Angriff auf Polizisten in Döbeln kostet 3300 Euro Geldstrafe – NPD-Kader scheitert mit Berufung

Erstveröffentlicht: 
31.03.2016

Ist ein Neonazi auf einer Demonstration der Rechten auf seinen eigenen Kameraden losgegangen? Könnte sein, meinte der Verteidiger des Mannes. Mit dieser absurd klingenden Theorie wollte der Jurist Zweifel an der Schuld seines Mandanten begründen und im Landgericht Chemnitz einen Freispruch „in dubio pro reo“ herausschinden. Was nicht gelang.

 

Chemnitz/Döbeln. Die Vorfälle auf der Nazidemo am 13. Februar 2015 haben die Justiz jetzt erneut beschäftigt. Am Donnerstag verwarf das Landgericht Chemnitz die Berufung Jan Häntzschels, ehemaliger NPD-Stadtratskandidat in Döbeln. Es bestätigte damit das Urteil des Amtsgerichtes Döbeln vom 14. Dezember 2015. Strafrichter René Stitterich hatte den 27-Jährigen wegen versuchter Körperverletzung in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu 100 Tagessätzen á 33 Euro verurteilt. Für den Richter stand fest, dass Jan Häntzschel auf besagter Demonstration anlässlich des Jahrestages der Bombenangriffe auf Dresden zunächst versucht hatte, eine Gegendemonstrantin aus dem linken Lager zu schlagen. Außerdem war Häntzschel laut Amtsgerichtsurteil mit der Faust auf einen Polizisten losgegangen, als dieser gerade mit dem Döbelner NPD-Stadtrat Stefan Trautmann beschäftigt war. Ein Kollege des Beamten sah dies, schritt ein und brachte den Angreifer zu Boden.

 

Gegen das Döbelner Urteil hatte Jan Häntzschel Berufung eingelegt. Und so verhandelte nun die 7. Strafkammer die Sache in zweiter Instanz. Der Vorsitzende Richter Frank Schmidt und seine beiden Schöffen kamen zum gleichen Ergebnis, wie Richter Stitterich in der ersten Instanz. „Die beiden Polizeibeamten haben über zwei Instanzen konstant ausgesagt. Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit gibt es nicht. Bei der jungen Frau war es zunächst schwierig, weil sie aus dem gegnerischen lager kommt. Gleichwohl haben wir ihr geglaubt. Sie hat keinen Belastungseifer gezeigt und auch ihre Aussage war konstant“, würdigte der Vorsitzende die Zeugenaussagen, als er das Urteil begründete.

 

Nicht konstant waren dagegen die Angaben Häntzschels, gleichwohl er als Angeklagter das Recht hat, straffrei sagen zu dürfen, was er will. Im Amtsgericht erzählte er noch, bei Trautmann und dem Fotografen der rechten Szene gestanden und mit Polizisten diskutiert – aber nicht versucht zu haben, diese zu schlagen. Im Landgericht sagte er nun, er sei 35 Meter entfernt gewesen. „Ich wollte in meiner Funktion als Ordner die Teilnehmer unserer Kundgebung wieder zurückzurufen. Sie waren in Richtung der linken Gegendemonstranten gegangen.“ Er habe auch nicht versucht, den Polizisten zu schlagen. „Das war ein Gedenktag. Da übe ich keine Gewalt aus“, sagte Jan Häntzschel. Außerdem habe er den Polizisten gar nicht mit der rechten Faust angreifen können, da er Linkshänder sei. „Ich schreibe zwar mit der rechten Hand, wie das halt in der DDR so war“, sagte er mit Blick auf die Umerziehung von Linkshändern. Nur: Um noch Damit er das DDR-Bildungssystem hätte kennerlernen können, hätte man Jan Häntzschel schon als sehr kleines Kind einschulen müssen. Er ist Jahrgang 1988.

 

„Ziel der Berufung ist ein Freispruch“, stellte sein Verteidiger Rechtsanwalt Alexander Lindner gleich zu Beginn klar. Um Zweifel an der Täterschaft seines Mandanten begründen zu können, kam der Anwalt im Landgericht mit einer neuen Tatversion um die Ecke, die sich aus seinen Fragen an die Zeugen und seinem Schlussvortrag ergab. Beim ersten Prozess im Amtsgericht war davon noch keine Rede. Jan Häntzschel sei statt auf den Polizisten auf NPD-Stadtrat Stefan Trautmann losgegangen, den der Beamte mit dem Schlagstock auf Distanz hielt. Was Staatsanwalt Stephan Butzkies zu einer ironischen Frage an den Polizeizeugen veranlasste, der Häntzschel zu Boden gebracht hatte: „Hat der Angeklagte dabei zu Ihnen etwas gesagt, wie: Halt ein, ich will den Trautmann schlagen?“ Der Kommissaranwärter verneinte dies.

 

„Warum Sie ihre eigene Leute schlagen wollen, erschließt sich mir nicht“, sagte Staatsanwalt Butzkies in seinem Plädoyer. Die Ausführungen Häntzschels nannte er „Blabla“. Er habe mit rhetorischem Geschick viel gesagt. „Qualität konnte ich nicht erkennen.“ Jan Häntzschel ging in seinem letzten Wort darauf ein: Es sei unprofessionell von einem Staatsanwalt, von „Blabla“ zu sprechen. Man solle dies unterlassen, wenn es wieder „mehr Vertrauen in die deutsche Rechtsstaatlichkeit geben soll.“ Die Gewalt in Döbeln geht in seiner Wahrnehmung sowieso von den Linken aus. Das Landgerichtsurteil kann er mit der Revision anfechten. Es ist noch nicht rechtskräftig und darum nicht ausgeschlossen, dass sich das Oberlandesgericht (OLG) in Dresden dann in dritter Instanz mit den Vorfällen auf der Demo der Rechten im Februar 2015 beschäftigen muss. Allerdings prüft das Gericht das Chemnitzer Urteil nur auf Rechtsfehler und entscheidet dann, ob es den Richterspruch aufhebt und an eine andere Strafkammer des Landgerichtes zurückverweist, damit diese den Fall erneut verhandelt. Das OLG kann die Revision auch ablehnen.

 

Von Dirk Wurzel