Zu Gast in einem Staat, der die Menschlichkeit meuchelt. Kein denkender Mensch kann behaupten, in der Türkei würden die Menschenrechte eingehalten. Diese Entwicklung ist keineswegs neu. Entsprechend hat es sich der Verein Insan Haklari Derneĝi (IHD) zur Aufgabe gemacht eine unabhängige Beobachtung und Dokumentation der Lage sicherzustellen. Wir danken den Freund*innen der Niederlassung in Amed (Diyarbakir), dass sie sich die Zeit genommen haben, uns ihre Arbeit vorzustellen.
Seit 30 Jahren sammelt der Verein, der der erste seine Art im Land war, Informationen zu Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und publiziert regelmäßig Berichte in gedruckter Form und auf seiner Homepage dazu, um eine Öffentlichkeit dafür zu schaffen. Alle diese Informationen werden archiviert, damit sie langfristig nachvollziehbar sind. Aufklärungsarbeit über eigene Rechte ist ein weiteres Arbeitsfeld der Organisation. Diese Arbeit ist keineswegs ungefährlich, vielfach werden die Mitarbeiter*innen bedroht, inhaftiert, gefoltert und erhalten sogar Morddrohungen. In den 1990er Jahren wurden 30 Angestellte des Vereins ermordet. Schon diese Reaktionen sind ein Zeichen dafür, welch notwendige und richtige Arbeit dort geleistet wird.
In jüngster Zeit beobachtet der IHD eine weitere Verschlechterung der Menschenrechtslage in der Türkei. Gleichzeitig hat sich der staatliche Umgang damit verändert. Während die Repression, Folterungen und Morde in den 1990ern eher vertuscht wurden, werden sie inzwischen öffentlichkeitswirksam dargestellt, um darüber mögliche Aktivist*innen abzuschrecken und einzuschüchtern. So wurden die Leichen von Kämpfer*innen geschändet, indem ihnen die Ohren abgeschnitten, die Körper zerstückelt oder verbrannt und auf den Straßen abgeladen wurden. Dieser perfide Umgang ist nicht nur eine enorme Belastung und Demütigung für die Angehörigen der Gefallenen, sondern auch ein starkes Instrument zur Verunsicherung und Unterdrückung möglichen Widerstandes gegen das System.
Wie zu erwarten läuft die (juristische) Aufarbeitung solcher Taten oberflächlich und eher pro forma ab. Von der früheren Antiterroreinheit JITEM wurden gegen Einzelne zwar bisher Verfahren, jedoch wurden sie als Bandenmitglieder, nicht jedoch als Staatsbedienstete behandelt. Noch dazu lassen sich die Verfahren an einer Hand abzählen. Eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung sieht anders aus.
Augenblicklich beschäftigt den Verein vor allem die Aufarbeitung und Bewertung der Massaker in Cizîr (Cizre) und Gever (Yüksekova). In Cizîr wurden etwa 40 Menschen über mehrere Tage in einem Keller eingesperrt, beschossen und als Höhepunkt ihrer Tortur bei lebendigem Leib verbrannt. Kurz bevor wir den Verein besuchen durften wurden 30 Bewohner*innen der Stadt Gever mittels Giftgas umgebracht. Diese nur beispielhaften Fälle zeigen, dass der türkische Staat auch vor Mord nicht halt macht. Dass diese Geschehnisse publik wurden ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. In vielen Städten und Stadtteilen wurden in der jüngsten Zeit Ausgangssperren verhängt, wie etwa in Sur, einem Bezirk von Amed.
Doch eine Achtung der Menschenrechte kann der IHD alleine nicht erreichen. Es bedarf internationaler Aufmerksamkeit und Drucks, damit sich etwas ändert. Internationale Vernetzung ist daher das A und O der Arbeit, so bestehen Vernetzungen mit mehreren europäischen Organisationen.
Zusätzlich ist der IHD schon mehrfach vor den europäischen Gerichtshof gezogen um gegen den türkischen Staat vorzugehen, doch zumeist ohne Erfolg. In den meisten Fällen wurden die Vorwürfe abgewiesen.
Nichtsdestotrotz geht die Arbeit weiter. Die Mitarbeiter*innen gaben uns folgenden Satz mit auf den Weg: Unser Kampf für Menschenrechte ist ein Naturgesetz.
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