Terroranschläge: Ermittler fahnden nach Verdächtigen

Erstveröffentlicht: 
27.03.2016

Nachdem der Festnahme des dritten Attentäters, sollen weitere Verdächtige auf der Flucht sein – Belgien klagt zweite Person wegen vereitelten Paris-Anschlages an

 

Brüssel – Im Zusammenhang mit dem vereitelten Terroranschlag von Paris hat die belgische Staatsanwaltschaft am Sonntag gegen einen zweiten Verdächtigen Anklage erhoben. Abderaman A. war am Freitag bei einem Polizeieinsatz im Stadtteil Schaerbeek angeschossen und von der Polizei zunächst in Untersuchungshaft genommen worden.

 

Bereits am Samstag war zudem gegen den ebenfalls am Freitag festgenommenen Rabah N. Anklage erhoben worden. Beiden Verdächtigen wird vorgeworfen, an der Planung eines Attentats in Paris beteiligt gewesen zu sein.

 

Die französischen Behörden hatten in diesem Zusammenhang am Donnerstag den Franzosen Reda Kriket festgenommen und von "konkreten Anschlagsplänen" gesprochen. In Krikets Wohnung im Pariser Vorort Argenteuil wurden Sprengstoff und Waffen sichergestellt. Er gehört derselben belgischen Terrorzelle an wie der mutmaßliche Drahtzieher der Pariser Anschläge vom November 2015, Abdelhamid Abaaoud.

 

Sicherheitsbehörden fahnden


Nach den Bombenexplosionen in Brüssel und der Pariser Anschlagserie vom November fahnden die Sicherheitsbehörden weiter nach mehreren mutmaßlichen Terrorhelfern.

 

Nach Informationen der "Welt am Sonntag" sollen sich mindestens acht Verdächtige in Syrien aufhalten oder in Europa auf der Flucht sein.

 

Die meisten davon seien Franzosen und Belgier, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Sicherheitskreise. In Brüssel wird eine Klarstellung der Staatsanwaltschaft erwartet, ob es sich bei einem festgenommenen Mann um den tagelang gesuchten dritten Attentäter vom Flughafen handelt.

 

Nach dem "Welt am Sonntag"-Bericht zählen die gesuchten Islamisten zu den Kontaktpersonen des mutmaßlichen Drahtziehers der Pariser Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, und des in Belgien gefassten Terrorhelfers Salah Abdeslam.

 

Nach Ermittlungsergebnissen aus Frankreich und Belgien soll der mutmaßliche Kopf der europäischen IS-Terrorzellen der Algerier Mohamed Belkaid gewesen sein, der bei einem Polizeieinsatz in Belgien erschossen wurde. Er soll gemeinsam mit Najim Laachraoui, einem Bombenbauer und späteren Brüssel-Attentäter, die Terrorkommandos bei den Pariser Attentaten von Belgien aus per Telefon angeleitet und koordiniert haben, wie das Sonntagsblatt weiter berichtete.

 

Hausdurchsuchungen in Belgien


Sonntagfrüh gab es an verschiedenen Orten in Belgien insgesamt 13 Hausdurchsuchungen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, die meisten davon im Großraum Brüssel.

 

Die Razzien stünden im Zusammenhang mit Terrorismus-Ermittlungen, hieß es. Eine ausdrückliche Verbindung zu den Attentaten vom Dienstag stellte die Behörde aber nicht her. Von insgesamt neun festgenommenen Personen wurden bis zum Nachmittag fünf wieder auf freien Fuß gesetzt. Bei den übrigen sollte ein Richter im Laufe des Tages über eine mögliche Untersuchungshaft entscheiden.

 

Vermisstes US-Paar ist tot


Ein seit den Anschlägen von Brüssel vermisstes Paar aus den USA ist indes neuen Angaben zufolge bei den Attentaten getötet worden. "Wir haben erfahren, dass (die beiden, Anm.) bei dem Anschlag am Brüsseler Flughafen starben", teilte der Arbeitgeber des Mannes am Samstag mit. In einem Auftritt beim Kurzbotschaftendienst Twitter, den US-Medien dem Bruder des Manns zuordneten, wurde dies bestätigt.

 

"Wir haben erfahren, dass Feiglinge meinem Bruder wenige Wochen nach seinem 30. Geburtstag das Leben genommen haben", schrieb der Mann dort. Das Paar habe seit dem Jahr 2014 in Brüssel gelebt, teilte der Arbeitgeber mit. Die Regierung in Washington hatte am Freitag bestätigt, dass zwei US-Bürger getötet worden seien und mehrere weitere vermisst würden.

 

Dritter Attentäter gefasst


Der dritte Attentäter vom Brüsseler Flughafen ist laut der belgischen Zeitung "Le Soir" längst gefasst. Der in der Nacht auf Freitag festgenommene Faycal C. sei von jenem Taxifahrer identifiziert worden, der das Terrorkommando zum Flughafen brachte. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht. Wie der Sender RTBF berichtete, wird noch auf das Ergebnis einer DNA-Analyse gewartet. Gegen Faycal C. wurde Haftbefehl erlassen wegen Beteiligung an terroristischen Morden. Waffen oder Sprengstoff waren bei ihm nicht gefunden worden.

 

Nach den Razzien in Brüssel vom Donnerstag und Freitag sitzen weiterhin mehrere Verdächtige im Gefängnis. Neben Faycal C. wurden gegen zwei weitere Verdächtige, die am Freitag bei Razzien festgenommen worden waren, Haftbefehle wegen der Beteiligung an terroristischen Aktivitäten erlassen.

 

Zu den Anschlägen in Brüssel und Paris hatte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt. In der französischen Hauptstadt wurden am 13. November 130 Menschen getötet, in Brüssel rissen drei Selbstmordattentäter am 22. März 28 Menschen mit in den Tod.

 

Sicherheitslage angespannt


Die Sicherheitslage in Belgien ist weiterhin angespannt. Ein für diesen Sonntag geplanter "Marsch gegen die Angst" in Brüssel wurde abgesagt, da die Polizei mit laufenden Ermittlungen ausgelastet ist.

 

In Italien wurde indes ein in Belgien gesuchter Algerier mit mutmaßlichen Verbindungen zu den Verantwortlichen der Terroranschläge von Brüssel und Paris festgenommen. Der Mann gehöre zu einer Bande von Passfälschern, die mit den Attentätern in Verbindung gestanden habe, teilte die italienische Polizei am Samstagabend auf Twitter mit. Neben Abdeslam sollen jeweils mindestens einer der Attentäter von Brüssel und Paris von der Bande gefälschte Papiere genutzt haben.

 

Bereits 2015 sollen zwei Jihadisten in Frankreich vor den IS-Anschlagsplanungen gewarnt haben, wie aus Verhörprotokollen der beiden aus dem Juni und August 2015 hervorgehe. Die beiden Islamisten seien in Syrien vom IS ausgebildet worden und anschließend nach Frankreich zurückgekehrt. Im Verhör des französischen Inlandsgeheimdienstes DGSI warnten sie demnach davor, dass große Terroranschläge in Europa bevorstünden. "Dort (in Syrien) gibt es eine regelrechte Fabrik und sie versuchen in Frankreich oder Europa zuzuschlagen", soll einer der Männer am 13. August 2015 gesagt haben.