"Geflüchtete sind willkommen" - war eigentlich die Botschaft, die Clausnitz' Bürgermeister Michael Funke (parteilos) laut eigener Aussage gegenüber dem MDR am Abend des 18.02.2016 den 24 Menschen überbringen wollte, die ab diesem Tag in der tiefsächsischen Gemeinde leben sollen. Doch dahin kam er anscheinend nicht: Die Zufahrtswege wurden von Anwohner_innen im Wahn der Vaterlandsverteidigung blockiert, der Bus mit Geflüchteten und die aussteigenden Personen zusammengebrüllt. Ein wohl bei PEGIDA eingeübtes "Wir sind das Volk" schallte den Refugees entgegen, als sie nach dreistündigem Ausharren im Reisebus von der Polizei aus diesem gezerrt wurden.
Kundgebung in Clausnitz nach Ereignissen des 18.02
° 20.02.2016, 19:00 Uhr
° Clausnitz, Cämmerswalder Straße - gegenüber der 13-15
° Solidarität mit allen Betroffenen rassistischer Gewalt!
° Spenden wie Süßigkeiten und Kippen sind gern gesehen
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Die Bilder aus Clausnitz gingen in kürzester Zeit um die Welt: Zwei der Geflüchteten, einer von ihnen offensichtlich minderjährig und beide mehr als offensichtlich stark verängstigt durch das gesamte Geschehen, wurden von Polizisten gedrängt, an Armen und Hals gepackt und in die Unterkunft gezerrt - während nur wenige Meter daneben der enthemmte Volksmob die Gewalt bejubelt. Zu einem freundlichen "Willkommen" gegenüber den Angekommenen kam es an diesem Abend wohl nicht mehr - stattdessen muss schon als "Glück" angesehen werden, dass der 100 Menschen starke Mob sich nach 22 Uhr wieder verzog. Bürgermeister Funke brauchte nicht lange, um gegenüber den Medien zu äußern, dass es sich dabei ja ohnehin nicht um Clausnitzer_innen gehandelt hätte, und wenn doch, dann seien diese ja eher nur dort gewesen, um zu schauen, wer ab sofort mit ihnen im Ort lebt. Protest hätte sich keinesfalls gegen die Geflüchteten gerichtet, sondern "gegen die große Politik".
Geschichte wiederholt sich. Das eingeübte Dreierlei aus Ignorieren, Relativieren bei konsequenter Umkehrung von Tätern und Opfern wird gerade in Sachsen in Dauerschleife aufgeführt. Die Äußerungen des Bürgermeisters stehen stellvertretend für soviele andere, die Nazis nicht mal dann erkennen wollen wenn mit dem Hitlergruß, der sächsischen Variante der Willkommenskultur, salutiert wird und die brennenden Flüchtlingsheime vor allen Dingen für ein Image-Problem halten.
Heidenau, Freital, Dresden, Meissen und jetzt Clausnitz stehen stellvertretend für Orte rassistischer, menschenverachtender Gewalt. Einer Gewalt, die durch die Beschwichtigungen von Verantwortlichen ihre Legitimation erfährt und im Netz tausendfach wiederholt wird. Das Verhalten der Polizei, die nicht etwa Rassist_innen zurückdrängt, sondern Gewalt gegen die Opfer der rassistischen Ausbrüche anwendet, runden das Bild ab. Sachsen ist gerade ein einziger rassistischer Exzess.
All das Geschehene war völlig erwartbar: Bereits seit mehreren Wochen hängen Fremdenfeinde Transparente mit der Aufschrift "Widerstand" im Ort auf [1] und begegnen Hilfe für Geflüchtete mit derart krasser Gewalt und Hetze, dass Informationsveranstaltunge n zur geplanten Unterkunft nicht mehr sicher durchgeführt werden konnten. Die Drohungen waren klar, kamen an - und wurden ignoriert.
Jetzt ist nicht die Zeit, beschämt zu sein! Jetzt ist nicht die Zeit, einen Nazimob, wie er schon aus Freital, Heidenau, Niederau und Bischofswerda bekannt ist, zu verharmlosen!
Was fehlt, sind klare Ansagen und Taten: Geflüchtete sind hier willkommen. Ohne Wenn und ohne Aber. Rassistische Gewalt, verübt durch Faschist_innen Hand in Hand mit der sächsischen Polizei, darf nicht zur Normalität werden. Solidarität mit den Betroffenen ist eine Selbstverständlichkeit.
Darum werden wir am 20.02.2016 in Clausnitz sein und rufen alle, die sich mit den sächsischen Verhältnissen nicht abfinden wollen, dazu auf, dabei zu sein. Bringt Obst mit, Saft, Kuchen, Süßigkeiten und schöne Musik. Wir treffen uns im 19:00 Uhr an der Cämmerswalder Straße, auf Höhe der Nummern 13 bis 15. Wir möchten den Menschen, die dort nun leben, kurz "Hallo" sagen und unsere Solidarität mit ihnen ausdrücken - gerne auch in Form eines kleinen Kuchenessens, wenn sie das möchten.
Wir sind nicht auf der Suche nach Stress und lassen uns von Faschist_innen, die sich möglicherweise von respektvollem, solidarischem und freundlichem Umgang miteinander gestört fühlen, nicht provozieren.
Wir werden nicht beschämt sein - sondern vor Ort handeln!
Am 20.02 haben wir eine Eil-Versammlung in der Nähe der Unterkunft geplant. Ab 19:00 Uhr wollen wir dort mit euch gemeinsam den sächsisschen Verhältnissen trotzen.
WIr wissen, dass der Schrecken des Ankommens den Refugees und sicher auch einigen Helfer_innen tief auf der Seele liegt und dies nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann. Aber wir werden dort sein und sicher auch die ein oder andere Spende und vielleicht sogar ein kleine Buffet vor Ort haben. Wir würden uns freuen, wenn viele etwas dazu besteuern könnten.
[1] https://www.holzhau.de/ 2059-0-0-einwohner-sehen-zu weisung-von-flüchtlingen-s ehr-kritisch-widerstand-an gekündigt.html