Wie sich Pegida in Europa vernetzt

Erstveröffentlicht: 
04.02.2016

Wie sich Pegida in Europa vernetzt Die fremdenfeindliche Bewegung mobilisiert europaweit für Sonnabend. Vieles ist Show, doch manches ist echt. Echt gefährlich. Eine Analyse der SZ.

 

Von Ulrich Wolf und Thilo Alexe

 

Schick haben sie sich gemacht für die Festung. Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling trägt beim Treffen mit Gleichgesinnten einen dunklen Hosenanzug und weiße Bluse. Der Titel des Time-Magazins, das eine Dresdner Pegida-Demonstration im Winter zeigt und dazu das Wort „Unwelcome“ (nicht willkommen) setzt, hat es ihr angetan. „Unwelcome“ bedeutet für sie keine Kritik. Für Festerling ist der Slogan die Antwort auf die Aktion der Australier, Flüchtlingsboote zum Umkehren zu zwingen. Am Wochenende will Pegida europaweit auflaufen. Grenzüberschreitend verlangen die Demonstranten die „Festung Europa“ und damit die Abkehr von der liberalen deutschen Asylpolitik. Doch so stark wie in Dresden ist die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung nirgends, trotz des bisherigen Bemühens um europäische Partner. Grundlage für das umtriebige Geschehen ist die „Prager Erklärung“, die Rechtspopulisten aus zehn Staaten vor knapp zwei Wochen in einer Kleinstadt bei Prag verabschiedet hatten. Pegida-Gründer Lutz Bachmann wird vom Dresdner Königsufer aus das Spektakel am 6. Februar moderieren. Vorgesehen sind Live-Schaltungen nach Polen, Tschechien und in die Slowakei. Festerling will in Warschau reden. Ihr Kollege vom Organisationsteam, der Meißener Siegfried Däbritz, soll in Bratislava auftreten. All das sieht tatsächlich nach einer europäischen Vernetzung aus – mit weit rechts stehenden, teilweise rechtsextremen Parteien und Bewegungen, die in den jeweiligen Ländern aber nur teilweise eine politische Rolle spielen.

 

Polen


Die für 15 Uhr am Schlossplatz in Warschau angesetzte Demonstration mit Festerling organisiert die rechtsextreme Bewegung Ruch Narrodonay (RN). 2012 gegründet, ist sie derzeit mit fünf Abgeordneten im Unterhaus vertreten. Einer dieser Abgeordneten ist der RN-Vorsitzende Robert Winnicki. Sein Ziel ist es, eine Kraft aufzubauen, „vor der sich Linksradikale und Schwule sehr fürchten“ müssen. Winnicki ist zudem Sprecher der stärksten treibenden Kraft innerhalb der RN, der Allpolnischen Jugend. Mit ihrer Hilfe gelang es, im November vorigen Jahres 35 000 Menschen in Warschau unter dem Motto „Polen den Polen“ zu versammeln. Dem Fachmagazin Osteuropa zufolge versteht sich die RN – ähnlich wie Pegida – „als Kern einer heterogenen sozialen Bewegung von rechts“. Ein wichtiger Teil der RN ist die polnische Fußballszene. Hooligans verbreiten in den Stadien mit ihren teils aufwendigen Choreografien rechte Geschichtssymbolik. Pegida findet das toll. Auf deren Facebook-Seite ist ein Foto aus dem Stadion von Legia Warschau zu entdecken: Es zeigt ein Transparent, auf dem Kreuzritter Europa vor Flüchtlingen schützen.

 

Slowakische Republik


Die Versammlung in Bratislava, auf der Pegida-Mitorganisator Däbritz auftreten soll, findet nahe der historischen Altstadt statt. Das bestätigte eine Sprecherin der slowakischen Hauptstadt. Pegida arbeitet dort mit der pro-russischen Partei „Mut“ (Odvaha) zusammen. Angemeldet hat die Demonstration der Stadtsprecherin zufolge der 51 Jahre alte Parteichef und Finanzanalyst Jan Pavlis aus der slowakisch-ungarischen Grenzstadt Kosice. Dort eskaliert derzeit ein Streit um eine der wenigen Flüchtlingsunterkünfte der Slowakei.

 

Tschechien


Die Pegida-Verbündeten dort sind die rechtspopulistische Partei Usvit (Morgendämmerung der direkten Demokratie) und der anti-islamistische Block. Beide Organisationen bereiteten das Treffen in Roztoky bei Prag vor, auf dem die „Prager Erklärung“ verfasst und die konzertierte Aktion für das kommende Wochenende vorbereitet wurde. Usvit schaffte vor drei Jahren mit rund sechs Prozent den Sprung ins Parlament. Ihr Vizechef Jan Zilvar sagte dem Deutschlandfunk: „Die Usvit arbeitet sehr intensiv mit Pegida zusammen. Wir unterstützen uns gegenseitig.“

 

Estland


Partner von Pegida in dem baltischen Staat ist die konservative Volkspartei Ekre. Auf ihrer Homepage kündigt diese für den Sonnabend 15 Demonstrationen im ganzen Land an, darunter in der Hauptstadt Tallinn. Organisatorin ist Ekre-Vorstandsmitglied Maria Kaljuste. Die rechten Kräfte hätten sich international verbunden, um eine Festung Europa zu schaffen, erklärt sie auf ihrer Homepage. „Wir werden Zeugen der Wiedergeburt stolzer Nationen.“

 

Österreich


Pegida ist in Österreich seit dem Frühjahr 2015 unterwegs. Fotos einer Demonstration in Graz, wo für Samstag erneut eine Kundgebung geplant ist, zeigen regional bekannte Neonazis und extrem rechts stehende FPÖ-Jungpolitiker. Auf diese populistischste Partei Österreichs geht Pegida verstärkt zu. Bachmann war im Januar auf dem FPÖ-Neujahrstreffen in Wels zu Gast; er und Parteichef Heinz-Christian Strache lobten sich. Und während am vergangenen Freitag in Dresden der Semperopernball über die Bühne ging, besuchte Festerling den von der FPÖ organisierten Ball in der Wiener Hofburg. Dem österreichischen Magazin Standard sagte sie, sie sei „zum Vernetzen“ gekommen.

 

Frankreich


Normalerweise wäre der Front National, dessen Chefin Marine Le Pen 2017 französische Präsidentin werden will, natürlicher Verbündeter von Pegida. Doch dem ist nicht so. Vielmehr hat Pegida mit dem Republikanischen Widerstand angebandelt, dem Resistance Republicaine. Die ehemalige Lehrerin Christine Tasin gründete diese Bewegung 2010. Sie ist überzeugte Atheistin und kämpft fanatisch gegen den Islam. Der Zeitung Liberation sagte sie, nie im Leben würde sie in ein arabisches Land reisen. „Ich weigere mich, auch nur einen Cent in Ländern auszugeben, die Frauen zwingen, sich zu verschleiern.“ Sie ist mit dem ehemaligen Gewerkschaftsfunktionär Pierre Cassen liiert. Beide traten im Januar 2015 bei Dügida in Düsseldorf auf. Cassen organisierte auch ein Muslime provozierendes Schwein-und-Wein-Gelage im Pariser Einwandererviertel La Goutte-d’Or, unterstützt vom rechtsextremen „Bloc Identitaire“. Die Identitären sind völkisch orientierte Menschen. Ableger ihrer Bewegung gibt es auch in Österreich und Sachsen; acht von ihnen besetzten im Januar 2015 das Foyer des sächsischen Landtags, die Flaggen der Identitären sind oft bei Pegida-Demonstrationen in Dresden zu sehen. Tasin und Cassen haben für das Wochenende zu fünf Kundgebungen in Frankreich aufgerufen. Dazu gehört auch Calais, die Stadt hat jedoch am Mittwoch alle Demonstrationen untersagt.

 

Großbritannien


Die Pegida-Bewegung des Vereinigten Königreichs will in Birmingham protestieren – gegen den Widerstand der etablierten Parteien. Die Polizei zwingt die britischen Pegidisten, ihre Kundgebung an einem fast zehn Kilometer vom Zentrum gelegenen Bahnhof abzuhalten. Angemeldet hat die Demonstration der 51 Jahre alte Gründer der britischen Freiheitspartei, Paul Wes-ton. Seine Partei wird der Neuen Rechten zugeordnet, er selbst trat schon mehrfach in Frankreich auf. Sprecherin von Pegida in England ist allerdings Anne Marie Waters, ein Mitglied der eurokritischen Ukip-Partei. Noch unklar ist, ob Stephen Yaxley-Lennon, bekannter unter dem Pseudonym Tommy Robinson, auftreten wird. Der 32-Jährige, der schon bei Pegida in Dresden gesprochen hat, war einmal Chef der islamfeindlichen „English Defense League“.

 

Irland


Auch Dublin steht auf der Liste für den 6. Februar. Dahinter steckt die im Juli 2015 gegründete inoffizielle Partei Identität Irland. Ihr Sprecher ist der Grundschullehrer Peter O’Loughlin. Er trat vor vier Wochen als Gastredner bei Pegida in Dresden auf. Auf einer Pressekonferenz Ende Januar sagte er: „Pegida will in Dublin den Iren die Möglichkeit geben, ihren Unmut gegen Masseneinwanderung, EU-Wahnsinn und islamischen Extremismus zu äußern.“

 

Niederlande


Pegida hat dort bereits mehrfach demonstriert. Im Oktober 2015 war Bachmann zu Gast in Utrecht. Am 6. Februar soll erstmals in Amsterdam protestiert werden. Eine Art Bürgerarmee, die „Dutch Self Defence Army“, kündigt auf ihrer Facebook-Seite an, sie werde als „Ordnungsmacht“ auftreten. Die Verbindung in die Niederlande hält auch der in Dresden bei Pegidisten beliebte „Ed der Holländer“ aufrecht. Er stammt aus Utrecht, heißt Edwin Wagensveld, steht der Hooligan-Szene nahe und lebt seit zehn Jahren in Franken. Der Auftritt des Rechtspopulisten Geert Wilders im April 2015 in Dresden soll jedoch durch Vermittlung von Siegfried Däbritz zustande gekommen sein. Wilders‘ Freiheitspartei PVV könnte jüngsten Umfragen zufolge derzeit 40 der 150 Parlamentssitze erringen.

 

Belgien


Die Verbindungen von Pegida zur fremdenfeindlichen Partei Vlaams Belang sind eng. Am 19. Oktober vorigen Jahres sprach Parteichef Henry Dewinter in Dresden, Anfang Januar redeten Bachmann und Wagensveld in Antwerpen. Dort, im flämischen Norden des Landes, hat sich ein Ableger von Pegida gebildet.

 

Schweiz


Ausgerechnet in der von den Pegidisten wegen ihrer Volksabstimmungen überaus beliebten Schweiz bekommt Pegida kein Bein auf den Boden. Bislang untersagten die Behörden jedwede Pegida-Demonstration. Größter Unterstützer ist die Kleinpartei Direktdemokratische Partei Schweiz (DPS). Ihr Mitbegründer und Präsident Ignaz Bearth ist häufig zu Gast in Dresden, er hat mit Festerling eine Bergtour auf den 1900 Meter hohen Großen Mythen im Kanton Schwyz unternommen. Der 32-jährige Bearth war Mitglied der rechtsextremen Partei Nationalorientierter Schweizer. Er bezeichnete die Bundesregierung in Berlin als „die wahren Nazis“. Zwar ermittelte daraufhin die Schweizer Bundesanwaltschaft gegen ihn, stellte das Verfahren aber im Januar vergangenen Jahres ein.

 

Italien


Der Verbindungsmann von Pegida zur immer fremdenfeindlicher werdenden Lega Nord in Italien ist der Neurechte Götz Kubitschek. Er berichtete im März 2015 auf der Pegdia-Bühne in Dresden von seinem Auftritt vor Zehntausenden Anhängern der Lega-Nord in Rom. Dorthin eingeladen hatte ihn Parteichef Matteo Salvini. Zum einjährigen Bestehen von Pegida im vergangenen Oktober entsandte die Lega Nord den Mailänder Parlamentsabgeordneten Vincenzo Sofo. Kubitschek ist zudem vernetzt mit dem EU-Parlamentarier Lorenzo Fontana. Der sagte dem Handelsblatt: „Pegida ist das neue Europa, das erwacht.“

 

Die Chancen des Netzwerks


Wie tragfähig sind die Kontakte, die Pegida in andere Länder geknüpft hat? Die vom Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer im Januar vorgelegte Pegida-Studie konstatiert bereits in der Einleitung: „Der Versuch, Dresden und Sachsen zum Ausgangspunkt einer gesamteuropäischen Bewegung zu machen, muss vorerst als gescheitert angesehen werden.“ Das Adverb vorerst schließt nicht aus, dass sich das ändern könnte – auch wenn es unwahrscheinlich erscheint. Zu groß wirken, trotz nationalistischer Strömungen in Osteuropa, die Unterschiede zwischen den Bewegungen und vor allem deren Anhängern. „Ich glaube nicht, dass die vernetzt sind“, sagt der Dresdner CDU-Abgeordnete Martin Modschiedler, der dem Europa-Ausschuss des sächsischen Landtags angehört.

 

Vieles wird davon abhängen, wie viele Menschen auf die Straße gehen. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Valentin Lippmann glaubt ebenfalls nicht an eine Vernetzung. Mit Blick auf die Demonstrationen am Wochenende sagt er: „Das ist der Versuch, auf den Rechtspopulismus in Europa aufzusatteln. Wie erfolgreich das sein wird, werden wir sehen.“ Für Dresden haben die Initiatoren 10 000 Teilnehmer angemeldet. Das ist realistisch. Anderswo dürften es deutlich weniger werden.