[Berlin/Wien] Friedel54 auf Klassenfahrt

Samahuset!

Am 18. und 19. März besuchten knapp 70 Bewohner*innen, Nutzer*innen und Freund*innen der Friedelstraße 54 in Berlin-Neukölln und des sozialen Zentrums im Erdgeschoss, Wien. In der österreichischen Hauptstadt, dem Sitz der Eigentümerin des Hauses, der Citec Immobiliengruppe, führten die Aktivist*innen verschiedene Aktionen durch, um auf das Thema Verdrängung und soziale Ausgrenzung allgemein, sowie die konkreten Methoden der Citec aufmerksam zu machen. Abgeschlossen wurde die Reise durch eine Demonstration, die von mehreren lokalen Projekten und stadtpolitischen Gruppen unterstützt wurde und an der etwa 200 Menschen teilnahmen.

 

Zum Hintergrund des Konflikts...

Das Haus in der Friedelstraße 54 gehört seit Dezember 2013 zum Portfolio der Citec Immobiliengruppe bzw. der Citec Immo Invest GmbH, durch die sie in Berlin agieren. Von Beginn an, war die Stoßrichtung der Citec klar. Einer ersten Welle von Abmahnungen wegen diverser Belanglosigkeiten, folgten Modernisierungsankündigungen bzgl. der Angleichung des Wohnstandards und – im Oktober 2014 – die Ankündigung einer umfangreichen Wärmedämmung und anderer Absurditäten (bpsw. ein überdachtes Müllhäuschen für stolze 12.500€). Laut jüngsten Berechnungen, drohen den Bewohner*innen nach Abschluss aller Maßnahmen Mietsteigerungen von bis zu 200%.

Flankiert wurden alle Maßnahmen von verschiedenen Unverschämtheiten. Gesprächsangebote an die Citec blieben unbeantwortet, eine einmalige Reaktion forderte die Hausgemeinschaft auf, ausschließlich mit dem beteiligten Anwalt André Tessmer zu kommunizieren. Dieser glänzte selbst durch zahlreiche Formfehler, eine sehr kreative Umsetzung der Rechtschreibung und chauvihaftes Verhalten vor Gericht. Hausbewohnern, die darauf immer wieder hin wiesen, wurde signalisiert, dass dieses nervige Verhalten bald ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Abgerundet wird diese illustere Bande von der Firma Belheim Dienstleistungen GmbH und insbesondere durch Christian Rommel. Er fungiert wohl als der Mann für's Grobe, ist äußert cholerisch und sich nicht zu blöd, am hellichten Tag und aller Öffentlichkeit Hausbewohner*innen und Nachbar*innen zu beleidigen und ihnen Nasenbrüche und nächtliche Besuche zum „Arschversohlen“ anzudrohen. Auch mit der Kamera geht er gerne um, so wurde er schon auf dem Baugerüst beobachtet, wie er offensiv in die Räume fotografierte; oder in schlecht sitzender Verkleidung entdeckt, wie er eine Kiezdemonstration von Freund*innen der Friedel54 abfotografierte. Die jüngste Eskalation erzeugte die Citec durch die Kündigung des Kiezladens im Erdgeschoss, nach über 12 Jahren Existenz, zum 30. April diesen Jahres. (Mehr Infos zu den Akteuren, sowie Möglichkeiten euren Unmut kund zu tun, findet ihr in diesem älteren Artikel.)



...und des Widerstandes.

Schon lange vor der Kündigung des sozialen Zentrums, organisierte sich die Hausgemeinschaft und begann sich kollektiv und öffentlich gegen die unsozialen Maßnahmen, die Art der Auseinandersetzung und die drohende Verdrängung zur Wehr zu setzen. Mit einem Blog, sowie Präsenzen in den sozialen Medien (Facebook / Twitter), machte sie den Fall öffentlich. Gleichzeitig widersprach ein großer Teil der Bewohner*innen den geplanten Modernisierungen, woraufhin sie allesamt auf die Duldung verklagt wurden. Einige Prozesse dazu stehen noch aus. Neben der Öffentlichkeitsarbeit organisierten Freund*innen des Hauses zwei Kiezdemonstrationen und knüpften Kontakte zu anderen lokalen Projekten im Kiez. Desweiteren hat sich im Zuge der Proteste ein Citec-Betroffenen-Netzwerk gegründet, in dem sich Bewohner*innen aus mehreren Citec-Häusern zusammengeschlossen haben, um sich auszutauschen und gemeinsame Strategien gegen das – meist gleiche – Handeln der Eigentümerin zu diskutieren.

Die Kündigung des Ladens gab dem Protest dann eine neue Dynamik. Auf einer ersten Demonstration nach Erhalt der Kündigung forderten bis zu 800 Menschen den Verbleib des Kiezladens in seinen bisherigen Räumlichkeiten. Abertausende Aufkleber, Flyer und Plakate wurden in Berlin, aber auch in vielen anderen Städten verteilt, um auf die drohende Räumung der neuköllner Institution aufmerksam zu machen. Knapp 70 Hausgemeinschaften, Projekte und Gruppen haben sich mittlerweile mit dem Kiezladen solidarisiert und zahlreiche Soligrüße flatterten aus vielen Städten und anderen Ländern ein. Ein Höhepunkt der Proteste war dann die gemeinsame Fahrt nach Wien, um die Wut und Empörung direkt an den Hauptsitz der Citec-Immobiliengruppe zu tragen. Eine zentrale Forderung hierbei war die Aufnahme von Verhandlungen über die Zukunft des Hauses. Denn im Zuge der Diskussionen über mögliche Ziele der Proteste, entstand in der Hausgemeinschaft die Idee, gemeinsam mit dem Mietshäuser-Syndikat das Haus zu kaufen. Doch dazu bedarf es einer Verhandlungsbereitschaft und natürlich auch finanzieller Zugeständnisse der Citec.

Anreise und erster Tag

In der Nacht zum 18. März startete ein Reisebus mit gut gelaunten Bewohner*innen und Nutzer*innen des Ladens, sowie einer Vielzahl an Freund*innen ihren Weg Richtung Wien. Wohl um eine sichere Abreise der Reisetruppe zu garantieren, entsandte die Polizei Berlin ein Begleitfahrzeug, das den Bus bis zur Stadtgrenze begleitete. Dass die Zivilbeamten dabei über längere Zeit parallel zum Bus fuhren und somit die Überholspur blockierten, soll an dieser Stelle mal geflissentlich ignoriert werden.

Ohne Zwischenfälle erreichte die Reisegruppe dann am frühen Vormittag Wien. Nach dem Bezug der Schlafplätze in einem, der größten wiener Projekte, zogen die Aktivist*innen dann in Richtung Citec-Firmensitz am Parkring 12 in Wiens noblem 1. Bezirk. Auf dem Weg fielen sofort die zahlreichen Plakate auf, die solidarische Wiener*innen zur Mobilisierung zur Demonstration am nächsten Tag geklebt hatten.

Am Sitz der Citec, strömten die nunmehr fast 70 Menschen dann in die Eingangshalle des – für eine große Immobiliengruppe höchst geschmacklosen – Baus. Der dort anwesende Portier, informierte die Protestierenden dann darüber, dass die Citec von der Aktion wusste, deswegen dort niemand anzutreffen sei und er darüber informiert wurde, dass wahrscheinlich „eine Gruppe Berliner mit unfreundlichen Gesichtern“ aufschlagen könnte. In Anbetracht der Tatsache, dass nur einen Tag zuvor auf Nachfrage des Mietshäuser Syndikat eine prinzipielle Verhandlungsbereitschaft durch die Citec signalisierte wurde, lieferte das Versteckspiel ein doppelt schwaches Bild ab. Dennoch ließen sich die Anwesenden dadurch die Laune nicht verderben. Ein Brief mit einem konkreten Angebot wurde dem Portier übergeben und vor dem Eingang mit Transparenten und Sprechchören deutlich gemacht, dass dies nicht zwangsläufig der letzte Besuch gewesen sein muss.

Im Anschluss wurde der noch junge Tag sehr vielfältig genutzt. Eine Gruppe der Teilnehmer*innen zog mit einer Pappinstallation, Transparenten und Flyern zunächst vor den Sitz des österreichischen Immobilienverbandes und machte dort auf die unsozialen Machenschaften österreichischer Firmen, am Beispiel der Citec, aufmerksam. Danach verlagerten sie die Aktion vor das Columbus Center in der Fußgängerzone im Favoritenbezirk.

Eine andere Gruppe besuchte die Firma Skyloft Bauträger Gesellschaft, die ebenfalls zum verschachtelten Firmengeflecht der Citec gehört und deren Geschäftsführer Franz Hartl, ebenfalls als Entscheidungsträger der Citec fungiert. Die benachbarten Firmen des Geschäftshauses wurden mit Flyern auf die Praktiken ihrer Nachbarin aufmerksam gemacht und auch bei Skyloft selbst wurde mit den Mitarbeiter*innen gesprochen und Flyer hinterlassen.

Andere Menschen nutzten die Wien-Reise, um sich mit anderen Gruppen und Projekten zu vernetzen und auszutauschen. So wurde das mo.ë besucht, ein ebenfalls von Kündigung und Verdrängung bewohntes Kulturzentrum im 17. Bezirk. Andere trafen sich mit Mitgliedern von Zwangsräumungen Verhindern, sowie anderer organisierter Menschen, um sich auszutauschen und über zukünftige Perspektiven zu sprechen. Des weiteren waren Teilnehmer*innen der Reisegruppe auf drei verschiedenen Veranstaltungen, die abends im EKH, der Anarchistischen Bibliothek und der Brunnenpassage stattfanden, um mit Flyern bzw. einem kleinen Input auf die Reise und die Demonstration am nächsten Tag aufmerksam zu machen.

Abends besuchten dann noch einige solidarische Menschen die Vienna Elementary School (VES). An diesem exklusiven Ort der Bildung für den exklusiven Nachwuchs (die Semestergebühren betragen dort – ohne Extras – zwischen 3800 und 5100€) ist ein Vorstandsmitglied der Citec – Mag. Andreas Ruthensteiner, in der sogenannten VES Support Group. Diese unterstützt Schüler*innen bei finanziellen Engpässen. Während Ruthensteiner hier sehr viel Wert darauf legt, dass Kinder weiterhin ihr „gewohntes soziales Umfeld in der peer group“ (Zitat von der Homepage der VES) besuchen können, ist ihm das bei den Bewohner*innen der Häuser, die die Citec besitzt scheinbar recht gleichgültig. Um diese Heuchelei deutlich zu machen, wurde der Ort mit einem Transparent markiert.

Zweiter Tag - „Wir sind hier, wir sind laut, weil die Citec uns die Friedel klaut!“

Der nächste Tag begann früh. Gegen halb 11 versammelte sich zunächst die Reisegruppe auf dem Keplerplatz, unweit des EKH, wo die Demonstration kurz darauf beginnen sollte. In der Nacht zum Samstag hatten solidarische Menschen offensichtlich den Demostartpunkt markiert. In übergroßen Lettern an einer Kirche und einem U-Bahn Aufgang wurde der Erhalt der Friedel54 gefordert. Mit der Zeit sammelten sich auch immer mehr Menschen aus Wien am Startpunkt, sodass mit einer kleinen Kundgebung kurz nach 11 die Demonstration eröffnet wurde. Neben Redebeiträgen und kurzen Ansprachen der angereisten Friedel-Unterstützer*innen, sowie von Zwangsräumungen Verhindern, setzten sich die knapp 200 Menschen dann in Bewegung. Durch zahlreiche Transparente, mehrere tausend Flyer und viele thematisch passende Sprechchöre wurden die umstehenden Menschen auf die Situation der Friedel54, sowie der Ablehnung von Verdrängung und sozialer Ausgrenzung aufmerksam gemacht. Aber auch andere Projekte, wie die Potse / Drugstore aus Berlin, oder das Kollektive Zentrum (KoZe) aus Hamburg waren mit Transparenten vertreten.

Über die Favoritenstraße, ging es dann weiter bis zum Parkring, wo vor der Zentrale der Citec eine Zwischenkundgebung stattfand. Hier wurde nochmals auf den missglückten Kommunikationsversuch am Vortag hingewiesen und die Citec erneut aufgefordert, endlich in konstruktive Verhandlungen zu treten. Mit der Ansage, dass heute noch nicht alle Tage sei und mensch gerne wieder komme, sollte dies nötig sein, zog die Demonstration dann weiter. Für die angereisten Menschen aus Berlin war der zweite Teil der Demo sicherlich nicht alltäglich. Quer durch die historische wiener Altstadt, wurde zunächst der Stephansdom umrundet. Dort traf der Demonstrationszug auf eine Vielzahl von Tourist*innen, die sichtlich überrascht die Demo beobachteten. Ab diesem Teil wurde durch den Lauti auch immer wieder auf das Ziel der Demonstration aufmerksam gemacht. Dieses, war der Treffpunkt des antinationalen Blocks auf der „Flüchtlinge Willkommen! Gegen die Festung Europa!“. Immer wieder wurde deutlich gemacht, dass der Kampf für soziale Zentren und eine Stadt von Unten auch immer ein Kampf für globale Bewegungsfreiheit und gegen die unmenschliche Repression an den Grenzen Europas sein muss.

Nachdem die Demonstration die Hofburg durchquert hatte, fand sie schließlich am Marcus-Omofuma-Denkmal, am Museumsquartier ihr Ende. Nachdem die Angereisten einen Teil der Demonstration mitgelaufen waren, machten sie sich aufgrund der notwendigen Abreise schon früher auf den Weg zum Treffpunkt. Nach einer Weile und aufgrund der nicht vorhanden Polizeibegleitung, wurde die Chance genutzt noch eine Spontandemonstration durch die Fußgängerzone der Favoritenstraße zu machen. Transparente wurden ausgepackt, zahllose Flyer und Aufkleber verteilt und das ein, oder andere FPÖ-Wahlplakat der allgemeinen Betrachtung entzogen. Im Anschluss ging es dann mit dem Bus wieder Richtung Berlin. Auch hier gab es keine besonderen Schwierigkeiten.

Und die Moral von der Geschicht'? - Kiezladen räumen, oder nicht?

Die Reise war sicherlich ein voller Erfolg. Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Aktionen, sowie zigtausender verteilter Flyer und Aufkleber wurde der Fall der Friedel54 und die Machenschaften der Citec-Immobiliengruppe in die Öffentlichkeit getragen. Der Citec dürfte spätestens jetzt bewusst sein, wie ernst es den Bewohner*innen, Nutzer*innen und Freund*innen der Friedelstraße 54 mit ihrem Kampf um den Verbleib und die Übernahme des Hauses ist. Und das 1000 Kilometer auch nichts sind, hinter dem mensch sich verstecken kann.

Die kommenden Wochen werden zeigen, wie ernst es der Citec mit einer konstruktiven Lösung ist. Uns ist jedenfalls sehr ernst...

Stay tuned!

 



Presseartikel zur Wienfahrt:

 

 

 



Nächste Termine:

 

  • 01.04. - Krachtigall <3 Friedel – Party – 21:00h @Rauchhaus
  • 03.04. - „Friedel54 kämpft! - Was können wir tun?“ Infoveranstaltung und Diskussion – 20:00h @Lunte
  • 06.04. - Abend der offenen Kiezgesellschaft - Vorstellung des Kiezladens - 19:30h @Kollektivbar ES
  • 07.04. - Vortrag „Freizeit ohne Kontrollen – Geschichte der Jugendzentrumsbewegung in Deutschland“ mit Input zur Situation der Friedel54 – 19:00h @JUP
  • 30.04. - Kundgebung „Gegen Verdrängung und soziale Ausgrenzung. Für die solidarische Stadt von unten.“ Anschließend gemeinsame Anreise zur stadtpolitischen Demo im Wedding „Organize – united neighbours against racism and social exclusion“ - 15:00h @Hermannplatz
  • 30.04. - Kundgebung: „Friedel54 – Soziales Zentrum in Nord-Neukölln bleibt!“ mit kreativem Bühnenprogramm und Konzerten – 18:00h @Reuterplatz
  • 01.05. - Selber machen: Kämpfen! Streiken! Besetzen! Antiautoritärer Block auf der Revolutionären 1. Mai Demonstration – 18:00h @Oranienplatz

 

Mehr Termine findet ihr auf dem Blog, sowie den Social Media Präsenzen des Kiezladens Friedel54.

 


 

Kontakt und Hintergründe

 

Kiezladen Friedel54 - Soziales Zentrum in Nord-Neukölln

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Hausgemeinschaft der Friedelstraße 54

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