Der Machtkampf in der sächsischen NPD eskaliert

Erstveröffentlicht: 
22.03.2016

Enrico Böhm ist offenbar nicht mehr Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Leipzig. Dies erklärte Landeschef Jens Baur am Abend auf Anfrage. Am vergangenen Wochenende war Baur zum Vorsitzenden der sächsischen NPD gewählt worden. Kurz darauf erhob der Kreisverband Leipzig schwere Vorwürfe gegen ihn: Er soll die Wahl manipuliert haben und deshalb aus der Partei ausgeschlossen werden. Baur wehrt sich nun: Enrico Böhm sei bereits im Februar von seinem Amt abgesetzt worden.


Von „großer Eintracht, Geschlossenheit und Zuversicht“ sei der Parteitag geprägt gewesen, heißt es auf der Homepage der sächsischen NPD. Landeschef Jens Baur hatte sein Amt bereits seit Juli 2015 kommissarisch inne und wurde nun nach Parteiangaben mit 85 Prozent darin bestätigt. Doch so harmonisch, wie offiziell dargestellt, scheint es in der von einem Parteiverbot bedrohten NPD derzeit nicht zuzugehen.

Aus dem bislang von Stadtrat Enrico Böhm geführten Leipziger Kreisverband heißt es nun in einer auf der Homepage veröffentlichten Mitteilung, die Wahl sei ungültig. Landeschef Baur habe gegen die Parteisatzung verstoßen und „mutmaßlich“ den Versuch unternommen, die Wahl zu manipulieren. „Zum Landesparteitag abdelegierte Mitglieder wurden als nicht stimmberechtigt erklärt, vorgeschlagene Kandidaten wurden ignoriert, Einladungen an die betreffenden Delegierten und Kandidaten wurden erst gar nicht versendet“, heißt es weiter.

Der Bundesvorstand der Partei sei nun dazu aufgefordert worden, Baur „mit sofortiger Wirkung von allen Ämtern zu entheben und ihm die Mitgliedsrechte innerhalb der NPD zu entziehen“. Anderenfalls werde man gegen die Wahl klagen. Von der Parteispitze war kurzfristig keine Stellungnahme zu erhalten. Stattdessen antwortete der Landesvorsitzende Baur. Die Vorwürfe seien „in keinster Weise“ zutreffend. Der Landesparteitag sei ordnungsgemäß verlaufen.

Zugleich holte Baur zum Gegenschlag aus: „Herr Böhm war dem Amt als Kreisvorsitzender in Leipzig und den damit verbundenen Aufgaben nicht gewachsen und wurde deshalb bereits im Februar einstimmig vom Landesvorstand abgesetzt, was nun vermutlich auch der Grund für sein parteischädigendes Verhalten ist.“ Aufgrund seiner „bekannten Vorstrafen“ sei er parteiintern umstritten.

Baur bestätigte, dass für den Leipziger Kreisverband ein „organisatorischer Notstand“ verhängt wurde. Dies ist laut Parteisatzung eine Voraussetzung, um „Vorstände nachgeordneter Instanzen zu suspendieren“. Auch ein Parteiausschluss von Böhm wäre damit möglich.

In den vergangenen Jahren machte der sächsische Landesverband immer wieder durch Personalentscheidungen Schlagzeilen. Im Juli 2015 legte Holger Szymanski sein Amt als Landesvorsitzender nieder. Laut Medienberichten waren auf seinem PC Homosexuellen-Pornos gefunden worden. Der ehemalige Bundesvorsitzende Holger Apfel trat Ende 2013 vom Vorsitz der sächsischen Landtagsfraktion zurück. Parteiintern war kolportiert worden, dass er einen „jungen Kameraden“ belästigt habe.