreiche Organisationen in Rojhilat, die für mehr Rechte für die KurdInnen kämpfen. Allerdings sind sie sowohl militärisch als auch politisch relativ ohne Einfluss.

Die kurdische Bewegung organisiert sich dort als PJAK (Partei des freien Lebens Kurdistans). Vor zwei Jahren wurde als Folge wachsenden Einflusses die KODAR (Dachorganisation aller zur kurdischen Bewegung gehörenden Strukturen, ähnlich wie DTK oder KCD-E) gegründet. Tausende Jugendliche haben sich in den letzten paar Jahren in Rojhilat der PJAK angeschlossen und sind jetzt in Ost-Kurdistan Guerilla. Heute ist die PJAK die stärkste kurdische Kraft in Ost-Kurdistan. Sie ist die einzige Kraft, die auch militärisch dem Iran die Stirn bieten kann. Deshalb geht auch der iranische Staat mit den brutalsten Mitteln gegen KurdInnen vor. Fast täglich werden kurdische AktivistInnen hingerichtet. Damit sollen die KurdInnen im Iran eingeschüchtert werden.

Gefährlicher wird die Situation nun jetzt mit den Annäherungen des Westens an den Iran. Um eigene geostrategische und wirtschaftliche Interessen nicht zu gefährden, wird sich der Westen in die KurdInnen-Politik des Irans nicht einmischen. Das bringt den Iran, was die Kurdistan-Frage angeht wieder näher an die Türkei, da diese nun auch freie Hand haben. Außerdem will der Westen den Iran nicht schwächen, da er ein hegemoniales Gleichgewicht zur Türkei herstellt. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind die Embargos gegen den Iran auch deswegen aufgehoben worden. Das kann dazu führen, dass ab dem Frühling die Iranische Armee gemeinsam mit der türkischen einen Angriff auf die Qandil-Berge beginnt. Das Aufstocken der iranischen Soldaten und ihrer Ausrüstung an der Grenze sind nämlich nicht nur normale Truppenverschiebung.

 

Die Rolle der BRD/EU; der USA und Russlands

Im Wesen verfolgen alle drei Blöcke dieselbe Politik. Nämlich die Ausbeutung der Region sowie die Aufrechterhaltung ihrer Hegemonien. Die USA versuchen mit einer Politik des Gleichgewichtes gegenüber den KurdInnen und dem türkischen Staat, ihre Kontrolle über die Region auszubauen, indem sie beide Blöcke von sich abhängig macht. Sie ist in diesem Falle realistischer und sieht, dass es im 21. Jahrhundert keinen Mittleren Osten ohne einen Status für die KurdInnen geben kann, vor allem aber, weil jene selbst keine Statuslosigkeit akzeptieren. Russland versucht soweit es geht den Status Quo in seinem Interesse aufrecht zu erhalten. Vor allem die Türkei gefährdet dabei seine Interessen. Die KurdInnen sieht sie dabei eher als Kraft, die er der Türkei zum Gleichgewicht entgegenstellen kann. Der EU/BRD geht es darum Flüchtlinge von ihren Grenzen fernzuhalten. Dafür akzeptiert sie den Aufbau einer faschistischen Erdogan Diktatur in der Türkei und den Tod von tausenden Menschen. Wenn wir den Kampf der Regionalen und globalen Mächte sowie der demokratischen Kräfte im Mittleren Osten anschauen, sehen wir, dass wir uns inmitten eines 3. Weltrieges sowie eines gleichzeitigen Systemkampfes befinden. Vor allem im zweiten fällt der Jugend eine wichtige Aufgabe zu.

 

Die Rolle der Jugend

Als dynamischste Kraft darin hat die Jugend die Aufgabe in der Gesellschaft Veränderungsprozesse voranzutreiben. Niemals akzeptiert sie das Gegebene und hat auch keine Sorge sich radikal für die eigenen Positionen einzusetzen. Diese Mission hat sie in der Vergangenheit in Revolutionen weltweit erfüllt. Dabei nimmt sie auch aktiv immer an der Verteidigung der eigenen Gesellschaft teil. Auch in Kurdistan wird dies klar sichtbar. Es war die YDGH, die diesen Prozess begann.

Der Kampf und Widerstand der Jugend ist deshalb vor allem ein ideologischer Kampf. Sie richtet sich auch gegen die inneren Rücktändigkeiten in der eigenen Gesellschaft. Wenn wir uns also als junge Menschen nicht in unseren Jugendstrukturen organisieren, dann werden in unseren Vereinen Volksräten immer veraltete Mentalitäten vorherrschen.

 


Als in Europa, also im Zentrum der Kapitalistischen Modene lebende kurdische Jugendliche müssen wir uns aber über einen weiteren Punkt im Klaren sein. Auch das System sieht die Energie der Jugend sehr gut. Deshalb greift sie sie vor allem ideologisch auf allen Ebenen an, um sie zu kontrollieren. Vor allem die Schulen und Universitäten sind NICHT, wie vorgetäuscht wird, Bildungszentren, sondern Zentren der Assimilation und der Integration in das kapitalistische System, das uns unsere Kultur, Sprache, Freiheit und unseren revolutionären Geist klaut. Wenn wir uns für ein freies Leben entscheiden wollen, dann dürfen wir keine Kompromisse mit diesem System eingehen. Die Loslösung von diesem System, nicht nur für kurdische Jugendliche, geschieht an dem Ort, wo der Kampf gegen ihn am grössten ist. Das ist derzeit in Kurdistan, in Amed, in Botan, in Rojava...